„Die Weltordnung ist unvorhersehbarer und volatiler geworden“
17.12.2024
Ann-Katrin Petersen, Anlagechefin für den deutschsprachigen Raum und Osteuropa von BlackRock / Foto: © BlackRock
finanzwelt: Jenseits des Atlantiks, in den USA, ist von getrübter
Stimmung wenig zu hören. Die Wirtschaft läuft noch gut, die Inflation
fällt. Das in der Vergangenheit angenommene Szenario einer harten
Rezession ist (bis dato) ausgeblieben.
Petersen» Ja, die
US-Wirtschaft präsentiert sich in robuster Verfassung. Es sind mehrere
Gründe, wieso die USA diese ökonomischen Erfolge bis dato einfahren. Im
Zuge der Pandemie wurden Nothilfen erlassen, ein Infrastrukturgesetz
aufgesetzt wie auch der weitreichende Inflation Reduction Act. Gemeinsam
mit der ungewöhnlich hohen Nettoeinwanderung hat all dies das Wachstum
und die Konsumtätigkeit angekurbelt und die Beschäftigung hochgehalten.
Parallel dazu stellen die USA auch langfristig die richtigen Weichen,
Stichwort ‚KI‘. Apropos: Aktuell befinden wir uns mit dem Bau von
Rechenzentren und Energieprojekten erst in der ersten Phase dieses
Megatrends. Was die Assetallokation betrifft, so bleiben wir für den
US-Markt tendenziell konstruktiv. Bereits in den vergangenen Monaten
haben wir eine größere Marktbreite gesehen; die eindeutige Dominanz der
Tech-Aktien wurde gebrochen.
finanzwelt: Reisen wir nach Asien: China,
lange Zeit eher gemieden, scheint wieder etwas Rückenwind bekommen zu
haben. Ein kurzes Intermezzo oder ein nachhaltiges Comeback?
Petersen»
Die politischen Entscheidungsträger in Peking haben im Herbst ein Bündel
an monetären und fiskalischen Konjunkturmaßnahmen beschlossen, mit
denen die angeschlagene Wirtschaft belebt werden soll. Eine Art
‚konzertierte Aktion‘. Auf den ersten Blick mag dies gelungen sein.
Chinas lange schwächelnden Aktienmärkte kletterten in die Höhe, das
zwischenzeitliche Kursfeuerwerk sorgte auch andernorts für Euphorie an
den Börsen. Es bleibt jedoch abzuwarten, inwieweit der Rückenwind für
die chinesische Wirtschaft anhält. Das hängt entscheidend auch vom
Umfang des Fiskalpakets ab, das bis dato nicht ausreichend konkretisiert
wurde. Dessen ungeachtet hat auch China mit strukturellen
Herausforderungen zu kämpfen. Das Riesenreich steuert unaufhaltsam auf
eine Ära der starken Überalterung zu.
finanzwelt: Wie fällt Ihr Resümee
aus?
Petersen» Taktisch, d. h. mit Blick auf die kommenden sechs bis
zwölf Monate, bleiben wir bei unserer konstruktiven Haltung. Wir sehen
keine Anzeichen einer harten Rezession. An den Aktienmärkten bleiben wir
tendenziell in US-Werten übergewichtet, erkennen auch Chancen in
anderen Regionen, beispielsweise bei japanischen Aktien. (ah)