Die Situation in Frankreich spitzt sich zu

29.11.2024

Mark Dowding. Foto: BlueBay, RBC BlueBay Asset Management.

Im Vorfeld von Thanksgiving beruhigte Donald Trumps Nominierung von Scott Bessent als Finanzminister die Marktteilnehmer. Es scheint Konsens zu sein, dass das Bellen des künftigen US-Präsidenten schlimmer ist als sein Biss.

Vor diesem Hintergrund sind die meisten Investoren der Ansicht, dass Trumps jüngste Äußerungen zur Einführung von Zöllen in Höhe von 25 Prozent auf alle mexikanischen und kanadischen Importe als Verhandlungsgrundlage zu betrachten sind und nicht wirklich eintreten werden. Nichtsdestotrotz sind der mexikanische Peso und der kanadische Dollar unter Druck geraten. Das zeigt: Unabhängig von seiner eigentlichen Absicht kann Trump durch seine Tweets die Marktpreise beeinflussen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks hat sich die politische Situation in Frankreich zugespitzt. Marine Le Pen vom Rassemblement National droht im Zuge der Diskussionen über den französischen Haushalt mit einem Misstrauensvotum gegen die Regierung von Premierminister Michel Barnier. Das Haushaltsdefizit in Frankreich wird in diesem Jahr voraussichtlich 6 Prozent der Wirtschaftsleistung übersteigen. Da das Land den Defizitregeln der Europäischen Union (EU) unterliegt, besteht die institutionelle Verpflichtung, dieses im kommenden Jahr zu senken.

Barniers Vorschläge sind jedoch unpopulär. Le Pen sieht daher politisches Kapital in ihrer Ablehnung. Wir hatten gedacht, dass sie bis zum nächsten Sommer warten würde, bevor sie die Reißleine zieht. Denn innerhalb von zwölf Monaten nach der Abstimmung im Juli dieses Jahres können keine Neuwahlen angesetzt werden. Le Pen ist jedoch eine Populistin. Sie wird nicht den Eindruck erwecken wollen, dass sie eine Regierung stützt, die gegenüber den Wünschen der Wähler taub zu sein scheint. Darüber hinaus dürften die Versuche von Teilen des politischen Establishments, sie von der Ausübung ihres Amtes und der Kandidatur für die Präsidentschaft im Jahr 2027 auszuschließen, Le Pen irritiert und ungeduldig gemacht haben.

Letztendlich würden wir sagen, dass ein Ausschluss Le Pens ihre Popularität lediglich steigern könnte. Die US-Wahlen haben gezeigt, dass ähnliche Versuche bei Donald Trump die Unterstützung für den künftigen US-Präsidenten gestärkt haben.

Die Renditen 10-jähriger französischer Staatsanleihen bewegen sich jetzt auf dem gleichen Niveau wie die von griechischen Papieren. Es ist bemerkenswert, dass eine aktuellere Definition der EU-Peripherie vermutlich auch Italien und Frankreich einschließen würde. Spanien, Irland und Portugal hingegen sind jetzt fest in dem Bereich etabliert, den wir als ‚Semi-Core‘ bezeichnen.

Es fällt schwer, hinsichtlich der Entwicklung in Frankreich allzu optimistisch zu sein. Ausländische Anleger, beispielsweise aus Japan, sind stark in dem Land engagiert. Daher besteht das Risiko, dass französische Staatsanleihen unter weiteren Verkaufsdruck geraten, wenn sich die politische Lage verschlechtert. Wir sind aber nach wie vor der Meinung, dass die Bewegungen der Spreads vorerst begrenzt sein sollten. Le Pen wird in absehbarer Zeit nicht an die Macht kommen.

Allerdings befindet sich Frankreich als Schuldner auf einem strukturellen Abwärtspfad, der sich nicht zu ändern scheint. Die Bevölkerung pflegt ihren Lebensstandard und die französische Lebensart. Sie hat noch nicht begriffen, dass sie dafür aktuell nicht zahlen kann. Letztlich kann nur Stress diese Einschätzung ändern. Vorläufig sehen wir die Zinsaufschläge jedoch auf 100 Basispunkte gegenüber Bundesanleihen beschränkt.

Im kommenden Monat werden sich die Marktteilnehmer wieder auf die Wirtschaftsdaten und die wichtigsten Zentralbanksitzungen konzentrieren. Die Beschäftigtenzahlen und die Inflationsdaten könnten ausschlaggebend dafür sein, ob die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) zum dritten Mal in Folge ihre Geldpolitik lockert. Wir sind der Meinung, dass die Währungshüter entweder im Dezember oder im Januar 2025 eine Zinssenkung um 25 Basispunkte vornehmen und danach mitteilen werden, dass die Geldpolitik für eine gewisse Zeit unverändert bleibt.

In einer Pause nach dem Januar könnten Fed-Chef Jerome Powell und seine Kollegen die Maßnahmen der neuen Regierung und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft bewerten und im Laufe des Jahres die Zinssenkungen wieder aufnehmen – allerdings nur, wenn sich das Wachstum deutlicher verlangsamt oder die Inflation ihren Abwärtstrend wieder aufnimmt. Bleibt die Konjunktur hingegen robust und treten erneut Aufwärtsrisiken für die Inflation auf, dann sehen wir die Fed zu einer Zinserhöhung gezwungen.

Marktkommentar von Mark Dowding, Fixed Income CIO bei RBC BlueBay Asset Management.