Die nächste Stufe
30.04.2018
Olivier de Berranger, CIO bei La Financière de l’Echiquier / Foto: © La Financière de l’Echiquier
Getragen von einer Reihe beruhigender Unternehmensergebnisse, insbesondere seitens der Tech-Riesen Facebook, Microsoft und Amazon, setzten die Aktienmärkte in der vergangenen Woche ihre Ende März begonnene Erholung fort. Es gab jedoch auch gewisse Zweifel, die ausnahmsweise einmal nicht durch einen Tweet von Donald Trump ausgelöst wurden.
Diese Ängste waren durch die langfristigen US-Zinssätze bedingt: Die Zinsen auf 10-jährige US-Anleihen stiegen erstmals seit Anfang 2014 wieder über die Marke von 3 %. Auch wenn die Aufwärtsbewegung etwas holprig verlief, lässt sich die Dynamik nicht von der Hand weisen: Binnen 6 Monaten stieg der Zinssatz für 10-jährige US-Anleihen von 2,05 % auf 3 %. Die vorsichtige Reaktion der Märkte auf die Überschreitung dieser rein symbolischen Schwelle wirft für uns eine Frage auf: Sollte dieser Anstieg der Zinssätze die Anleger beunruhigen?
Wenn er von einem Ansteigen der Realzinsen herrührt, das durch die lebhafte Konjunktur gespeist wird, ist der Anstieg der Nominalzinsen an sich nicht problematisch. Er ist es aber, wenn er durch steigende Inflationserwartungen ausgelöst wird. Dies ist heute der Fall, eine Situation, die durch die Äußerungen der Fed verstärkt wird. Sie bekräftigt ihre Zuversicht hinsichtlich der steigenden Inflation und das Erfordernis einer anhaltenden Normalisierung ihrer Geldpolitik. Aber auch wenn wir von der Beschleunigung der US-Inflation überzeugt sind, dürfte sie nicht ausufern und die Fed wäre demnach nicht zu einer Überreaktion gezwungen.
Entscheidend ist zu wissen, ob die höheren Zinssätze sich negativ auf die US-Wirtschaft auswirken können. Mit 3 % sind 10-jährige US-Anleihen noch weit von ihrem Niveau von 2007 entfernt (damals lagen sie bei 5 %), zudem hat sich die Struktur der US-Wirtschaft verändert. Die Schuldenlast der Privathaushalte ist geringer geworden und die US-Familien sind nicht mehr überschuldet. Auch wenn steigende Zinsen sich durch eine geringere Kreditaufnahme der Privathaushalte belastend auf den Konsum auswirken können, wird der Anstieg der verfügbaren Einkommen infolge der Steuerreform diesen Effekt wettmachen.
Die US-Unternehmen haben sich in den vergangenen Jahren neu verschuldet, doch ihr Verschuldungsniveau bleibt moderat. Die niedrigen Zinssätze des letzten Jahrzehnts trugen dazu bei, den Anstieg des Schuldendienstes zu begrenzen, der heute in etwa auf den Niveaus von Anfang 2012 liegt. Auch hier könnte die Steuerreform ausgleichend wirken. Steuersenkungen und Steueranreize für die Rückführung von Gewinnen haben es Unternehmen erlaubt, ihre Fähigkeit zur Selbstfinanzierung zu verbessern und so den Bedarf an neuen Schulden zu höheren Zinsen zu begrenzen.
Im Hinblick auf die Märkte bestehen jedoch grundsätzliche Risiken. Der Zinsanstieg erhöht implizit die Risikoprämie von Aktien und stärkt überdies den Dollar. Dies ist schlecht für US-Aktien. Inflation und Zinssätze werden also trotz des Aufsehens um Trump, durch das sie zeitweilig in den Hintergrund rückten, das Thema des Jahres bleiben.
Marktkommentar von Olivier de Berranger, Chief Investment Officer, und Enguerrand Artarz, Cross Asset Manager La Financière de L‘Echiquier