Die Kehrseite der lettischen Geldwäschebekämpfung für deutsche Investoren

01.07.2022

Die Rechtsexperten v.l.n.r.: Jelena Kvjatkovska, Daiga Siliņa und Sandis Bertraitis / Foto: © Rode&Partners/ Davidsons un partneri/ FORT Legal

Nach diversen Korruptions- und Geldwäschevorwürfen wurde der Kampf gegen illegale Finanzaktivitäten in Lettland von anderen EU-Staaten durchwegs gelobt. Nirgends wurden in den letzten Jahren mehr Gelder konfisziert und Konten eingefroren als in dem baltischen Staat.

Aber es gibt auch eine Kehrseite der Medaille. Denn das Land wird für die europäischen Investoren immer unberechenbarer aufgrund der extrem strengen Anwendung der nationalen Geldwäschevorschriften und der uneinheitlichen Auslegung der EU-Gesetze. Vor allem die unverhältnismäßige Konzentration auf private Konten bereitet deutschen und europäischen Geldgebern Sorgen.

Behörden schießen über das Ziel hinaus

Lettlands Banken kamen 2018 zu zweifelhaftem, internationalem Ruhm als die ABLV-Bank, als drittgrößte Bank des Landes, quasi das ganze System zu Fall brachte. Die Schwachstellen des Sektors wurden offen dargelegt und es folgte eine Rüge der FinCEN (Financial Crimes Enforcement Network) für Lettland. Zu oft hatten Behörden über mögliche Geldwäscheaktivitäten hinweggesehen. Danach folgte die Kehrtwende und die Regierung in Riga räumte radikal auf. Leider scheinen die Vollstreckungsbehörden jedoch in der Auslegung von EU-Gesetzen weit über das Ziel hinauszuschießen.

Man kann Jahrzehnte der Passivität nicht mit übermäßig aggressiven und formalen Maßnahmen wettmachen. 1,5 Mird. Euro (Quelle) und somit mehr als überall sonst wurden im letzten Jahr wegen Verdacht auf Geldwäsche konfisziert. Im Vergleich dazu fallen die Zahlen in Deutschland eher läppisch aus. Vergleicht man den BIP der beiden Länder und würde Deutschland der strengen FIU (Financial Intelligence Unit) Lettlands folgen, hätte man hierzulande rund 170 Mrd. Euro beschlagnahmen müssen.

Herausforderungen für ausländische Investoren

Nach Angaben der Bank von Lettland ist der ausländische Investitionsfluss – in Prozent des lettischen BIP – seit 2017 leicht zurückgegangen (Quelle). Schuld daran seien unter anderem das feindselige Klima bei den beteiligten Institutionen wie Banken und der Financial Intelligence Unit (FIU). Es ist mittlerweile Usus, dass die Behörden Überweisungen von Privatkonten beobachten und Gelder einfrieren. Über die Gründe des Verdachts erhalten Betroffene allerdings meist keine Auskunft. Das macht es für sie so schwierig, sich zu wehren.

Diese können von der fehlenden Unterschrift einer Partei in einem Vertrag über leicht abweichende Angaben zwischen Erklärungen, die Jahre auseinander liegen, bis hin zu Aufzeichnungen von Telefongesprächen, zu denen der Betroffene keinen Zugang hat, reichen. Zudem ist es für Investoren aktuell notwendig, Dokumente über alle Finanztransaktionen übermäßig lange aufzubewahren. Lettische Banken sind dafür bekannt, dass sie Nachweise über Finanzgeschäfte ihrer Kunden auch zehn Jahre rückwirkend anfordern. Dabei gibt es keine gesetzliche Verpflichtung zur Aufbewahrung dieser Dokumente für solch eine lange Zeit.

Wie das System arbeitet

Die lettischen Banken sind die wichtigste Quelle für die Strafverfolgungsbehörden. Denn diese sind verpflichtet, verdächtiges Verhalten zu melden. Grundlage dafür sind gesetzliche Vorschriften und offizielle Empfehlungen der lettischen Finanz- und Kapitalmarktkommission (FCMC) sowie der FIU. Die Leitlinien sind so allgemein gehalten, dass quasi jeder verdächtige oder unverdächtige Kunde in das Muster fällt. Hat die Bank den potenziellen Verstoß oder die verdächtige Aktivität, die teilweise bis zu 20 Jahre zurückliegt, auf einem Kundenkonto festgestellt, liegt die gesamte Beweislast beim Kontoführer.

Das skurrile dabei: Es reicht allein die subjektive Überzeugung des Ermittlers, dass es sich „wahrscheinlich“ um Gelder illegalen Ursprungs handeln könnte, als Beweis. Die Behörden setzen verdächtige Transaktionen, kriminelle Aktivitäten und Geldwäscheaktivitäten gleich. Die Beweislast wird dabei auf den Einzelnen übertragen, der zum Teil keinerlei Möglichkeiten hat, die genauen Vorwürfe gegen ihn zu überprüfen. Der Beweisstandard sinkt hier auf die Wahrscheinlichkeit.

Ukrainische Konten von politischem Beschlagnahmungssystem betroffen

So geht es auch zahlreichen ukrainischen Staatsbürgern, die aktuell nicht auf ihre finanziellen Mittel zugreifen können, da Konten eingefroren wurden. 2014 forcierte Lettland die Investitionen in seine Banken durch die Instabilität des ukrainischen Finanzsystems aktiv. Etwa 200 Banken, darunter PNB Banka oder die Citadele Banka, eröffneten damals Repräsentanzen in der Ukraine und warben ukrainische Kunden wie Yaroshenko an (Quelle). Im Moment scheint es so zu sein, dass man selbst bei genauester und präziser Dokumentation von Transaktionen, ehrlicher Offenlegung aller Dokumente und Abgabe aller Erklärungen gegenüber dem Ermittler nicht sicher sein kann, sein Eigentum wiederzuerlangen.

Alle Verdachtsmomente führen praktisch nur in eine Richtung – in die Staatskasse. Die beschleunigte Konfiszierung von angeblich illegal erworbenen Vermögenswerten führt praktisch zum Abschluss der Geldwäscheermittlungen und verwandelt damit einen Hauptzweck des Strafrechts, nämlich die Verurteilung der Schuldigen bei gleichzeitigem Schutz der Unschuldigen, in einen politisch motivierten Enteignungsmechanismus. Für 2022 hoffen wir jedoch auf Änderungen des Gesetzgebers, die mehr Möglichkeiten für den Zugang zu Beweismitteln und den Schutz der eigenen Rechte während eines Prozesses bieten.

Ein Gastbeitrag von den Rechtsexperten Sandis Bertraitis, FORT Legal,  Jelena Kvjatkovska, Rode&Partners, und Daiga Siliņa, Davidsons un partneri