Die Grünen sind Honorarberater
22.09.2014
Ein neues Internetportal für Verbraucher, im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz, ist umstritten. Nicht nur die Farbgebung analog einer Ampel wird kritisiert.
Der Wechsel von Gerd Billen vom Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen in die Regierung sollte den Verbraucherschutz stärken. Verbraucherschützern geht die Diffamierung von Vermittlungsunternehmern nicht weit genug. Die größte deutsche Maklergenossenschaft VEMA e.G. weist die Kritik zurück und verweist auf Qualität, Service und Haftung als einziges Vergleichsmerkmal.
Der „Wegweiser Finanzberatung“ ist der neue Internetauftritt im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV). Hier soll Bürgern erklärt werden, was in dem seit 1. August 2014 gültigem Honoraranlageberatungsgesetz steht, für wen es gilt und für wen es nicht gilt.
In Deutschland gibt es einen Flickenteppich an Berufsbezeichnungen für Tätigkeiten die künftig über Versicherungs- und Bankprodukte aufklären sollen. Es gibt die Makler, Versicherungsberater, Versicherungsvertreter mit und ohne Erlaubnis, Finanzanlagevermittler, Honorarfinanzanlageberater, Honoraranlageberater und Honorarberater. In diesem Geflecht aus Courtagen, Honoraren, Provisionen, Brutto- und Netto-Produkten können Verbraucher schnell den Überblick verlieren, insbesondere dann, wenn ein und derselbe Berater unter verschiedenen Angaben über den beruflichen Status tätig ist. Einen Überblick über die wichtigsten Eckpunkte der Berufsbilder soll der Informations-Kasten im „Wegweiser Finanzberatung“ liefern.
Der „Wegweiser“ soll anschauliche Einblicke in die verschiedenen Berufsbilder der Makler, Berater, Vermittler und Bankangestellte geben. Ziel war es einfach und verständlich aufzuzeigen, wo Verbraucher ihre verschiedenen Finanzprodukte am besten abschließen und welche Vor- und Nachteile die jeweilige Beratungsform oder der Berufsstatus mit sich bringt.
In vier Kategorien werden auf dem neuen Internetportal die jeweiligen Status-Typen kurz vorgestellt: Honorarberater, Versicherungsmakler, Versicherungsvertreter und Bankangestellte. Wer sich die Profile vergleichen lässt, kommt ziemlich schnell zu dem Schluss: Honorarberater sind pauschal die allerbeste Wahl.
Die Grünen sind Honorarberater
Denn nur die Honorarberater seien persönlich unabhängig, finanziell unabhängig, beraten die volle Produktpalette und sind einigermaßen qualifiziert – lediglich ihre Verfügbarkeit und Erreichbarkeit lasse derzeit noch zu wünschen übrig. Das ist zumindest der Kern dessen, was die Ratgeber-Plattform verspricht. Damit schlägt sich die „neutrale“ Information im Auftrag der Bundesregierung eindeutig auf die Seite der Honorarberater.
Die Botschaft wird weiter unterstrichen mit der Farbgebung: ein vertrauenerweckendes Grün für Honorarberater und ein warnendes Rot für Versicherungsvertreter.
Die Vergütung ist kein Vergleichsmerkmal
Was verdienen eigentlich Versicherungsvermittler? Makler und Vertreter verdienen beim Abschluss der jetzt im Herbst durch möglichen Wechsel der Versicherer wichtige Kraftfahrt-Versicherung beispielsweise gerade einmal drei bis zehn Prozent des Gesamtbeitrags. Bei einer jährlichen Versicherungssumme von 400 Euro abzüglich 19 Prozent Versicherungssteuer wären das rund 40 Euro Lohn für den Vermittler. Der übliche Stundenlohn eines Honorarberaters beträgt 150 Euro in der Stunde, die Verbraucherzentralen selbst verlangen gleichfalls fast 100 Euro für die gleiche Beratung in ihren Geschäftsstellen, zudem bekommen sie eine stattliche Unterstützung aus Steuergeldern.
Ähnlich ist es bei kleineren Sachversicherungen wie Rechtsschutz-, Hausrat- oder privaten Haftpflichtversicherungen. Makler und Versicherungsvertretererhalten hier für einen hohen Arbeitsaufwand eine eher geringe Courtage oder Provision. Bei einer Versicherungsprämie im Jahr von unter 1.000 Euro ist es für Versicherungsvermittler kaum wirtschaftlich die Formulare auszufüllen, die Dokumentation zu erstellen, für die Vermittlung zu haften und für den Kunden zukünftigen Schadensservice und Betreuung zu gewährleisten.
Kerngeschäft der Makler sind Betriebe und Vermögende
"Zielgruppe der Versicherungsmakler sind größere Betriebe, die einzelne Versicherungsmakler mit Komplettpaketen für ihre Belegschaft und ihr Unternehmen beauftragen", erläutert Andreas Brunner, Vertriebsvorstand der größten deutschen Maklergenossenschaft VEMA: "Einzelne Kraftfahrt-Versicherungen oder eine kleine Hausrat- oder Haftpflichtversicherung rechnen sich im Vergleich zum Aufwand nicht."
Bei einer höheren Jahresprämie und einem anspruchsvollen Versicherungswert ist dies anders. Wer eine Lebens- oder private Krankenversicherung abschließen möchte, trifft eine zumeist lebenslange Entscheidung, da spätere Wechsel in diesen Sparten kaum rentabel sind. Da behalten die Versicherer zwischen fünf und neun Monatsbeiträgen für eine private Krankenversicherung ein, und in der Lebensversicherung künftig vier Prozent, um die Beratung, Vermittlung und fortlaufende Betreuung an die Vermittlungsunternehmer zu vergüten.
Honorarberater und Verbraucherschützer beraten, aber liefern nicht
Bei der uneingeschränkten Honorarberater-Empfehlungen nicht bedacht: Die Honorarberater können zwar theoretisch alle Produkte empfehlen, aber nicht verkaufen und dafür haften. Praktisch gibt es noch keine Vielzahl von Policen, die nicht ohne einkalkulierte Provision erhältlich sind. Eigentlich müssten die Honoraranlageberater dann die Provisionen an ihre Kunden weiterleiten, tatsächlich kommen diese Produkte aber nicht ins Beratungs-Portfolio.
Verbraucherschützer empfehlen dagegen pauschal Honorarberater, weil sie das gleiche Geschäft selbst über ihre Mitarbeiter in den Geschäftsstellen der Verbraucherzentralen betreiben. Diese müssen keine Sachkunde nachweisen, dürfen aber über lebenslang begleitende Altersvorsorge bis zu privaten Krankenzusatzversicherungen beraten.
Dorothea Mohn von der Bundesverbraucherzentrale antwortet auf die Frage, bei welchem Berater welche Versicherung am besten abgeschlossen werden sollte, ganz schlicht gegenüber der „Welt“: "Ein Honorarberater lohnt sich immer, denn hier besteht kein Eigeninteresse daran, ein bestimmtes Produkt zu verkaufen." Ein Versicherungsvermittler, sei nach Aussage der Verbraucherschützerin niemals die bessere Wahl.
Versicherungsmakler Brunner und die VEMA eG kritisieren die Vorstellungen in der Politik und beim Verbraucherschutz: „Das ist die pauschale Diffamierung eines traditionellen und ehrbaren Berufsstandes der Makler, auch die Kritik an den Versicherungsvertretern ist so nicht berechtigt. Dahinter steht ein Eigeninteresse der Verbraucherzentralen, welche als Geschäftsmodell die Beratung ohne öffentlich-rechtlichen Sachkundenachweis, Vermittlung und Haftung betreiben. Die Honorarberater als Mitbewerber fürchten Makler nicht, da Qualität nicht über die Vergütung entschieden werde, sondern über die Nachhaltigkeit, Service und Haftung. Im Übrigen könnten Firmenkunden auf Wunsch schon lange auch Makler gegen Honorar beauftragen.“
Verbraucherschützerin Mohn glaubt dagegen nicht an das Geschäft und die Betreuung mit in Versicherungsprämien eingerechneten und über die Vertragslaufzeit bis zu fünf Jahren verteilten Provisionen und Courtagen, die Grundlage für Versicherungsmakler darstellt. Sie prophezeit dem Modell eine kurze Haltbarkeitsdauer und verweist zugleich auf das europäische Umland, wie die Niederlande und England, also Ländern, in denen Provisionen schon jetzt, nach ihrer Meinung, bereits der Geschichte angehören würden.
Maklerkunden werden beneidet werden
In Großbritannien haben sich die Versicherungsmakler durchgesetzt, England prüft sogar die Provisionen zukünftig wieder einzuführen, nachdem das ausschließliche Honorarmodell dort gescheitert ist, darauf verweist Brunner stolz. In Deutschland sind Makler die Einzigen, die innerhalb ihrer Mandate nur vom Kunden abhängig sind, diesen fortlaufend beraten, die geeigneten Versicherungslösungen einkaufen und dafür haften.
„Mehr Schutz für Versicherungsnehmer geht nicht“, so Brunner. „Diffamierungskampagnen greifen bei unserem Berufstand mit seiner einzigartigen historischen Tradition nicht. Die Kunden unserer Makler bestätigen ihre Zufriedenheit in vielen Qualitätsumfragen. Sie sind gut versorgt und oft ein Leben lang vom Makler ihres Vertrauens bestens betreut“, erläutert Brunner die Position seines Berufsverbandes der 1.850 Unternehmen mit 15.000 Mitarbeitern repräsentiert.
Dietmar Braun