Die Fonds für alle Fälle
11.10.2015
Unter dem Schlagwort „Multi Asset“ sind Mischfonds zu den Stars der Märkte oder zumindest doch der Marketing-Spezialisten der Investmenthäuser geworden.
Dahinter steht eine grundsätzlich plausible Idee: Je umfassender die in einem Investmentfonds berücksichtigten Assetklassen abgesteckt sind, desto stärker macht sich die Risikovernichtung durch Diversifikation (Mischung) bemerkbar, so dass damit die Chance in Reichweite kommt, eine gegebene Zielrendite bei minimalen Risiken zu erzielen.
Bei Multi Assets können die Finanz-Alchemisten Rezepte entwickeln, die aus vielen riskanten Einzelteilen wie Aktien, Anleihen, Währungen, Derivaten und nach Geschmack auch ein paar Immobilien quasi festverzinsliche Papiere „zusammengebacken“ werden können. Dieses Versprechen der Muli Asset Fonds trifft den Nerv der deutschen Anleger, die in den letzten Jahren auch tüchtig zugegriffen haben:
Die Absatzstatistik des Branchenverbandes BVI
(Zahlen per 31.07.) liefert ein eindrucksvolles
Bild des Vertriebserfolgs der Mischfonds.
In den letzten drei Jahren zog diese Fondsklasse jeweils über die Hälfte aller Nettozuflüsse der Publikumsfonds auf sich. Damit erhöhte sich ihr Gewicht im Gesamtportfolio der am deutschen Markt vertretenen Investmentgesellschaften deutlich fühlbar von 17,2 % (2012) auf 27,9 % im laufenden Jahr. Die Mischfonds lösten die Rentenfonds als zweitgrößte Fondsklasse (jeweils nach den Aktienfonds) ab. Kein Zweifel: Mischfonds waren der Renner der letzten Jahre, weil sie am überzeugendsten auf die Ängste, Wünsche und Bedürfnisse der privaten Anleger antworten konnten. Und diese Ansprüche hatten es in sich, denn die stark auf Sicherheit und Festzinsprodukte orientierten deutschen Anleger mussten mit einer Welt voller Krisen und Unruhen zurechtkommen, die aber kaum nennenswerte Zinserträge zu bieten hatte. Die Leitzinsen in den USA und der Schweiz stehen seit Ende 2008 bei null, die EZB hielt den Euro-Zins bis 2012 bei 1 % (zeitweilig „sogar“ 1,5 %) und war dann doch gezwungen, zur null zu folgen. Japans Leitzins kennt schon seit mehr als einem Jahrzehnt nur noch die null vor dem Komma. Entsprechend dünn wurden die Renditen von Rentenpapieren und anderen Festzinsprodukten.
In dieser Konstellation war die Verführung durch das
Versprechen der Multi Asset Fonds unwiderstehlich.
So wirbt etwa das britische Haus Schroders: „… hohe Renditen bei möglichst geringem Risiko? Das geht am besten mit einer flexiblen und breiten Streuung der Anlagen.“ Das Wie ist schnell geklärt: „Echte Vermögensverwaltung. Investition in mehr als 10 verschiedene Anlageklassen. Diese stehen nicht statisch fest – das Fondsmanagement passt sie aktiv an die jeweilige Marktsituation an“. Ergebnis soll dann sein die „Chance auf Renditen, die mit den weltweiten Aktienmärkten vergleichbar sind. Dabei können die Wertschwankungen deutlich geringer sein als bei einem reinen Aktienportfolio.“ Und als besonderes Bonbon: „Eine ausschüttende Anteilsklasse mit 3 % pro Jahr. Das bedeutet die Chance auf regelmäßige Einkommensströme“. Wohlgemerkt: 3 % Rendite gab es bei den 10 Jahre laufenden Bundesanleihen zuletzt Mitte 2011, seit Mitte 2012 liegen wir dauerhaft ziemlich konstant unter 1,5 %, derzeit klar unter 1 %. Da ist schon die Aussicht auf eine laufende Ausschüttung von 3 % ziemlich stark, zumal wenn auch noch niedrige Risiken in Aussicht gestellt werden. Und (nicht nur) bei Schroders finden sich Angebote wie der Global Multi-Asset Income A Euro Hedged (LU0757360960), für die eine laufende Ausschüttung von 5 % in Aussicht gestellt wird – wohlgemerkt: Während Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit kaum 1 % erreichen. Hier wird ein Schlagwort des Marktes unterstrichen: Die Ausschüttung der Fonds soll sich an den langfristigen Aktienrenditen orientieren, das Risiko eher den Rentenfonds entsprechen. Mit diesem Image als Rückhalt wurden die Flaggschiffe dieser Fonds-Kategorie wie Carmignac Patrimoine, BBF Global Allocation, JPM Global Income, Ethna Aktiv oder der Allianz Income and Growth zu echten Schwergewichten mit jeweils über 10 Mrd. Euro Volumen. Indes sind die Vorgaben der Werbung das eine und die erzielten Ergebnisse das andere.
Die Ergebnisse der Fonds nahm Morningstar jüngst
unter die Lupe – mit beachtlichen Ergebnissen.
Die Analysten untersuchten die 20 größten Multi Asset Fonds am deutschen Markt, was allerdings keine ganz einfache Unternehmung ist. Die Fonds sind aufgrund der Unterschiede ihrer Vorgaben wie etwa die Mindest- und Höchstquoten für die einzelnen Assetklassen nicht immer direkt vergleichbar. Zudem konzentriert sich die Analyse sechs Monate von März bis August des laufenden Jahres, die eine besonders hohe Volatilität der Märkte brachten. Das Auf und Ab ist ein echter Härtetest für die Kunst der Fondsmanager und die Tauglichkeit der definierten und eingesetzten Strategien. Allerdings decken die Zahlen von Morningstar auf, dass das Management bei dieser Fondsklasse tatsächlich ganz wesentlich über Wohl und Wehe entscheidet: Interessanterweise haben so genannte aggressive Fonds mit höherer Risikotoleranz und entsprechend höheren Aktienquoten nicht schlechter abgeschlossen als die stärker sicherheitsorientierten. Im Vergleich zur reinen Aktienanlage (gemessen am MSCI Weltindex) mit dem Ergebnis von rund -8,8 % liefern die Fonds das versprochene Ergebnis höherer Stabilität. vor allem die Klasse EUR defensiv mit nur -3 %. Allerdings scheitern auch alle in diesem Zeitraum an der Vorgabe, jederzeit unabhängig von den Markttrends positive Ergebnisse zu erzielen: Die rechnerisch günstigsten Ergebnisse lieferten die Multistrategy Fonds DWS Concept Kaldemorgen (LU0599946893) mit -1,57 % und SLI Global Absolute Return (LU0621234433) mit -1,58 %. Am unteren Ende des Perfomance-Rankings steht ein echter Vertriebshit mit dem Carmignac Patrimoine (FR0010135103) mit einem krachenden Verlust und einer Sechs-Monats-Performance von -8,31 %. Die detaillierten Daten deuten der Morningstar-Analyse zufolge daraufhin, dass das Carmignac-Management offenbar von den Unruhen zunächst mit einer hohen, verlustträchtigen Aktienquote überrascht wurde und dann durch den hektischen Abbau dieser Positionen dann die Erholungen verpasste. Kurz: Der Versuch, ein fallendes Messer aufzufangen, führte zum erwartbaren Desaster. Indes sollte man sich auch vor Augen führen, dass genau dieser Fonds aufgrund hervorragender Ergebnisse in früheren Jahren zum absoluten Star des Anlagemarktes und nach wie vor größten Fonds dieses Segmentes ist. Der wohl entscheidende Erfolg des Carmignac-Managements bestand darin, früher als andere das Potenzial der Emerging Markets erkannt zu haben und eingerahmt in ein beachtliches Risikomanagement konsequent für die Anleger zu nutzen.
Erfolg und Misserfolg haben eine Gemeinsamkeit:
Grundlage ist jeweils eine strategische Entscheidung, die Gewichtung
der unterschiedlichen Märkte in Zusammenhang setzen.
Die strategische Grundentscheidung, welche Märkte in welcher Gewichtung in die Portfolios kommen („Asset Allocation“) ist der Teil des Investmentprozesses, der auf längere Sicht den größten Einfluss auf den Erfolg hat, nicht die Auswahl irgendwelcher einzelner Titel. Viele Studien bestätigen das intuitiv nachvollziehbare Ergebnis, dass am Ende derjenige gut abschneidet, der regelmäßig den Durchschnitt der „richtigen“ Märkte kassieren kann. Wer dagegen ein Portfolio mit allen „besten“ Einzeltiteln hat, hat aus den schwächeren Märkten auch (allzu?) viele Verlierer im Depot. Kurz: Es kommt auf die Märkte an, nicht so sehr auf die einzelnen Titel.
Den persönlichen Fonds-Strauß binden.
Normalerweise werden die Entscheidungen über die Märkte und ihre Gewichtung individuell getroffen, die Sparanleger beschließen mehr oder weniger gut betreut und aufgeklärt durch ihre Berater, mit welchen Gewichten die einzelnen Assetklassen berücksichtigt werden. Sie binden ihren persönlichen Strauß an mehr oder weniger global anlegenden Fonds zusammen, eventuell ergänzt durch einige Spezialitäten wie Länder- oder Branchenfonds, mit denen auf bestimmte Trends abgestellt wird. Diese Entscheidungen werden im Konzept „Multi Asset“ zum großen Teil an das Fondsmanagement übertragen, das damit allerdings auch deutlich mehr Verantwortung übernimmt als in gewöhnlichen Investmentfonds. Letztere müssen eben erreichen, was ihr Markt erreicht, gemessen an einer bekannten Benchmark wie einem repräsentativen Index. Wenn dieser 20 % Verlust ausweist, hat der Fondsmanager sein Gehalt bereits verdient, und bei Verlusten von weniger als 20 % werden zuweilen sogar „Gewinnbeteiligungen“ fällig. Das ist bei einem Multi Asset Instrument dagegen nicht hinnehmbar, denn hier gilt noch, was Schroders ins PR-Material für die Multi Asset Fonds des Hauses schreiben: „Das Management eines Multi Asset Fonds gleicht einer richtigen Vermögensverwaltung und geht über das rein technische Fondsmanagement hinaus.“ Hier wird umfassendes Urteilsvermögen verlangt.
Das Fondsmanagement.
Die zentralen strategischen Entscheidungen bei der Führung eines Multi Asset Fonds liegen auf einer Ebene, die sich in aller Regel den Modellen der Ökonomen entziehen, wie ein Blick auf das aktuelle Umfeld zeigt: Ob und wie die US-Währungshüter demnächst (und später der Eurozone) die Normalisierung der Zinsen bewerkstelligen, ist ein Punkt, den jede Anlagestrategie berücksichtigen muss. Ebenso wichtig die Frage, ob und in welchem Maß etwa Narendra Modi in Indien und Joko Widodo (Indonesien) ihre Reformversprechen durchsetzen werden und damit einer ganzen Region neue Wachstumsimpulse verschaffen. Schafft China die Liberalisierung des Finanzsektors ohne Crash? Wie geht es in Südamerika weiter? Das Management eines global anlegenden Mischfonds hat viele Chancen, die gleichzeitig Gelegenheiten zu schweren Fehlern sind. Letztlich geht es hier eher um Kunst (also Erfahrung und Intuition) als um Wissenschaft und Finanztechnik. Es ist es aus unserer Sicht auch kein Zufall, dass der von Altmeister Klaus Kaldemorgen geführte DWS-Fonds im Vergleich von Morningstar zu den Besten zählt.
Das Risikomanagement.
Die meisten Investmenthäuser versuchen durch ein umfangreiches Risikomanagement größere Fehler zu verhindern. So sind etwa bei Standard Life Investments gleich vier unabhängige Teams parallel am Risikomanagement der Multi Asset Produkte beteiligt, die jeweils unterschiedliche Risiko-Dimensionen von der Bonität der Gegenparteien bis zur Einhaltung der Anlagegrenzen überprüfen. Die am Ende wirklich wichtigen Fragen bekommt man damit aber kaum in den Griff, denn niemand kann vorhersagen, wie sich die US-Währungshüter im Umfeld des anlaufenden Wahlkampfs verhalten werden. Genau das dürfte aber für die Entscheidung zwischen Aktien und Festzinsanlagen wichtiger sein als eine um ein paar Prozentpunkte gestiegene Volatilität der Märkte oder eine um ein paar Zehntel höher oder niedriger ausgefallene Wachstumsrate.
Unterm Strich bleibt: Multi Asset Strategien können durchaus etwas leisten durch die Diversifikation über mehrere Assetklassen hinweg und das dabei aktivere Management. Allerdings liefert aktiveres Management auch mehr Chancen auf verlustträchtige Fehler. Zudem können die Fonds, jedenfalls derzeit, jederzeit und unabhängig von den Markttrends das selbstgesteckte Ziel und positive Erträge erzielen. Das bleibt auch den stark an „Rennlisten“ orientierten Anlegern nicht verborgen. Letztlich reflektiert der aktuelle Absatzerfolg dieser Fondsklasse zuallererst die Phase extrem niedriger Zinsen in den westlichen Industriestaaten. Mit der Normalisierung der Zinslandschaft werden wieder andere Fonds in den Fokus rücken, schon allein deshalb, weil viele Anleger auf den überschaubarer wirkenden Rentenmarkt und zu den Rentenfonds zurückkehren werden. (mk)