Die Bäume wachsen nicht in den Himmel

01.02.2015

Foto: © Chlorophylle - Fotolia.com

Wo geht in diesem Jahr die Post ab? Amerika führt, Europa stagniert und über China scheiden sich die Geister. So sieht der Ausblick für das neue Jahr aus. Aktien bleiben unverzichtbar, werden aber schwankungsanfälliger sein.

Auch wenn die Renditen der 10-jährigen Bonds leicht ansteigen sollten, bleiben sie insgesamt niedrig und die Suche nach Rendite im Bondsegment schwierig, da wenige Chancen vor der Haustür.

Analysten sind sich bei ihren Jahresausblicken darüber einig, dass das Wachstum der Weltwirtschaft etwas an Dynamik gewinnen wird. Von einem breiten globalen Aufschwung kann jedoch nicht gesprochen werden. Für das Jahr 2015 sehen beispielsweise die Deutsche Bank-Experten das Weltwirtschaftswachstum bei 3,6 %. Differenzierung ist das Gebot der Stunden. So wird von einem Anstieg des realen US-BIP um 3 % für 2015 ausgegangen. Viel verhaltener sind dagegen die Aussichten für die Entwicklung im Euroraum. Hier wird das Wirtschaftswachstum weiterhin von Frankreich und Italien gebremst, so dass die Eurozone um nur rund 1 % zulegt – und das trotz einer Ausweitung der expansiven Geldpolitik durch die EZB. Die Notenbanken bestimmen sowieso das Geschehen und haben wieder das Ruder an den Kapitalmärkten übernommen. Das sorgt für die Kursphantasie, die nicht immer mit den Fundamentaldaten einhergeht. Auch hierzulande muss man sich mit einem sehr bescheidenen Anstieg des BIP begnügen, zumal neben den geopolitischen Krisen auch die Auswirkungen des Rentenpakets im Jahresverlauf das Wirtschaftswachstum drücken dürften. Geldpolitisch sollte dieses Jahr spannend bleiben. Während US-Notenbank und Bank of England bereits im Jahresverlauf ihre Leitzinsen anheben dürften, könnten in Japan und der Eurozone die unkonventionellen Maßnahmen der Geldpolitik ausgeweitet werden.

finanzwelt ging mit Experten auf eine „Weltreise" auf der Suche nach den attraktivsten Märkten in diesem Jahr.

  • Uwe Eilers, Vorstand Geneon Vermögensmanagement AG
  • Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH
  • Carsten Roemheld, Director Fund Selection Fidelity Worldwide Investment

finanzwelt: Die Volatilität im DAX nimmt auch zu Beginn des neuen Jahres kein Ende. Die Aussagen der EZB zur Geldpolitik und die Regierungslage in Griechenland verunsichern viele Marktteilnehmer. Zu Recht?

Eilers: Vor allem der anhaltende Verfall der Ölpreise drückte zuletzt auf die Stimmung und schürt manche Sorgen, dass sich damit eine schwache Nachfrage verbirgt, die als Zeichen einer lahmenden Konjunktur gewertet werden kann. Die fortgesetzte Schwäche des Ölpreises, positiv für die Ölimportstaaten und negativ für Infrastrukturanbieter und die Ölindustrie, ist dabei nach meiner Ansicht gänzlich einem Überangebot geschuldet, das natürlich für niedrigere Preise sorgt. Diesbezüglich besteht kein Grund zur Panik. Daneben ist das anhaltende Niedrigzinsniveau marktdeterminierend.

Juds: Die Volatilität am deutschen Aktienmarkt ist vergleichsweise hoch, das bedeutet, Ausschläge in beide Richtungen werden uns auch weiter begleiten. Die Verunsicherung ist zwar verständlich, aber wir sollten uns vor Augen führen, dass die Rahmendaten, speziell für das zweite Halbjahr, durchaus positiv stimmen. Zum einen der bereits erwähnte schwache Ölpreis, der stimulierend wirken könnte, und zum anderen der gewollte Absturz des Euros. Beide Ereignisse dürften uns zumindest hierzulande weniger Sorgenfalten bereiten. Auch die jüngst gesehene massive Aufwertung des Schweizer Franken nutzt der deutschen Wirtschaft, die stark exportgetrieben ist.

finanzwelt: Im vergangenen Jahr hatte sich die Lage in Euroland eigentlich beruhigt. Das Wort Schuldenkrise tauchte kaum mehr auf. Doch das hat sich nun mit Griechenland geändert. Haben wir eine Neuauflage der Eurokrise?

Roemheld: Mit der gescheiterten Präsidentenwahl in Griechenland hat sich die Situation plötzlich geändert, aber in diesem Kontext von einer Neuauflage der Eurokrise zu sprechen, erscheint mir derzeit nicht ganz zutreffend. Wir haben es in Europa mit einer Kräfteverschiebung zu tun, das bedeutet, der Druck insbesondere auf die Kernländer Italien und Frankreich, die beiden großen Sorgenkinder in Europa, nimmt zu. Daneben steht das Versprechen des EZB-Präsidenten Draghi, alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten. Bislang hat sein Wort gereicht. Nach den Ereignissen in Griechenland wird die EZB wohl ihre Pläne beschleunigen, das geldpolitische Instrumentarium um den Kauf von Staatsanleihen zu erweitern. Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs hat dieses Kaufprogramm erlaubt. Das dürfte folglich die Märkte weiterhin unterstützen und ihnen Rückenwind verleihen.

Eilers: Wir hatten nie eine Eurokrise. Das Geld war und ist schon im Überfluss vorhanden, es steckt nur im Bankensektor fest und landet nicht in der realen Wirtschaft. Ein Quantitative Easing wie in den USA wird daran nichts ändern und der nachhaltige Nutzen von Staatsanleihenkäufen muss bezweifelt werden. Kaum jemand nimmt noch Kredite auf, obwohl die Zinsen nahe null liegen. Dies ist das Hauptproblem.

finanzwelt: Beginnen wir die Weltreise im Westen. Die USA haben es zuletzt geschafft, ihre Produktion wieder über das Vorkrisenniveau von 2008 zu heben. Im Herbst wuchs die größte Volkswirtschaft der Welt mit einer Jahresrate von 5 %. Wird die relativ hohe Dynamik anhalten?

Roemheld: Die USA gehören sicherlich zu den Triebfedern des globalen Wachstums. Einer der Treiber hinter der positiven Entwicklung dürfte der bereits mehrfach erwähnte stark gesunkene Ölpreis sein. Die niedrigen Energiepreise wirken geradezu wie eine Kombination aus Konjunkturprogramm und Steuersenkung: Sie machen die Produktion für viele Unternehmen günstiger und den Verbrauchern bleibt mehr Geld für andere Ausgaben. Man kann sagen, dass sich die USA ihre Führungsrolle in der Weltwirtschaft zurückerobert haben. Und das nicht nur aufgrund der genannten zyklischen Gründe. Investoren richten den Blick auch wieder auf die besonderen strukturellen Vorzüge der amerikanischen Wirtschaft wie Innovationskraft und ein ausgeprägtes Unternehmertum, die es erlauben, flexibel zu agieren, um gelegentliche Krisen zur überstehen. US-Aktien bleiben daher nach wie vor interessante Investments. Zumal auch der Dollar gegenüber dem Euro weiter zulegen dürfte.

finanzwelt: Wird die deutsche Binnennachfrage 2015 die Wirtschaft weiter antreiben und was bedeutet das für den Aktienmarkt?

Eilers: Ich bin und bleibe optimistisch bezüglich der Chancen auf dem deutschen Aktienmarkt. Ein Anstiegspotenzial von 15 bis 20 % scheint mir durchaus realistisch, insbesondere vor dem Hintergrund, dass wir einen immensen Anlagebedarf haben. Die Bundesbürger stecken ihr Geld vor allem in sichere Bankeinlagen, die allerdings kaum Zinsen bringen. Zudem gibt es wenige Alternativen zur Aktie. Der Boom auf dem deutschen Immobilienmarkt hat sich zwar fortgesetzt, aber hier ist, im Gegensatz zum Bewertungsniveau von Aktien, wenig Luft nach oben. Auf den Anleihenmärkten wird aktuell das Risiko nicht einmal mehr abgedeckt.

Juds: Das Börsenjahr 2014 war für die deutschen Bluechips regelrecht ein Nullsummenspiel. Das durfte aber nicht weiter erstaunen, da wir in 2012 und 2013 massive Kursanstiege gesehen haben. Mit effizientem Stock Picking lässt sich in jeder Phase Geld verdienen, und das sollten wir auch in diesem Jahr beherzigen. Der Aktienmarkt wird generell auch in 2015 von der Politik der Zentralbanken getrieben. Die Zuführung von Liquidität und der schwächere Euro sollten den Unternehmensgewinnen helfen. Zwischen zeitliches Rückschlagspotenzial se he ich insbesondere von zunehmenden geopolitischen Risiken und den Auswirkungen auf Teile der deutschen Wirtschaft. Zudem dürfte die Schwankungsbreite (Volatilität) zunehmen, was neue Einstiegschancen eröffnet. finanzwelt: Wandern wir auf dem Globus nach Osten. Die chinesische Wirtschaft kämpft mit schwächstem Wachstum und auch die Kreditvergabe im sogenannten Schattenbankensektor belastet. Muss der Drache trotzdem ins Depot?

Eilers: Ja. China war eine der positiven Überraschungen in der Weltwirtschaft im vergangenen Jahr. Auch für 2015 wird ein Wachstum von rund 7 % erwartet, dank der erfolgreichen Stärkung der Binnenkonjunktur. Das reicht offensichtlich aus, um weiter jedes Jahr Millionen von Jobs zu schaffen. Die Arbeitslosenquote liegt mit fallender Tendenz bei 4 %. Der niedrige Ölpreis könnte sich als Konjunkturturbo erweisen und der Renminbi wird sich langfristig als eine der Weltwährungen etablieren. Neben China bleiben wir positiv auch für den indischen Markt und Teile Südamerikas. Afrika sehen wir kritisch.

Roemheld: Ich teile diese positive Einschätzung und möchte insbesondere auf Renminbi-Anleihen als chancenreiche Alternative im Fixed Income-Segment hinweisen. Die chinesische Währung trifft zunehmend auf mehr Akzeptanz und ausländische Investoren finden inzwischen einen guten Zugang zu dieser Assetklasse. Offshore-Renminbi-Anleihen, als festverzinsliche Wertpapiere, die außerhalb des chinesischen Festlandes in der chinesischen Währung begeben werden, bieten attraktive Renditen, zumal in diesem Segment Emittenten mit Investment-Grade-Rating dominieren.

Juds: Das sehe ich anders. Chinas Staatsverschuldung nimmt mittlerweile fast schon alarmierende Ausmaße an. Die Regierung greift bereits ein, um die Wirtschaft zu stabilisieren und insbesondere den Immobiliensektor aufzufangen. Eine Abschwächung der chinesischen Wirtschaft hätte zwangsläufig auch erhebliche Folgen für die Weltwirtschaft. Chinesische Anleihen bieten derzeit eine zu geringe Verzinsung, um etwaige Risiken auszugleichen.

finanzwelt: Bleiben Schwellenländer generell spannend?

Juds: Investoren bleibt oft auf der Suche nach Rendite einfach nichts anderes übrig, als einen Teil ihres Vermögens in Titel der aufstrebenden Märkte zu stecken. Auch in diesem Jahr wird es aufstrebende Märkte geben, die Potenzial nach oben haben und deren Aktien und Anleihen attraktive Renditen abwerfen dürften. Differenzierung wird insbesondere bei Emerging Market Bonds zunehmend wichtiger, zumal vor allem Staaten mit hohen Leistungsbilanzdefiziten bei einem Zinsanstieg in den USA Probleme bekommen dürften.

finanzwelt: Diversifikation ist ein gutes Stichwort. Zum Abschluss: Was sollten Berater ihren Kunden raten, wie sie 2015 ihr Geld anlegen?

Roemheld: Zu einem ausgewogenen Depot gehören sowohl Aktien als auch Anleihen. Investoren mit einer etwas höheren Risikoschwelle sind mit Aktien aufgrund des Risiko-Return-Profils und der im Vergleich zu Rentenpapieren noch günstigen Bewertung längerfristig gut positioniert. Dividendenorientierte Strategien sind neben ausgewählten Qualitätsaktien zu präferieren. Auf regionaler Ebene sehe ich vor allem die USA und Japan als interessant an. Aber auch Europa ist in diesem Jahr für eine positive Überraschung gut. Darüber hinaus sollten Schwankungen am Markt, beispielsweise aufgrund politischer Ereignisse, langfristig orientierten Anlegern immer wieder gute Einstiegsmöglichkeiten bieten.

Fazit

Die angekündigte Geldschwemme der Europäischen Zentralbank wird die Aktienmärkte weiter beflügeln. Das Kreditgeschäft in der Eurozone erholt sich und wird auch das Wirtschaftswachstum voranbringen. Erst jüngst hat die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose erhöht. Das Bruttoinlandsprodukt soll in diesem Jahr um rund

1,5 % zulegen. Europäische Titel, im Speziellen deutsche Aktien, sollten nach wie vor ein Basisinvestment im Portfolio sein. Daneben bleiben selektiv US-Aktien, trotz des Anstiegs in der Vergangenheit, durchaus attraktiv. Spannend bleiben auf jeden Fall auch die wirtschaftspolitischen Entwicklungen im Osten, besonders in China und Japan. (ah)

Expertengespräch Kapitalmärkte - Printausgabe 01/2015