Die 7 Todsünden im Falle Griechenlands
22.06.2015
Karsten Junius
Seit Monaten gibt es kaum eine Woche, in der nicht ein Krisengipfel zu Griechenland stattfindet und die Finanzmärkte darauf warten, welche Richtung Griechenland nun einschlägt:
Meist hat es nach einem Kompromiss dann doch auch wieder schnell Dissonanzen gegeben und auch diese Woche ist nicht klar, ob eine tragfähige Lösung gefunden werden kann. Klar ist aber, dass es so nicht weitergehen kann. Die internationale Gemeinschaft kann sich nicht permanent nur mit Griechenland beschäftigen. Und so stellt sich die Frage, was alles falsch gelaufen ist und welche Schlüsse gezogen werden sollten. Fehleinschätzungen gab es eine Reihe. Sie lassen sich grob als 7 Todsünden kurzfassen: (1) Naivität – Griechenland hätte nie der Währungsunion beitreten dürfen; (2) Blindheit – über Jahre wurde versäumt, die von Griechenland übermittelten Daten kritisch zu überprüfen und makroökonomisch Anpassungen durchzusetzen; (3) Insolvenzverschleppung – Griechenland wurde 2010 ein Liquiditätsproblem attestiert. Stattdessen war der Staat schon damals pleite und hätte keine neuen Kredite bekommen dürfen. (4) Selbstüberschätzung – die Troika ging davon aus, dass sie Griechenland leicht reformieren könnte sobald sie mittels eines Anpassungsprogramms vor Ort sind. Schliesslich gäbe es ja genug „low hanging fruits" – leichte Reformen, die die Lage dort verbesserten. (5) Regelbruch – im Falle Griechenlands wurden vom Maastricht-Vertrag, dem Stabilitäts- und Wachstumspaktes und allen weiteren haushaltspolitischen Regeln wichtige internationale Abmachungen und Deadlines immer wieder verletzt. (6) Falsche Kommunikation – über Jahre wurde so getan, dass allein der politische Wille für eine funktionierende Währungsunion ausreiche und dass sich die ökonomische Konvergenz schon einstellen würde, ohne dass die Notwendigkeit von ökonomischen Anpassungsprozessen und ihre Gestaltung aktiv diskutiert werden müsste. Wie eine Währungsunion im Krisenfall funktioniert, war in den meisten Ländern daher unbekannt. (7) Faule Kompromisse – die Formel, auf die sich die Anpassungsprogramme stützen, basiert auf dem Prinzip „Geld gegen Reformen" nach der Logik, keine Leistung ohne Gegenleistung. Dies macht Reformen innenpolitisch aber noch schwieriger, da sie als Konzession gegenüber den Geldgebern angesehen werden und nicht als ökonomische Notwendigkeit, um die Handlungsfähigkeit eines Staates wieder herzustellen.
Die Europäische Union sollte aus all diesen Fehlern lernen. Sie sollte erkennen, (1) dass politischer Wille allein nicht für eine erfolgreiche Währungsunion ausreicht; (2) dass die ökonomischen Notwendigkeiten und Anpassungsprozesse klarer diskutiert werden müssen; (3) dass nicht alle Länder wie in den EU-Verträgen vorgesehen, der Währungsunion beitreten sollten; (4) dass ihr Regelwerk zeitinkonsistent und daher sehr fragil ist und (5) dass daher eine Währungsunion von souveränen Staaten immer reversibel sein wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Lehren schnell gezogen werden, bevor die nächste Krise ausbricht.
Autor: Karsten Junius, Chefvolkswirt, Bank J. Safra Sarasin