Der Sturz aus dem Olymp
19.03.2024
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Warum Gesundheitsimmobilien als sichere Geldanlage bekannt sind, ist inzwischen klar: Die Menschen werden älter und der demografische Wandel verlangt für sie nach einem Platz, der dieser Entwicklung angemessen ist. Ist es aber überraschend, dass nach der Insolvenzwelle 2023 auch Everybody’s Darling nicht von den Nachwirkungen verschont bleibt? Nein. Auf Höhen folgen Tiefen und wer weiß das besser als die Finanzbranche.
Es hat sie getroffen, die Gesundheitsimmobilien. Noch nicht in dem Maße, dass es den Glauben an die Assetklasse in seinen Grundfesten erschüttert, aber hart genug. Das Transaktionsvolumen im Segment lag im 4. Quartal 2023 bei 931 Mio. Euro (CBRE „Deutschland Investmentmarkt Q4 2023“). Auf den ersten Blick eigentlich eine ordentliche Summe, wenn man nicht beachtet, dass sie im Vorjahr noch 63 % höher war. Damit ist der Markt für Gesundheitsimmobilien aktuell zahlenmäßig auf dem Niveau von 2017. Zwar sind knapp 62 % des Transaktionsvolumens immer noch auf Pflegeheime zurückzuführen (578 Mio. Euro), gefolgt von 28 % im Bereich Betreutes Wohnen (262 Mio. Euro), aber dies ist immer noch ein Rückgang von jeweils 50 % und 55 % im Vorjahresvergleich.
„Das Pflegeheim hat seinen Nimbus des Unantastbaren verloren“, erklärt Jens Nagel, Geschäftsführer von Hemsö in Deutschland, bei der Pressekonferenz „Rück- und Ausblick auf den Gesundheitsimmobilienmarkt 2024“ zum Thema. Hemsö ist Verwalter und Entwickler von Immobilien zur öffentlichen Nutzung. Selbst wenn in einem Bundesland gerade eine gute Situation (zur Refinanzierung) herrschen würde, so Nagel, habe man den Glauben verloren, darauf 20 Jahre zu setzen. Im weiteren Verlauf heißt es, dass sich ein Investment in Deutschland auch gegenüber anderen Ländern und Segmenten verteidigen müsse. Für Hemsö seien die Rahmenbedingungen derzeit allerdings nicht ausreichend in Deutschland. Entsprechend würden angefangene Projekte zwar fertiggestellt, beim Ankauf neuer Pflegeheime sei man aber zurückhaltend. Die Projektentwicklerinsolvenzen im letzten Jahr haben zu vielen Verkäufen geführt, die Immobilien fanden laut dem CBRE-Report allerdings schnell neue Betreiber in Form von beispielsweise OIFs oder Asset- beziehungsweise Fondsmanagern. Unter den gegebenen Umständen stellt sich natürlich die Frage, wie Gesundheitsimmobilien das Interesse der Investoren zurückgewinnen können und das Zögern nachlässt.
Das Wohlwollen der Götter
Verschiedene wirtschaftliche Faktoren spielen in die derzeitige Lage des Segments hinein. Neben den genannten (und bekannten) ist es der Fachkräftemangel, der der Branche auch zusetzt. Anders formuliert: Wenn der Be treiber der Immobilie nicht genug Fachkräfte einstellen kann – schlichtweg, weil es zu wenige gibt und noch weniger nachkommen – dann kann er die Immobilie auch nicht langfristig am Laufen halten. Andererseits liegt der Fokus bei Gesundheitsimmobilien größtenteils auf Pflegeheimen und Betreutem Wohnen. „Ja, wir haben einen riesigen Bedarf im Bereich der stationären Pflege“, ergänzt Berthold Becker, Managing Director von TSC Real Estate bei der CBRE-Pressekonferenz. „Aber ich glaube, da liegt auch das Potenzial.“ Wo Schatten sei, sei auch Licht, aber Potenzial läge in der Ausdifferenzierung von Betreibermodellen. Diese müssten nutzeradäquat, alters- und anforderungsgerechter gestaltet werden. Das ginge auch einher mit Vertragsstrukturen. Viel hängt da ebenfalls an der Politik, die im Immobiliensegment, besonders für Bestandsimmobilien, Hürden schafft, gegen die im bürokratischen Deutschland nur schwer und dann auch noch langsam anzugehen ist. „Wenn wir Betreiberkonzepte sagen, dürfen wir nicht nur Vertragsmodelle meinen“, führt Becker im Verlauf der Paneldiskussion weiter aus. Das Thema Managementvertrag sei tatsächlich ein Teil einer möglichen Lösung, aber nicht das Modell, das die Zukunft darstellen würde. „Es ist aber eine Richtung, in die man denken muss.“ Deutsche Investoren, so Becker, werden sich in Zukunft einem Paradigmenwechsel unterziehen müssen. „Stationäre Pflege ist sozusagen das Rundum-sorglos-Paket: Ich investiere und habe meinen Cashflow für die nächsten zehn Jahre und verkaufe das dann auch zum gleichen Faktor.“ Allerdings sei ein älterer Mensch nicht immer sofort pflegebedürftig im Sinne von vollstationär. Der Markt müsse sich öffnen, was die Angebotsstruktur anbetrifft.
Die Zukunft der Gesundheitsimmobilien ist aufgrund des demografischen Wandels keineswegs ungewiss, aber die Lieblinge der Investoren – Pflegeheime und Betreutes Wohnen – haben innerhalb des letzten Jahres ordentlich einstecken müssen und die finanzielle Gunst verloren. Für die Finanzbranche ist schließlich nichts schwerer zu verkraften als zögernde Investoren. Einen Lichtblick gibt es allerdings: Die Regression zur Mitte, auch in der Statistik. Erzielbare Renditen von langfristigen Investitionen – langfristig im Sinne von mindestens zehn Jahren – nähern sich nach und nach dem Mittelwert an. Und da Geduld eine Tugend ist, muss diese sich aktuell auch bei Gesundheitsimmobilien von der besten Seite zeigen. (ml)