Der schwarze Schwan namens High-Yield
02.07.2018
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Eine alte Börsenweisheit besagt: Läuft Butter, läuft Käse. Auf Deutsch: Steigen die Kurse von Papieren guter Bonität, steigen auch die Preise für schlechte. Die Gelddruckorgie der Notenbanken hat unter anderem bewirkt, dass schlechte Bonitäten nicht durch einen angemessen hohen Zins ausgestattet sind und so auf die schlechte Qualität hinweisen. Diese sogenannten „Zombie-Anleihen“ oder auch „Schrott-Anleihen“ genannt, existieren noch, weil sie sich nur noch durch einen unverschämt niederen Zins refinanzieren können. Vor etwa zehn Jahren hieß das Problem „Schrott-Immobilien“.
Zum Kernproblem dieser Unternehmen könnte ein steigender Zins werden. Die EZB beschließt die Reduktion der Anleihekäufe ab Oktober und ein Ende zum Jahresschluss. Steigende Renditen sind mögliche Folgen. Sollte die FED im Glauben an die eigene Stärke den Zins weiter anheben, könnten bei den in US-Dollar valutierten High-Yield-Anleihen erste Zahlungsausfälle entstehen. Oft (ca. ein Drittel) haben diese Schuldner kein Anlagerating. Viele andere Unternehmen aus diesem Segment mit Investment Rating arbeiten nur knapp an der Profitabilität.
Eine wirtschaftliche Beruhigung könnte dafür sorgen, dass die Anleihezahlungen nicht mehr bedient werden können und als Folge die Papiere downgeratet werden, also dann kein Investment-Grade mehr haben. Fonds und ETFs müssen jetzt verkaufen. Die dritten Dynamit-Stangen sind Unternehmen, die diese Anleihekäufe mit einem noch niedrigeren Kreditzins finanziert haben, um damit einen Cash-Flow zu erzielen.
Fakt ist, dass der heutige Konjunkturzyklus durch einen immer höher steigenden Schuldenberg finanziert wurde. Deshalb sprechen auch viele bereits vom Kreditzyklus. Tatsache ist ebenso, dass dieser Kreditzyklus schon weit fortgeschritten ist und so nun eine gewisse Konsumsättigung eintritt. Der niedrige Zins hat damit immer weniger Wirkung auf das Wachstum. Das Geld fließt in Sachwerte wie Immobilien und Aktien. Immobilien sind inzwischen so teuer geworden, dass sie für den größeren Teil der Bevölkerung nicht mehr erschwinglich sind. Aktien sind laut dem Shiller PE noch teurer als in den Crashjahren 1901, 1929 und 1966. Nur die Technologieblase bis 2000 brachte noch höhere Werte. Was aber in all diesen Jahren danach passierte, dürfte bekannt sein.
Auch die Unternehmensschulden haben im Verhältnis zum BIP mittlerweile ein Niveau erreicht, das schon 2001 und 2008 in einer Rezession endete. Allerdings wird dieses Mal ein Kurseinbruch an der Börse nicht das Ergebnis einer beginnenden Rezession sein, sondern die Ursache.
Die Bestände an Unternehmensanleihen sind in den letzten Jahren auf ca. zwei Billionen US-Dollar explodiert. Das imminente Risiko dabei ist, dass etwa die Hälfte aller Investment-Grade-Anleihen nur ein BBB Rating haben. Die Schuldenpapiere wurden von Hedgefonds, Pensionsfonds und Stiftungen erworben. Als Beimischung dann auch in Dachfonds, Geldmarktfonds, gemischte Fonds. Und natürlich in neue High-Yield-Fonds und dafür kreierte ETFs, die sich in der Euphorie wie Karnickel vermehrt haben.
Sollte es nun zum Beispiel wegen Zinserhöhungen zu Zahlungsausfällen oder aufgrund einer Wirtschaftsschwäche zu einer Bonitätsherabstufung kommen, müssen Fonds und ETFs diese Bestände verkaufen, besonders dann, wenn Anleger aus Angst vor einem Totalverlust diese Anlagen zurückgeben. Alle erkennen plötzlich, wie risikoreich ihr Geld angelegt ist und wollen ihre Schrottanlagen verkaufen.
Und jetzt tritt das größte Problem auf: An wen? Denn nun müssen auch noch die Unternehmen verkaufen, die diese Anlagen finanziert hatten. Denn Banken verstehen jetzt keinen Spaß mehr. Wie heißt es so schön: Banken sind Institute, die dir bei Sonnenschein einen Schirm leihen und ihn bei Regen zurückfordern.
Wenn keine Probleme auftreten, funktioniert der Markt. Wird er aber zum Verkäufermarkt, implodieren die Kurse. Die Liquiditätsillusion (die Papiere können jederzeit verkauft werden) platzt. Wer kauft auch in diesem Szenario Anleihen, die morgen wertlos sein können? Es werden auch nicht mehr die Werte verkauft, die verkauft werden müssten (Bonitätsverschlechterung), sondern die Anleihen, die, wenn auch zu deutlich niedrigerem Preis, noch verkauft werden können (bessere Bonität).
Nicht auszudenken welche Situation entsteht, wenn die Kreditgeber auch noch in Schwierigkeiten geraten, also Probleme des Marktes für High-Yield-Anleihen auf andere Märkte überspringen. Ein paar Schulden sind das Problem der Schuldner, ein riesiger Schuldenberg ist ein Problem der Gläubiger. Wer heute Besitzer solcher Anlagen ist, sollte über eine Beendigung des Engagements nachdenken, zumal die Renditen des letzten Jahres meist in keinem Verhältnis zum Risiko standen. Aber auf alle Fälle muss auf eine „erträgliche“ Größenordnung reduziert werden. Wer den Teufelskreis nicht erkennt, sollte die Geschichte vom Subprime-Hypothekenmarkt 2008 noch einmal nachlesen. Die bedeutendste Frage ist heute: Ist diese Krise überhaupt noch zu vermeiden?
Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH