Der Nullzins ist dem Verstand sein Tod

21.06.2017

André Kunze, Geschäftsführender Gesellschafter der Prometheus Vermögensmanagement GmbH/ Foto: © Prometheus

Seit der Finanzkrise 2008 hat sich das Geldvermögen der Deutschen von rund 4,1 Billionen Euro, um mehr als 35 % auf rund 5,6 Billionen Euro erhöht. Das klingt auf den ersten Blick sehr erfreulich. Betrachtet man allerdings, wie wir Deutschen unser Geld anlegen, muss man zweifeln, ob wir eigentlich wissen, was wir tun.

Rund 40 % unseres liquiden Vermögens liegen auf Sparbüchern, in Tages- und Festgeldern oder halten wir als Kopfkissenunterlage in Bargeld. Bei einer aktuellen Verzinsung von relativ exakt 0,0 % stellt sich die Frage, warum uns Deutschen diese Anlageformen so gut gefallen. Wieso überhaupt Anlageformen? Richtiger wäre vor dem Hintergrund des aktuellen Kapitalmarktumfelds wohl eher der Begriff Ablageformen.

Daneben investieren wir weitere rund 30 % unseres liquiden Geldvermögens in Lebens- und Rentenversicherungen. Wer sich mit der Materie etwas genauer auseinander setzt, weiß, wie unser Geld hier investiert wird: In zumeist negativ verzinsten Bundesanleihen, in so gut wie nicht verzinsten EU-Staatsanleihen sowie in quasi zinslosen Unternehmensanleihen. Insgesamt investiert die Versicherungsbranche gemäß des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) rund 86 %  in festverzinsten Wertpapieren, häufig auch Renten genannt. Festverzinst ist in diesem Fall jedoch etwas irreführend – denn der Begriff sagt nichts darüber aus, ob der Zins positiv oder negativ ist.

Lediglich 4,4 %  hält die Versicherungsbranche im Schnitt in Aktien. Dazu kommen 3,6 %  in Immobilien und 3,7 % in sonstigen Beteiligungen. Somit sind nicht einmal zwölf Prozent des Deckungsstocks von Versicherungen in ertragreicheren Anlageformen investiert. Davon ausgehend, dass dieser knapp zwölfprozentige Anteil eine durchschnittliche Rendite von sechs Prozent pro Jahr erwirtschaftet, ergibt dies für die Anleger in Versicherungen einen Ergebnisbeitrag für von rund 0,7 % pro Jahr (sechs Prozent Mal zwölf Prozent). Dazu addieren wir die Erträge aus den quasi unverzinsten Rentenpapieren und ziehen die jährlichen Versicherungskosten ab. Summa summarum verbleibt ein denkbar schlankes Nichts.

Somit legen wir Deutschen mindestens 70 % unseres liquiden Geldvermögens in zinslosen Anlagen an – oder besser: in sinnlosen Ablagen ab. Warum mindestens? Weil in den verbleibenden 30 % unter anderem Rentenfonds und Geldmarktfonds enthalten sind, die – Sie ahnen es bereits – ebenfalls keine Erträge abwerfen.

Nun gehört der deutsche Anleger aber bekanntermaßen ja zu der Sorte Anleger, der Risiken um jeden Preis vermeidet, da er das mühsam Ersparte auf keinen Fall durch Verluste aufgezehrt wissen möchte. Was liegt da also näher als die heimelige Obhut von Versicherungen und Bankguthaben. Schließlich sind diese ja garantiert.

Angst frisst Hirn oder der Nullzins ist dem Verstand sein Tod

Nun ist das Problem an der Sache, dass Versicherungen und Bankguthaben per Saldo gar nicht sicher sind. Wie soll das auch gehen, wenn Versicherungen den größten Teil ihres Geldes an hoch verschuldete Staaten verleihen und Banken über Eigenkapitalquoten von nicht einmal zehn Prozent verfügen?

„Ja wie? Gibt‘s den Storch etwa auch nicht?“

Doch, mein lieber deutscher Anleger, den gibt es. Aber der tut nicht einmal ansatzweise das, was wir den Kindern erzählen. Und genauso wie wir unseren Kindern in Sachen praktizierter Populationserweiterung einen mächtigen Bären aufbinden, verhält sich das auch mit den Garantien und der Sicherheit bei Versicherungen und Bankguthaben.

Zugegeben, es ist nicht ganz leicht, dies so zu akzeptieren, aber mit einem kleinen Bisschen Verstand und etwas Logik erschließt sich von selbst, dass der Storch auch bei der Sache mit den Garantien und den Sicherheiten seinen Schnabel im Spiel hat.

Es wird also allerhöchste Zeit, dass wir Deutschen erkennen, dass wir mit unserem mühsam Ersparten allzu fahrlässig umgehen. Das heißt nicht, dass wir aus dem Stand heraus nun alle wie verrückt Aktien kaufen müssen. Im Gegenteil. Auch das wäre zu kurz gesprungen.

Aber: Der Kapitalmarkt bietet heute eine breite Palette an sehr flexiblen und hoch interessanten Anlagekonzepten, die bei kontrollierten Risiken auskömmliche Renditen erwirtschaften. Wir müssen uns nur damit beschäftigen und unseren Verstand aus der Umklammerung der Vollkasko-Mentalität befreien.

Was spricht dagegen, sich selbst dem Thema Geldanlage zu widmen, wenn man feststellt, dass den Zinsen die Puste ausgegangen ist? Und was spricht dagegen, mal den einen oder anderen Berater aufzusuchen, um sich dessen Ideen und Vorschläge anzuhören? Nichts, denn dümmer wird man davon ganz sicher nicht.

Ein bisschen Ehrgeiz und etwas Zeit ist also das Einzige, was wir benötigen, um unserem Ersparten seine Zinsen und unserem Verstand die verdiente Einsatzzeit zurückzugeben.

Kolumne von André Kunze, Geschäftsführender Gesellschafter der Prometheus Vermögensmanagement GmbH