Der Bär auf der Erholungswelle
13.03.2016
Diesmal war es zwar nicht die Bildzeitung, sondern nur unser Anlegerbrief der mit einem pessimistischen Ausblick für die Aktienmärkte in diesem Jahr so ziemlich den Tiefpunkt der aktuellen Baisse erwischt hat.
Seitdem stabilisiert sich der Aktienmarkt und der DAX konnte immerhin wieder 800 Punkte bzw. 90 Prozent seiner Verluste wettmachen. Der Markt war „überverkauft“ und reif für eine Gegenbewegung.
Börsianer bezeichnen Kursabschläge von mehr als 20 Prozent als „Baisse“ oder sprechen alternativ – in Anlehnung an die Tierwelt - von einem „Bärenmarkt“. Der Bär verkörpert mit seinem gesenkten Kopf aus Börsianer Sicht Pessimismus, während sein Gegenstück, der „Bulle“, erhobenen Hauptes und optimistisch für steigende Kurse steht.
Tatsächlich hat der deutsche Aktienindex DAX vom letzten Zwischenhoch bei 11.430 Anfang Dezember zeitweise bis zu 24 Prozent verloren; und vom All-Time-High bei 12.390 im April letzten Jahres sind die Verluste - auch nach den aktuellen Kursgewinnen – noch fast ebenso hoch. Auch wenn sich zunächst mal die schwärzesten Wolken verzogen haben, man sollte sich nicht zu sehr darauf verlassen, dass mit der jüngsten Erholung die Baisse bereits beendet ist.
Bei der Frage, wie tief es noch gehen könnte, schaut man gerne in die Vergangenheit und vor allem in die USA, weil die Wall Street und hier der Dow-Jones-Index die längste durchgehende Datenreihe liefern. Der Dow hat zwar die kritische 20-Prozent-Schwelle noch nicht erreicht, gibt aber Orientierung für die Ausmaße typischer Abwärtsbewegungen.
Die Baissen seit Anfang des vergangenen Jahrhunderts haben die investierten Vermögen an der globalen Leitbörse im Schnitt etwa halbiert. Sie dauerten unterschiedlich lang. Der letzte große Abschwung begann mit der Finanzkrise 2007 und dauerte anderthalb Jahre bis in Frühjahr 2009. Gemessen an den historischen Vorgaben mutet der aktuelle Dow-Jones-Rückschlag von unter zehn Prozent gegenüber dem Hoch aus dem vergangenen Jahr bisher harmlos an.
Eine tatsächliche Baisse hat typischerweise drei Phasen: Erster heftiger Verlust, anschließende Erholung, dann finaler Rutsch nach unten. Die Gretchenfrage wäre nun, ob wir uns gerade mal am Ende der ersten Phase befinden kurz vor der Zwischenerholung, oder ob wir sogar schon in der dritten Phase sind, weil man die Kurserholung zwischen Oktober und Dezember als zweite Phase wertet. Gegen letzteres spricht allerdings das Ausmaß der bisherigen Verluste und die fehlende Panikstimmung, die typisch ist für Endphasen eines Kursabsturzes.
Vielleicht ist es aber gar keine große Baisse, denn im Gegensatz zum Platzen der New-Economy-Blase 2000, der Finanzkrise 2008 und der Eurokrise 2011 fehlt diesmal irgendwie der Grund, warum alle panisch verkaufen sollten. Es gibt viele Sorgen und Befürchtungen wegen China, Ölpreis, Naher Osten, Banken- und Immobilienmarkt, aber wenig Fakten.
Vielleicht bekommen wir ja bald noch einen triftigen Grund. Momentan jedoch ignorieren die meisten Großanleger noch die Talfahrt und verkaufen nicht. Einerseits mögen die Anleger aus der Vergangenheit gelernt haben, dass es in Abwärtsphasen ein Fehler war, zu verkaufen – denn anschließend stiegen die Kurse wieder. Andererseits will man wohl seine gerade erst ausgerufenen Jahresprognosen nicht schon nach zwei Monaten wieder über den Haufen werfen.
Doch schon jetzt haben viele ihre Risikobudgets für dieses Jahr aufgebraucht. Eine weitere Verkaufswelle könnte dann doch noch zu der Panik und den Zielmarken führen, wie sie der frühere Hedgefonds-Manager und Schweizer Vermögensverwalter Felix Zulauf ausruft: „Der Dax fällt auf 7000 Punkte oder noch darunter – in diesem Jahr.“
Autor: Dr. Marc-Oliver Lux
Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG