Der Alptraum der Notenbanken

06.03.2016

Am 16.Dezember 2015 hat die amerikanische Notenbank (FED) die Zinsen nach ca. zehn Jahren erstmals erhöht. Um lächerliche 0,25 Prozent. Seitdem haben die Aktienbörsen massiv verloren.

Der DAX allein in 2016 fast zehn Prozent. Angeblich will die amerikanische Notenbank in diesem Jahr noch mehrmals nachlegen. Utopie! Die deutschen Zinsen bleiben sowieso bei Null.

Obwohl sich für die Sparer die Haftungsrisiken durch die Bail-in-Gesetze drastisch erhöht haben. Höhere Zinsen sind auf lange Sicht aufgrund der immensen Staatsverschuldungen nicht denkbar. Die negativen Auswirkungen für traditionelle Sparformen, aber auch für Stiftungen, Pensionsfonds oder Lebensversicherungen sind dramatisch.

Seit Jahren wird uns eingeredet, dass eine Inflationsrate von zwei Prozent gesund wäre. Es wird sogar die „Weisheit“ verkündet, dass eine Inflationsrate von 0,5 Prozent bei einem Wachstum von über einem Prozent ungesund sei. Früher nannten wir das: Geldwertstabilität. Da die Notenbanken, begründet mit der Mär vom ewig hohen Wachstum, diese niedere Inflationsrate mit „allen Mitteln“ bekämpfen, scheint Geldwertstabilität nicht mehr das Ziel zu sein. Auch dafür gibt es eine Begründung: Schuldenreduzierung durch Inflation. Eine übliche Schuldentilgung, wie bei einer Baufinanzierung, ist offensichtlich nicht mehr machbar.

Ein wichtiger Term bei der Berechnung der Inflationsrate bilden die Öl- bzw. Energiepreise. Sie schlagen sich in vielen Produkten nieder, vor allem bei den Benzinpreisen und bei den Wohnnebenkosten. Eine Frage vorweg: Wie soll die Inflation steigen, wenn sich der Ölpreis gerade mal um etwa 70 Prozent reduziert hat? Aktuell stabilisiert sich der Kurs über ca. 30 US-Dollar. Jetzt die Frage hinterher: Was passiert mit der Inflationsrate, wenn der Ölpreis wieder auf 60 US-Dollar steigt? Allein schon basisbedingt wird die Rate anziehen.

Am 19. Februar hat Amerika einen auf das Jahr hochgerechneten Verbraucherindexanstieg von 2,2 Prozent veröffentlicht. Ziel erreicht? Da muss man die Zahlen der kommenden Monate sicher noch abwarten. Aber was würden die Notenbanken unternehmen, wenn bedingt zum Beispiel durch einen Ölpreisanstieg, die Inflationsrate über drei Prozent steigt? Wie früher, die Zinsen erhöhen? Mit Sicherheit nicht, zumal dann, wenn sich die aktuelle Wachstumsdelle als Schwäche herauskristallisiert.

Die Liquidität wieder einziehen und steigende Zinsen riskieren? Ebenso wenig. Die Notenbanken wären zum „nichts tuen“ verdammt. Dabei bedeutet eine steigende Inflation nicht zwangsweise, dass auch die Wirtschaft besser läuft. Die Vorzeichen stehen eher auf „Beruhigung“. Dieser Alptraum, steigende Inflation bei kaum Wachstum heißt „Stagflation“. Die Schulden würden sich dann zwar mit einer Rate von drei Prozent oder gar vier Prozent entwerten. Die Sparanlagen der Anleger allerdings auch, und das, bei null Zinsen. Die Folge ist ein sinkender Lebensstandard.

Die Notenbanken haben ihr Pulver weitestgehend verschossen. Welche Maßnahmen stehen ihnen noch zur Verfügung? Da wir bereits Zinsen nahe Null haben, bleibt nur noch der Minuszins. Um diesen auch beim Anleger durchzusetzen, benötigt die Politik die Bargeldbeschränkung, um einen Bankenrun zu verhindern. Schwarzgeld, Kriminalität oder Steuerhinterziehung sind nur vorgeschoben. Sonst hätte man Bargeld schon vor 30 Jahren abgeschafft. Der nächste Schritt Helikoptergeld? Oder buchen die Notenbanken einfach ihre Staatsanleihen aus? Alles keine vertrauensbildenden Aussichten.

Wie könnten sich die Sparer bei Minuszinsen verhalten? Die Konsumbereitschaft würde sich zwangsläufig erhöhen. Viele würden dies auch umsetzen. Wenn aber die Sparer ihr Sparbuch räumen und konsumieren oder Bargeld im Safe lagern, fehlt den Banken und Sparkassen die Basis für die Wachstumsfinanzierung. Die Preise ziehen an. Die Glaubwürdigkeit der Notenbankpolitik erleidet einen weiteren Absturz. Immer mehr Menschen erkennen die Illusion der Rückzahlbarkeit der Schulden. Sie glauben nicht mehr an den Wert des Geldes. Vertrauen ist aber System relevant.

Welche Auswirkungen auf die Kapitalmärkte muss der Anleger einkalkulieren? Die Anfangsphase dieses Szenarios wird geprägt sein von Unsicherheiten und Angst und damit zu fallenden Aktienkurse führen. Erst wenn die Konsumsteigerungen sichtbar werden und somit auch Gewinnsteigerungen für die Unternehmen erwarten lassen, dürfte ein Run auf die Aktien einsetzen, zumal die Dividenden, die meist höher sind als die Zinsen, dann sicherer werden. Außerdem: Aktien sind Substanzwerte.

Die Währungen müssten alle schwächer werden, was natürlich nicht möglich ist. Man wird dann unterscheiden zwischen schlecht und noch schlechter. Der Währungskrieg dynamisiert sich. Wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, dass die FED zwar droht, aber nicht handeln kann, dürfte die bisherige Dollarstärke auslaufen und sich in Schwäche wandeln. Die Zinsen steigen. Bei einer Kreditverteuerung von um Beispiel nur einem Prozent und aufgrund einer Gesamtverschuldung der USA (Staat, Unternehmen, Private) von ca. 60 Bill. Dollar, errechnen sich etwa 600 Mrd. Dollar, die dem Wirtschaftskreislauf über erhöhte Zinsen fehlen würden. Die weitere Steigerung des Haushaltsdefizits wird das Vertrauen in die USA und dem Dollar weiter sinken lassen.

Die Edelmetalle werden steigen. Erst kontinuierlich, dann sprunghaft. Ich rechne weiterhin mit neuen Höchstkursen in den kommenden Jahren. Die Preise für Gold sind in 2016 bereits um ca. 15 Prozent gestiegen. Ist das nur eine Gegenbewegung auf die Verluste der letzten Jahre oder vielleicht doch schon ein Warnsignal? Ein kräftiger Anteil Edelmetalle im Gesamtvermögen erscheint jedenfalls angebracht.

Noch werten Politiker, Notenbanken und Presse dieses Szenario als Verschwörungstheorie ab. Wer dies auch glaubt, sollte noch mal die Bücher von Aldous Huxley und George Orwell lesen. Oder „Der Crash ist die Lösung“. Ein letztendlich entscheidender Punkt für die Vermögensentwicklung wird die Diversifikation und flexibles Handeln sein. Gewinnmitnahmen, Verlustbegrenzungen und Risikoüberprüfungen gewinnen an Bedeutung.

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Autor: Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter bei der I.C.M.

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