DAX – Er läuft und läuft und läuft
26.05.2013
Christian von Engelbrechten
An der Börse ging in den vergangenen Wochen das Zittern los. Eine Art Achterbahnfahrt mussten die Investoren verdauen. Fidelity-Fondsmanager Christian von Engelbrechten lässt sich davon nicht beeindrucken. finanzwelt sprach mit ihm über die Perspektiven des deutschen Markts, über ausgewählte Titel und die Abgrenzung zu Indexfonds.
finanzwelt: Nach dem Rücksetzer hat der Deutsche Aktienindex (DAX) wieder etwas Boden gut gemacht. Trotzdem bleibt die Unsicherheit im Markt. Welches Potenzial haben deutsche Aktien?
von Engelbrechten: Mittel- bis längerfristig hat sich am guten Ausgangsszenario für deutsche Titel wenig geändert. Dies ist auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Ich erachte die zuletzt beobachtete Korrektur im Markt für nicht ungesund – sie eröffnet Investoren durchaus Chancen des Neueinstiegs. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) liegt bei11 – und damit unter dem Schnitt der vergangenen Jahre. Auch im Vergleich zu anderen Anlagealternativen sind Aktien eine gute Wahl. Ein gutausgewähltes Aktienportfolio hat gegenwärtig ein besseres Rendite-Risiko-Verhältnis als viele andere Anlagen. Zudem ist die anhaltend lockere Geldpolitik der Zentralbanken ein wichtiger Faktor, der die Aktienmärkte nachhaltig unterstützt.
finanzwelt: Wo sehen Sie die größten Risiken?
von Engelbrechten: Geopolitische Risiken sind natürlich nicht zu unterschätzen, etwa was genau in Nordkorea passiert. Ansonsten müssen wir zwangsläufig die Geschehnisse in der Eurozone genau analysieren. Zypern hat zwei Dinge gezeigt: Erstens, dass die Märkte mittlerweile robuster und mit größerem Vertrauen auf solche Situationen reagieren. Zweitens aber auch, dass die Krise in Europa noch nicht ausgestanden ist. Die Situation in Italien ist ebenfalls angespannt und es bleibt zu hoffen, dass die nun ernannte Regierung kraftvoll agiert und Vertrauen in den Markt zurückbringt. Trotz dieser Risiken, die auch in den vergangenen zwei Jahren immer wieder hochkamen, haben es die deutschen Unternehmen geschafft, auf dem eingeschlagenen Wachstumspfad voranzuschreiten und ihre Nettoverschuldung drastisch zu reduzieren.
finanzwelt: Das bedeutet, kein „worst case“-Szenario für die hiesige Ökonomie?
von Engelbrechten: Definitiv nicht. Natürlich bleibt der europäische Kontinent auf absehbare Zeit relativ wachstumsschwach, dennoch bestätigt sich in dieser gesamtwirtschaftlich angespannten Phase das Bild der „Lokomotive Deutschland“. Das erfahre ich auch in den Gesprächen mit Managementvertretern größerer Unternehmen. Mit einer Exportquote von über 50 % sind deutsche Unternehmen in Zeiten des globalisierten Handels extrem gut aufgestellt und profitieren überdurchschnittlich vom Wachstum in den Schwellenländern. Dieser Trend hält an.
finanzwelt: Die Zinsen sind und bleiben auf absehbare Zeit niedrig, mit Anleihen ist kaum noch etwas zu holen. Dividendenstarke Aktien sind eine willkommene Alternative.
von Engelbrechten: Aktien mit überdurchschnittlich hohen Dividendenrenditen und hohem Gewinn pro Aktie treffen in der gegenwärtigen Marktphase besonders die Anforderungen der Investoren. Dabei ist die Nachhaltigkeit der Dividendenpolitik das entscheidende Argument. Für die Qualität einer Aktie sind weniger die aktuelle Höhe der Ausschüttung noch gelegentliche Spitzendividenden wichtig. Vielmehr kommt es auf die Regelmäßigkeit der Ausschüttungen an und darauf, dass die Dividendenrendite kontinuierlich wächst und nachhaltig finanziert werden kann.
finanzwelt: Zu 60 bis 80 % sind Sie mit Ihrem Fonds in Large Caps investiert, der Rest steckt in Mid/Small Caps. Die Einzeltitelauswahl (Suche nach attraktiv bewerteten Aktien mit überdurchschnittlichen Wachstumsaussichten) hat eindeutig Priorität. Der Erfolg gibt Ihnen Recht: über mehrere Perioden auf dem Siegertreppchen. Was machen Sie anders?
von Engelbrechten: Natürlich freut es uns, dass wir innerhalb des Sektors Germany Large Cap Equity rückblickend auf die vergangenen 12 Monate ganz vorne stehen. Zum einen profitieren wir von einem großen hauseigenen Research-Team, zum anderen können wir auf ein exzellentes Netzwerk zurückgreifen, das es uns auch ermöglicht, eigene Studien etc. in Auftrag zu geben. Darüber hinaus pflegen wir einen engen Kontakt zu den Unternehmen.
finanzwelt: Eine Übergewichtung im Vergleich zum HDAX haben Sie beispielsweise bei MTU Aero Engines und Bayer. Wie begründen Sie das?
von Engelbrechten: Die MTU Aero Engines ist mit ihren Turbinen in nahezu allen wichtigen Flugzeugtypen vertreten und wartete jüngst mit einem Umsatzplus von 35 % auf. Die Orderbücher sind voll. Zudem dürfte das margenträchtige Wartungsgeschäft dem Unternehmen mittelfristig einen weiteren Schub verpassen. Die Bayer AG steht sinnbildlich für die Innovationskraft hiesiger Unternehmen. Die Produktpipeline im Health-Care-Segment ist voll und verspricht weiterhin starke Absatzzahlen, die im derzeitigen Aktienkurs noch nicht eingepreist sind.
finanzwelt: Aktives Management versus passive Indexfonds – die Diskussion ist vollends entbrannt. Wieso sollte man nicht gleich einen Indexfonds kaufen?
von Engelbrechten: Ich glaube, dass aktives Management überlegen ist. Natürlich kommt es darauf an, dass man den richtigen Fonds erwischt. Im Vergleich zu analogen ETFs konnten wir sowohl auf die 12-Monatssicht als auch im 3-Jahresvergleich besser abschneiden.
**Fazit
**Diverse deutsche Aktien bieten nach dem Kursverfall vom April wieder gute Einstiegsmöglichkeiten. Fonds, die nicht den DAX als Ganzes, sondern explizit auf wachstumsstarke Unternehmen fokussiert sind, lohnen einen intensiveren Blick. Für Aktien sprechen auch das globale Niedrigzinsniveau und der sich daraus ergebende Mangel an Anlagealternativen. Der Dax scheint so unverwüstlich wie der alte VW-Käfer – er läuft und läuft und läuft.
(Das Gespräch führte Alexander Heftrich)
Christian von Engelbrechten zeichnet seit Anfang 2011 für den Fidelity Germany Fund verantwortlich. Bereits seit April 2008 war er als Portfolio Assistant für diesen Fonds zuständig. Vor seiner Tätigkeit bei Fidelity hat der diplomierte Betriebswirt drei Jahre als Associate Director, Assetmanager bei West LB Asset Management gearbeitet. In dieser Rolle war er für alle Aktieninvestments der West LB in Banken verantwortlich und hat die 30 größten pan-europäischen Banken abgedeckt.