DAS (GROSSE) ZIEL VOR AUGEN

20.10.2022

Andranik Safaryan

Die Null-COVID-Strategie hat weiterhin Auswirkungen auf die chinesische Konjunktur. Dazu kommt 2022 noch eine extreme Trockenheit. Mitte August kündigte die Regierung an, weitere finanzielle Hilfen in die eigene Wirtschaft zu stecken. Andranik Safaryan ist Lead-Portfoliomanager des Emerging Markets Teams bei MainFirst. Mit ihm sprachen wir über die Zukunft Chinas.

finanzwelt: Die chinesische Wirtschaft schwächelt. Die Notenbank senkt erneut die Zinsen; die Regierung stellt weitere Mittel für den Ausbau der Infrastruktur in Aussicht. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Andranik Safaryan» Es ist unstrittig, dass sich die Verantwortlichen in Peking Sorgen über die Lage machen. Sie handeln, senken die Zinsen und stützen somit die Wirtschaft. Die chinesische Zentralbank hat das Mittel der Zinssenkung im Gegensatz zu den USA oder der Eurozone, wo die Leitzinsen derzeit angehoben werden, um die hohe Inflation in den Griff zu bekommen. In China lag die Teuerungsrate zuletzt bei 2,7 %, wenngleich auch das die höchste Inflationsrate seit Sommer 2020 war. Die Regierung wird alles in ihrer Macht Stehende tun, um die wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten und China als führende Wirtschaftsmacht zu etablieren.

finanzwelt: Die Regierung behält auch ihren harten Kurs beim Thema Null-COVID bei. Ist zu erwarten, dass sie hier einlenkt angesichts möglicher wirtschaftlicher Schäden?

Safaryan» Nein, sehr kurzfristig ist nicht zu erwarten, dass China die Null-COVID-Politik gänzlich aufgibt. Mit Blick auf den bevorstehenden Parteitag wird Präsident Xi Jinping alles Erdenkliche tun, um die Sterberate durch COVID-Infektionen nicht ansteigen zu lassen. Bis zum Kongress sollte sich die Zahl der geimpften Personen deutlich erhöhen, da die Impfungen der gefährdeten Personen fortgesetzt werden. Dies dürfte auch dazu beitragen, dass die Null-Toleranz-Strategie möglicherweise im Nachgang angepasst wird.

finanzwelt: Entschlossenheit zeigten die Pekinger Machthaber auch gegenüber der Krise im Immobiliensektor.

Safaryan» Es stimmt, dass die Regierung kürzlich eine klarere Haltung gegenüber der Krise im Immobiliensektor eingenommen hat. Indes zeigt sich, dass dieser Krisenherd noch nicht gelöscht ist. In Reaktion darauf, dass ihre Wohnungen vielfach nicht fertiggestellt werden, haben Käufer ihre Ratenzahlungen teilweise eingestellt, was die Schwierigkeiten der Bauträger verschärft. Es gilt, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen und ein Überschwappen der Krise auf andere Bereiche zu verhindern.

finanzwelt: Sie sprachen gerade den kommenden Parteitag der Kommunistischen Partei an. Ein wichtiges, mit Spannung erwartetes Event.

Safaryan» Absolut. Präsident Xi Jinping hat klar gemacht, dass der 20. Nationale Parteitag ein sehr wichtiges Ereignis ist. In seinen Worten begibt sich China auf eine neue Reise zum vollständigen Aufbau eines modernen sozialistischen Landes. Da die chinesische Führung langfristig denkt, wird sie diesem Leitgedanken alles unterordnen und bei Bedarf weitere Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft einleiten.

finanzwelt: Zum Schluss – wie zuversichtlich sind Sie, dass dies China gelingt?

Safaryan» Die Volksrepublik hat schon einen beeindruckenden Weg hinter sich, bedenkt man die jüngste Geschichte. Die Stabilität der Regierung war dabei immer schon der zentrale Treiber und Anker. Daher und aus den zuvor genannten Gründen sind wir zuversichtlich für die Volksrepublik gestimmt. Es finden sich somit auch einige chinesische Titel in den Portfolios. (ah)