Das Großartige an FinTech ist, dass es um Zusammenarbeit geht

18.06.2018

Alastair Lukies, Gründer von Monitise Foto: © Alastair Lukies

Alastair Lukies CBE ist ein Pionier und eine bekannte Größe in der FinTech Branche. Er ist „Business Ambassador“ des britischen Finanzdienstleitungssektors und Gründer des lange vor der Verbreitung der Begrifflichkeit „FinTech“ etablierte Unternehmen Monitise, einem Anbieter von mobilem Zahlungsverkehr. Lukies im im finanzwelt Interview über die Auswirkungen des Brexit, die Flut neuer Regulierungen und ob London das FinTech-Zentrum Europas bleiben wird. 

finanzwelt: Obwohl der Brexit viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, besteht kein Zweifel daran, dass die Londoner FinTech-Szene boomt. Welche Entwicklungen sind für Sie besonders spannend?

Alastair Lukies: Es stimmt, dass der FinTech-Sektor nicht nur trotz des Brexit boomt, in vieler Hinsicht profitiert er noch davon. Als globale Handelsnation muss Großbritannien natürlich seine Führungsrolle in Schlüsselbranchen behaupten, und FinTech ist eine davon. Dazu gehören die verschiedensten Aktivitäten, die drei Kategorien zuzuordnen sind, die zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken: das Regelungsumfeld, die etablierten Marktteilnehmer und Innovatoren; in einer starken Finanzdienstleistungsbranche funktioniert FinTech natürlich nicht ohne Fin; eine florierende Innovationsszene – in den letzten fünf Jahren sind in der Fintech-Branche 77.000 neue Arbeitsplätze entstanden –; Level 39, der FinTech-Verband Innovate Finance und ein aufgeschlossener Regulierer. Und durch das Open Banking ist Großbritannien weltweiter Vorreiter bei der Verabschiedung und Umsetzung der DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung), der PSD2 (Überarbeitete Richtlinie über Zahlungsdienste) und anderer Vorschriften, mit denen der Bankensektor in die Fintech-Zukunft geführt werden soll.

finanzwelt: Wie werden sich die FinTech-Firmen auf den Brexit einstellen, und was hält sie in London?

Lukies: Ich denke, im FinTech-Kontext wird der Brexit ziemlich überbewertet. Der Brexit ist sicher ein geopolitisches Thema, aber die Alchemie und die Konstellation von Faktoren, die zusammen ein perfektes FinTech-Umfeld ausmachen, haben immer für London und Großbritannien generell gesprochen, und daran wird sich nichts ändern. Viele der FinTech-Firmen, mit denen ich täglich spreche, denken international, wenn es um ihre Wachstumsperspektiven geht, nicht nur an Europa. Sie denken an Länder mit ähnlichen Rahmenbedingungen wie Großbritannien, zum Beispiel Australien, zum Beispiel Kanada, zum Beispiel Singapur, zum Beispiel Hongkong, und deshalb hat der Brexit keine großen Auswirkungen auf ihre Perspektiven. Der Zugang zu Talenten ist natürlich wichtig, aber ich bin mir sicher, dass die klügsten Köpfe auch weiter in London und Großbritannien leben, arbeiten und Erfolg haben können.

finanzwelt: Warum glauben Sie, dass London das FinTech-Zentrum Europas bleiben wird?

Lukies: Dass sich London zum führenden FinTech-Hub Europas und sogar der Welt entwickelt hat, ist kein Zufall. Nach dem katastrophalen Finanzcrash 2008 hatten Großbritannien und speziell London keine andere Wahl, als sich neu zu erfinden – aus einer Banken-Vergangenheit in eine FinTech-Zukunft zu steuern. Und es ist viel Mühe, Energie, Kapital und strategisches Denken darauf verwendet worden, die Alchemie und die richtigen Faktoren für ein optimales FinTech-Umfeld in London zu schaffen. Dass der Brexit Großbritannien zum Umdenken auch hinsichtlich unserer Rolle im globalen Handel zwingt, hat dazu geführt, dass ein noch stärkerer Fokus auf Fintech eine klare Strategie geworden ist, und deshalb hilft der Brexit der FinTech-Welt in London und auch in anderen britischen Sädten, und daran wird sich vorerst nichts ändern.

finanzwelt: Wir erleben eine Flut neuer Regulierungen. Auf der Veranstaltung vom britischen Department of International Trade (DIT) in Zusammenarbeit mit dem FinTech-Forum in Frankfurt war die Nachfrage nach den Dienstleistungen britischer FinTechs der RegTech-Branche groß. Sehen Sie dies als gute Gelegenheit für FinTechs, die Probleme zu lösen, mit denen große Institute konfrontiert sind?

Lukies: Regulierung kann zweierlei sein: ein Gegenwind, der den Fortschritt behindert, oder ein Rückenwind, der den Fortschritt vorantreibt. In Großbritannien haben wir das Glück, dass wir die Financial Conduct Authority (FCA) haben, die nicht als einzige, aber als eine von wenigen Regulierungsbehörden ein Mandat sowohl für die Aufsicht wie auch den Schutz der Branche hat, aber auch für den Wettbewerb: es sind schon viele neue Banklizenzen – Lizenzen für Challenger-Banken – vergeben worden, und die DSGVO, PSD2 und Open Banking haben auch zu einer Öffnung der Institutionen geführt. Wir haben ein sehr erfolgreiches „Sandkasten“-Verfahren1, das von der FCA im Rahmen des Project Innovate durchgeführt wird. Wie man sieht, können Regulierer, wenn sie aufgeschlossen sind und mit den Firmen zusammenarbeiten – den großen wie den kleinen, den alten wie den neuen – ein Wettbewerbsvorteil für ein Land sein, und ich denke, dass die britische Regierung in diesem Bereich der Regulierung, also RegTech, FinTech, InsurTech, weiterhin kooperativ sein wird, zum Wohl des eigenen Landes und der eigenen Bürger, aber vor allem aller Bürger der Welt, denn FinTech ist die letzte Etappe auf dem Weg, den 7 Milliarden Menschen unserer Erde Zugang zu Finanzdienstleistungen zu gleichen Bedingungen zu geben.

finanzwelt: Welche Chancen sehen Sie für die zukünftige Zusammenarbeit mit Partnern auf dem europäischen Festland, vor allem zwischen London und Frankfurt?

Lukies: London und Frankfurt hatten als zwei große Finanzzentren immer ein hervorragendes Verhältnis zueinander, und natürlich gibt es auch einen gesunden Wettbewerb. Trotzdem glaube ich, alle sind realistisch, egal, ob es nun weichen oder einen harten Brexit gibt: Großbritannien ist und bleibt ein wichtiger Akteur auf dem Finanzdienstleistungssektor und in der FinTech-Industrie, genau wie Frankfurt und Deutschland generell. Das Großartige an FinTech ist ja, dass es um Zusammenarbeit geht. Firmen, Staaten tun sich zusammen, große und kleine, alte und neue, und gründen neue Plattformen zum Nutzen der Gesellschaft auf der ganzen Welt. In der FinTech-Branche gibt es eine goldene Regel: Zehn Prozent einer großen Summe ist viel besser als 100 Prozent von gar nichts, und ich rechne damit, dass es hier zu noch mehr Fusionen und Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern kommen wird.

(lvs)