"Das FNG-Siegel hat für uns einen hohen Stellenwert"

09.12.2021

Frederik G. Hildner - Foto: © Salm-Salm & Partner GmbH

Kurz vor dem Jahreswechsel stehen die Investmentausblicke an. Frederik G. Hildner, Leiter Portfoliomanagement Salm-Salm & Partner GmbH, legt im Interview dar, wie er 2022 einschätzt, welche Bedeutung sein Haus dem FNG-Siegel beimisst und was für ihn persönlich aus dem ablaufenden Jahr in Erinnerung bleibt. Tipp: Lesen Sie in der aktuellen Printausgabe der finanzwelt ein weiteres interessantes Interview mit ihm. 

finanzwelt: Welches Ereignis hat Sie, mit Blick auf das Portfoliomanagement, in 2021 am meisten überrascht? Frederik G. Hildner: Die Vehemenz der Sektor-Rotation hat mich schon überrascht. Dass die jahrelang gebeutelten Value-Sektoren auch einmal ein gutes Jahr haben würden, stand außer Frage. Aber dass deren Kurse sich teilweise verdoppeln würden, hätte ich so nicht vermutet. Offenbar hängt dies damit zusammen, dass es doch nicht wenige Investoren und Ökonomen gibt, die derzeit an einen nachhaltigen Wechsel des Inflationsregimes anstelle einer vorübergehenden Entwicklung glauben. Wenn dem so wäre, könnten die Value-Sektoren vollkommen zurecht angesprungen sein und weiter attraktiv bleiben. Für mich zeichnet sich ein solcher Regimewechsel noch nicht ab, da das dafür nötige höhere Wirtschaftswachstum sich nicht auf Jahre hinweg begründen lässt. Möglicherweise werden die Zentralbanken die Inflation etwas einbremsen müssen, dies würde dann ebenfalls die Wirtschaft abkühlen. Insofern halte ich eine Rückkehr in das „prä-coronale“ Anlageumfeld derzeit für wahrscheinlich.

finanzwelt: Trauern Sie verlorenen Gelegenheiten hinterher oder sind Sie auch im laufenden Jahr vollends zufrieden? Hildner: Zufriedenheit ist ein gefährlicher Zustand, währt er zu lange, führt er in aller Regel zu Unzufriedenheit. Beide von uns betreuten Assetklassen, Aktien und Wandelanleihen, haben in diesem Jahr sehr unterschiedlich abgeschnitten. Die in diesem Jahr stark gelaufenen Sektoren (Banken, Autos, Stahl, Öl, Kohle und Gas) kommen im Universum der Wandelanleihen kaum vor, weshalb sich 2021 ein weniger starkes Bild als im Vorjahr ergibt. 2020 hat unser nachhaltiger Wandelanleihefonds sehr vom Trend zur Digitalisierung profitiert, der im Universum der Wandler stark repräsentiert ist, und das Jahr mit +19 % abgeschlossen. Begreifen wir diese beiden außerordentlichen Jahre als einen einzigen Mini-Zyklus und betrachten die durchschnittlichen Jahresrenditen, so waren die Ergebnisse für Wandelanleihen im mittleren einstelligen und für Aktien im zweistelligen Bereich. Somit ist das Gesamtbild der Partizipation von Wandlern zu Aktien stimmig, wenngleich sie auf der Zeitachse sehr ungleich verteilt war.

finanzwelt: Der DAX wankt, die deutsche Wirtschaft hat zur Jahreswende an verschiedenen Fronten zu kämpfen. Was dürfen wir nach Ihrer Meinung von 2022 erwarten? Hildner: Wir beschäftigen uns mit den Unternehmensgewinnen, um daraus auf das künftige Potential der Aktien schließen zu können. An der Börse wird diese einfache, aber effektive Methode kurzfristig oftmals von vielfältigen Unwägbarkeiten übertönt, weshalb ich mich jeglicher Jahresendprognosen verwehre. Allerdings halte ich viel vom Denken in Szenarien, weshalb ich in nachstehender Tabelle die heutigen Gewinnschätzungen für 2024 nutze, um sie mittels des Kurs-Gewinn-Verhältnis auf Szenarien zu projizieren.

  1. Pessimistisch: Rückgang KGV und erwartete Gewinne 2024 um je 10 %
  2. Konsens: KGV unverändert und Gewinne gemäß Prognose
  3. Optimistisch: Steigerung KGV und erwartete Gewinne um je 10 %.

Selbstredend ist jedwede andere Kombination dieser Faktoren in anderer Ausprägung möglich. Dennoch bekommt man durch die Szenario-Betrachtung ein gutes Gefühl für Potenziale und ihre Treiber.

Löschen Sie das optimistische Szenario bitte aus Ihrem Kopf! Es wird so schnell wohl nicht eintreten. Allerdings werden die Unternehmen, beispielsweise im S&P-500-Index, einen solchen Jahresgewinn früher oder später erreichen, vielleicht erst in fünf, sieben oder zehn Jahren. Selbst zu einem dann vorherrschenden, niedrigeren KGV von, sagen wir, 20 sprechen wir noch immer über rund 20 % Wertzuwachs gegenüber dem heutigen Niveau. Augenfällig ist, dass den Märkten mit aktuell eher günstigen KGVs auch ein entsprechend geringes Gewinnwachstum vorhergesagt wird und sie einem Rückgang der Bewertungen somit weniger gut standhalten als Märkte, die heute teurer, aber zugleich als ertragsstärker prognostiziert werden.

finanzwelt: Der Salm-Salm Sustainability Convertible Fonds wurde jüngst erneut mit dem FNG-Siegel und zwei Sternen ausgezeichnet. Welche Bedeutung messen Sie dem (FNG-)Siegel als Gradmesser bei? Hildner: Das FNG-Siegel hat für uns einen hohen Stellenwert. Im Gegensatz zur Offenlegungsverordnung ist das FNG-Siegel an die qualitative Bewertung eines Nachhaltigkeitsprozesses geknüpft und besitzt somit eine wertende Aussagekraft bei gleichzeitiger Garantie von Mindeststandards. Gleiches gilt für z.B. auch für das österreichische Umweltzeichen, mit dem unsere Fonds ebenfalls ausgezeichnet sind. Leider haben Teile der Branche die jüngste Regulierung offenbar missverstanden und die Einstufung nach Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung zum Qualitätssiegel für Nachhaltigkeit hochstilisiert. Dies war aber weder die Absicht noch ist es die Funktion der neuen Regulatorik. Hier geben die genannten Siegel einen besseren Einblick. Bezüglich der Klimabilanzen unserer Fonds haben wir schon vor vielen Jahren Maßnahmen ergriffen. Begonnen haben wir damals mit der Optimierung und dem Reporting des CO2-Fußabdrucks im Rahmen der Nachhaltigkeitsanalyse.

Seit nunmehr fünf Jahren analysieren wir die Erderwärmungsbeiträge unserer Einzeltitel und können die Paris-Accord-Konformität jedes Portfolios, dank unseres Klima-Research-Partners right.based on science, in Grad Celsius ausweisen. Pünktlich zur Weltklimakonferenz gehen wir noch einen Schritt weiter und traten jüngst der Net-Zero Asset Manager Initiative bei. Diese hat, neben dem langfristigen Ziel der Klimaneutralität im Jahre 2050, bereits zum Jahr 2030 eine Halbierung der Emissionen zur Grundlage und ist somit voll auf dem Pfad der Paris-Konformität, anstatt das Problem zu vertagen und im Jahr 2049 lösen zu wollen.

finanzwelt: Zu guter Letzt: Was hat Sie persönlich 2021 am meisten gefreut bzw. verärgert? Hildner: Sehr gefreut habe ich mich das Ausbleiben corona-bedingter Gesundheitsschäden im erweiterten Familien- und Bekanntenkreis. Warum nach zwei Jahren Pandemie in den Schulen und Kindergärten meiner Kinder noch keine einzige Maßnahme ergriffen wurde, abgesehen von aufgeklebten Laufwegen in den Fluren, kann und will ich nicht verstehen. (ah)