Corona ist eine temporäre Krise
09.04.2020
Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management / Foto: © J.P. Morgan
Die globale Corona-Pandemie stellt Wirtschaft und Finanzmärkte vor historische Herausforderungen. Die Unsicherheit hat die Volatilität im März sowohl an den Aktien- als auch an den Anleihenmärkten auf ein Niveau wie vor 12 Jahren, während der Finanzkrise, steigen lassen. Nach Ansicht von Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, lohnt ein Blick dorthin, wo COVID-19 als erstes zuschlug: „China ist uns bei der Bewältigung der Krise ein bis zwei Monate voraus und liefert sehr gutes Anschauungsmaterial, was wir wirtschaftlich noch zu erwarten haben.“
Chinesische Erfahrungswerte nutzen
Zwei Fragen stellen sich derzeit im Besonderen: Erstens, wie lange dauert die Krise und wie gravierend sind ihre wirtschaftlichen Folgen? Und zweitens, ob die Corona-Krise nach dem Crash im März nun bereits vollständig eingepreist ist. Die Antwort zur ersten Frage hängt laut Tilmann Galler einerseits von der Medizin ab und wie schnell es gelingt, einen Impfstoff, ein wirksames Medikament oder einen zuverlässigen Schnelltest zu entwickeln. Andererseits gilt es seiner Meinung nach zu beobachten, wie erfolgreich die fiskalischen und monetären Hilfspakete die drei wirtschaftlichen Schocks absorbieren können, die durch die inzwischen global verordneten Maßnahmen zur Einschränkung der sozialen Kontakte ausgelöst wurden: „Die globale Wirtschaft muss nun fast gleichzeitige Schocks verdauen: einen Angebotsschock, einen Nachfrageschock und einen Liquiditätsschock – das macht diese Krise so einzigartig und gefährlich“, ist der Experte überzeugt.
Ein Blick nach China sei in der aktuellen Situation aufschlussreich, weil das Land schon einige Wochen länger mit der Krise zu kämpfen hat und es entsprechend für verschiedene Bereiche schon Erfahrungswerte gibt. So führte der Ausbruch der Corona-Krise in den ersten beiden Monaten des Jahres zu einem Rückgang der chinesischen Industrieproduktion von 13,5 % im Vorjahresvergleich. Die Einzelhandelsumsätze sind sogar um 20,5 % gefallen. „Besonders von der Krise betroffen ist aber der Dienstleistungssektor – Hotellerie, Konzertveranstalter und Kinobetreiber mussten Umsatzrückgänge zwischen 78 und 96 % hinnehmen. Das Problem ist nun für viele Unternehmen, dass die Umsätze einbrechen, aber die Fixkosten bleiben“, stellt Tilmann Galler fest. Und das Liquiditätspolster vieler betroffener kleiner und mittelständischer Unternehmen sei relativ dünn. Eine Umfrage in China kam zum Ergebnis, dass bei rund zwei Drittel der Unternehmen die Liquidität für maximal zwei Monate reicht. „So führt der Angebots- und Nachfrageschock fast zwangsläufig zu Liquiditätsengpässen auf dem Finanzierungsmarkt, weil Unternehmen zur Liquiditätsbeschaffung ihre Kreditlinien ziehen oder es zu Kreditausfällen kommt“, sagt Galler.
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