China – Wie gefährlich sind Chinas Schulden?

22.12.2016

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Berichte und Warnungen über Schuldenprobleme Chinas geistern schon länger durch die Medien und gehören zum Standard-Arsenal der Crash-Propheten. Hintergrund ist der rasante Anstieg des Kreditvolumens in der chinesischen Wirtschaft. Die Pekinger Führung hatte im Gefolge der Krise von 2008/9 nach der Lehman-Pleite massiv gegengesteuert und damit eine Rezession im eigenen Land verhindert und zugleich der Weltwirtschaft wichtige Wachstumsimpulse geliefert. Vor allem lokale und regionale Behörden sowie die Staatsunternehmen wurden vor diesen Karren gespannt. Infrastrukturprojekte und Investitionsprogramme wurden angeschoben. Das Ganze wurde finanziert durch eine großzügig ausgeweitete Kreditgewährung durch die weit überwiegend staatlichen Banken.

Das gesamte Kreditvolumen wuchs nach Angaben eines IWF-Papiers 2009-2015 um durchschnittlich 20% pro Jahr und damit weitaus stärker als die Wirtschaft. Das Verhältnis von Kreditvolumen zum BIP legte in diesen Jahren von  150% auf 200% zu. Vergleiche mit den Kennzahlen und Erfahrungen anderer Länder aus der Vergangenheit deuten daher auf ein wachsendes Risiko einer Finanzkrise und liefert die Vorlagen für die Warnungen und Untergangsszenarien. Indes geht die Welt nicht tagtäglich unter und das Ende des Euro wird auch schon seit mehr als 10 Jahren prognostiziert – alle Jahre wieder.

Bei den Phantasien über den drohenden China-Crash werden zwei Punkte gerne ausgeblendet: China verfügt nach wie vor über enorme Reserven, mit denen Spekulationswellen abgewehrt werden können. Zudem hat der chinesische Staat keine nennenswerten Auslandsschulden und daher auch keine beachtlichen Zahlungsverpflichtungen, die außerhalb der chinesischen Jurisdiktion liegen. Kurz: Peking hat freie Hand, nach Gutdünken als ultima ratio eine Währungsreform durchzuziehen. Kurz: Die wenigen ausländischen Gläubiger können jederzeit aus der Portokasse abgefunden werden, die inländischen Adressen haben zu parieren. Ein Crash findet also nur statt, wenn, wann und wie die politische Führung es will. Wir erwarten: Sie will nicht.

Und selbst wenn der Krach käme, hätte China eine gute Startposition: Die Verschuldung der privaten Haushalte ist nach allen üblichen Maßstäben niedrig, ein Einbruch den Konsums (und das ist auch in China der größte Brocken der Nachfrage) wäre anders als in den USA 2008/9 unwahrscheinlich. Da müssen keine Schulden abgebaut werden, ein Großteil des laufenden Geschäfts ginge also weiter.

Dennoch ist das chinesische Schuldenproblem nicht von Pappe: Der Löwenanteil der zusätzlichen Verschuldung fiel bei den Unternehmen und zwar - was wohl kaum überrascht – bei den staatlichen Unternehmen, die ihre Fremdkapitalquote auf etwa 63% erhöht haben. Die privaten Unternehmen haben ihre Quote im gleichen Zeitraum sogar leicht zurück gefahren auf etwa 47%. Auf Grund der staatlichen Lenkung und der impliziten Staatsgarantien zahlen staatliche Unternehmen geringere  Zinsen.

Der Trend zum wachsenden Fremdkapital ging mit sinkenden Erträgen auf das Anlagevermögen (return on assets) einher. Der für den Schuldendienst aufzuwendende Anteil an den Erträgen (erfasst als EBIT) stieg von etwa 7% auf 20%. Das heißt: Die von der Politik losgetretene kreditfinanzierte Nachfrage muss einen wachsenden Schuldendienst bei sinkender Effizienz der Investitionen bezahlt werden. Diese Schere schneidet ins Kreditportfolio der Banken, die mit einer laufenden Verschlechterung der Kreditqualität und steigenden Quoten notleidender Kredite fertig werden müssen.

Ein großes Crash-Risiko Chinas sehen wir nicht, es droht aber ein Abrutschen auf immer flachere Wachstumspfade weil zu viele ineffiziente  Investitionen mitgeschleppt werden müssen samt Schuldendienst. Die politische Führung muss sich letztlich entscheiden, ob sie zugunsten ihres nicht zuletzt mithilfe der Staatsunternehmen umgesetzten Herrschaftsanspruchs weiterhin auf Wachstumschancen verzichten will. Neuer Schwung entsteht nur, wenn diese alten Lasten durch ordnungsgemäße Sanierungen oder Insolvenzverfahren beseitigt werden und weitere Reformen und Privatisierungen neue Anstöße schaffen. (mk)