China – graduelle Veränderungen, große Verunsicherung

11.08.2015

Kleine Veränderungen können an Märkten zu großer Verunsicherung führen. Die Abwertung des Renminbi in Höhe von 1,9 % ist so ein Beispiel.

Zumindest der Zeitpunkt der Währungsabwertung war überraschend. Allerdings liegt dies in gewisser Weise auch in der Natur der Sache, wenn eine Währung nicht frei handelt. China hat den Anspruch, die eigene Währung zu einer bedeutenden Handelswährung weltweit zu etablieren, schon länger formuliert und ein freierer Handel der Währung ist dafür von Bedeutung. Dennoch leitete sich daraus nicht zwingend eine derartige Abwertung zu diesem Zeitpunkt ab.

Wie geht es mit der Währung weiter? Die Antwortet lautet: In graduellen Schritten in Abhängigkeit von der Stärke des US-Dollars und der Höhe der chinesischen Exportüberschüsse. China befindet sich bekanntlich in einem Transformationsprozess der Wirtschaft. Das bisherige Wachstum basierte primär auf Investitionen in Bau- und Infrastrukturprojekten sowie einem starken Export, der auf günstiger Produktion beruht. Nunmehr soll die Wirtschaft stärker vom Export höher wertiger Produkte leben. Dafür sollen die Löhne und der Lebensstandard steigen. Dies soll maßgeblich dazu führen, dass die Konsumausgaben steigen und sich die Wirtschaft zunehmend zu einer Dienstleistungsgesellschaft entwickelt. Leider bedeuten steigende Löhne aber auch einen Rückgang in der Wettbewerbsfähigkeit. Zudem war die Bindung des Renminbi an den US-Dollar zuletzt wenig hilfreich, weil dieser stark aufgewertet hat. Somit wurde auch die chinesische Währung teurer. Für China bleiben Exporte aber ein wichtiger Eckpfeiler der Wirtschaft. Da gleichzeitig Lohnwachstum und Beschäftigung wichtige Bestandteile des Transformationsprozesses der Wirtschaft sind, gibt es hier keinen Spielraum. Stattdessen gibt es die Möglichkeit, die Zinsen weiter zu senken und eine expansive Geldpolitik einzuschlagen oder die Währung abzuwerten. Klar ist dabei, dass (1) eine kleine Abwertung von 1,9 % keinen großen Unterschied macht und (2) es sich somit eher um eine Trendwende handeln sollte. Die Währung ist neben der Geld- und Fiskalpolitik ein Baustein. Abgesehen vom Timing, sollte der Schritt die Märkte eigentlich nicht komplett überrascht haben, weil er nachvollziehbar ist.

Warum sind die Auswirkungen an den Märkten so groß? China ist weltweit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor und zwei Sorgen bestimmen die Märkte: (1) Die schwächelnde chinesische Wirtschaft in Verbindung mit einer etwas schwächeren Währung vermindert die Export- und Gewinnchancen von Unternehmen, für die China ein wichtiger Absatzmarkt ist. (2) Wenn China weiter abwertet, könnte damit auch Deflation, d. h. Preisdruck, exportiert werden. Dieser könnte das Wachstum weltweit belasten. Folgerichtig gingen die Renditen für US-Staatsanleihen zurück.

Ist die Marktreaktion berechtigt? Die Antwort lautet nein. An dieser Stelle sei allerdings klar gesagt, was wir bereits mehrfach in der Vergangenheit betont haben: China wird in Zukunft langsamer wachsen müssen und steht in der Tat vor großen Herausforderungen. Die zunehmenden Überraschungen in der chinesischen Finanzpolitik zeigen auch, dass die Souveränität der Führung aus der Vergangenheit gebrochen ist. Dennoch sind alle Probleme und erkannt und benannt. Lediglich ergeben sich daraus nicht automatisch leichte oder schnelle Lösungen. Ein langer Weg mit vielen Entscheidungen – begleitet von gelegentlichen Fehlentscheidungen – steht bevor. Das bedeutet aber nicht, dass China vor Chaos oder totaler Stagnation steht. Es gibt immer noch sehr viele Möglichkeiten in dem Land sinnvoll zu investieren und vor allem auch zu reformieren. Auch das viel zitierte Wachstum der Mittelschicht sollte weitergehen, wenn auch langsamer. Damit bleibt China auf lange Sicht ein wichtiger Absatzmarkt, der lediglich an Wettbewerbsintensität zunimmt.

Großer Aktienmarktrückgang oder Kaufgelegenheit? Letztlich hat die Währungsabwertung den Blick der Märkte auf ein Risiko gelenkt, das eigentlich bekannt sein sollte. Kurzfristig ist es dennoch schwer einzuschätzen, wie lange die Verunsicherung an den Märkten anhält. Einerseits wird dieses Jahr eine Zinserhöhung in den USA erwartet und anderseits zeigten die Wirtschaftsdaten aus den USA zuletzt zwar in die richtige Richtung, lagen teilweise aber unter den Erwartungen. Weitere schlechte Nachrichten aus einem so wichtigen Land wie China kamen zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Dennoch muss mit etwas Abstand festgestellt werden, dass sich die US-Wirtschaft weiter solide entwickelt und die Eurozone ebenfalls weiter auf dem Weg der Erholung ist. Ferner könnten im zweiten Halbjahr auch die bisher ergriffenen geldpolitischen Maßnahmen in China zyklisch stabilisierend wirken. Weil gleichzeitig der erste Zinserhöhungsschritt in den USA schon sehr lange angekündigt und erwartet wird, sollten gute Wirtschaftsdaten an der Börse nunmehr positiv aufgenommen werden. Ohne ein exaktes Timing wagen zu wollen, so halten wir den deutlichen Marktrückgang eher für eine Kaufgelegenheit.

Welche Anlageklassen sind interessant? Wir halten an unserer positiven Einschätzung für europäische Aktien fest. Mit Blick auf die kommenden Monate könnten aber auch Schwellenländerinvestments wieder interessanter werden. Schwellenländeranleihen und –Aktien waren in diesem Jahr schlechte Investments. Zum einen belastete die anstehende Zinswende in den USA. Zum anderen gab es viele schlechte Nachrichten aus wichtigen Ländern wie China, Brasilien und Russland. Etliche kleinere Schwellenländer wie z. B. Puerto Rico, Venezuela oder die Ukraine sorgten ebenfalls immer wieder für negative Schlagzeilen. Dafür sollten die Spreads (Risikoprämien) bei Schwellenländeranleihen die Risiken allerdings zunehmend besser vergüten. Im Aktienbereich profitiert Indien maßgeblich von fallenden Rohstoffpreisen und ist ein Kaufkandidat. Wer an langfristiges Wachstum glaubt, sollte auch nicht vergessen, dass inflationäre Anlagen am günstigsten zu kaufen sind, wenn es deflationäre Sorgen gibt. Hier scheint aber zugegeben keine große Eile geboten.

Bei Meritum Capital bleiben wir unserer strategischen Allokation treu und gehen den Weg der kleinen antizyklischen Schritte.

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Autor: Jan Meister, Geschäftsführer Meritum Capital Managers GmbH_