ChatGPT macht (nicht nur) Berater denkfaul!
31.08.2023
Foto: Bernhard Kuntz
Berater durchdenken Themen oft nicht
Nicht selten wären die Texte, wenn wir sie ohne eine neue inhaltliche Fokussetzung Fachzeitschriften anbieten würden, aus deren Sicht sogar ein absoluter Blödsinn – zum Beispiel, weil in ihnen nicht reflektiert wird, dass
- Kleinunternehmen weniger Ressourcen als Konzerne haben
- und die Logistikbranche beispielsweise ganz anders als die Finanzbranche tickt,
weshalb für viele Probleme auch unterschiedliche Lösungen erforderlich sind. Das heißt, in den Artikeln erfolgt keine Differenzierung, obwohl sich gerade darin die Expertise eines Beraters zeigt.
Hierfür ein Beispiel: Vor einigen Wochen bat uns ein auf KMU spezialisierter Personalberater, der offensichtlich auch irgendwo gelesen hatte, „Der KI gehört die Zukunft“, für ihn einen Artikel zum Thema „KI-Einsatz im Personalauswahlprozess“ zu schreiben. Nachdem ich ihn gebeten hatte, mir diesbezüglich einige Stichworte zu senden, erhielt ich kurze Zeit später einen etwa 30 Zeilen langen Text. In ihm wurde ein möglicher KI-Einsatz im Personalauswahlprozess zur Bewerbervorselektion beschrieben – ohne jeglichen Bezug auf Klein- und Mittelunternehmen.
Dabei hatte mir der Berater im Vorfeld erzählt, die meisten seiner Kunden kämpften aktuell mit folgendem Problem: Auf Stellenausschreibungen von ihnen melden sich, wenn überhaupt, maximal ein, zwei Bewerber und deshalb müssen sie mangels Alternative, um ihre Arbeitsfähigkeit zu bewahren, oft auch Bewerber einstellen, die ihre Anforderungen nur partiell erfüllen. Als ich den Berater anrief und fragte, welchen Nutzen in einer solchen Arbeitsmarktsituation KMU ein KI-System zur Vorselektion von Bewerbern biete, lautete seine Antwort nach einem kurzen Nachdenken: „Eigentlich keinen – wenn nur ein Bewerber vor der Tür steht …“
Berater kauen oft Phrasen und Klischees wieder
Ähnlich erging es mir, als wir für ein größeres Beratungsunternehmen einen Artikel zum Thema „Generationenübergreifende Zusammenarbeit“ schreiben sollten. In der Textvorlage, die ich erhielt, wurde der Eindruck suggeriert: Das Gros der Mitarbeitenden und Führungskräfte der Unternehmen sind auch heute noch Digital Immigrants, die mit der IT auf Kriegsfuß stehen und starke emotionelle Vorbehalte gegenüber IT-Lösungen haben, woraus Probleme in der Zusammenarbeit mit den Digital Natives resultieren.
Als ich daraufhin den Textlieferanten fragte, inwieweit dies heute noch zutreffend sei, da inzwischen viele Angehörige der in dem Artikel zitierten Generationen X und Y ja schon 35 oder gar 40 Jahre alt seien und nicht selten seit Jahren schon zu den Leistungsträgern in den Unternehmen zählten, lautete seine Antwort: „Damit könnten Sie recht haben.“ Offensichtlich hatte er jedoch noch nie darüber nachgedacht, inwieweit diese vor ein, zwei Jahrzehnten gültigen Klischees heute noch stimmen. Also störten sie ihn auch im Textentwurf von ChatGPT nicht.