Chance für mittelgroße Versicherer

19.08.2015

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Die großen Versicherer investieren schon seit längerem in renditestarke Infrastrukturprojekte. Bald könnten kleine und mittelgroße Assekuranzen nachziehen. Der Grund sind veränderte Regelungen zur Eigenkapitalunterlegung.

(fw) Die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA und die EU-Kommission planen, die Rahmenbedingungen für Investments von Assekuranzen in Infrastrukturprojekte wesentlich zu verbessern. „Es gibt substantielle Neuerungen, von denen vor allem kleine und mittelgroße Versicherer profitieren dürften“, sagt Aaron Konrad, Analyst für Alternative Investmentfonds bei Scope Ratings.

Kern der neuen Regelung: Ursprünglich sollten Assekuranzen verpflichtet werden, bis zu 59 % ihrer Investments in Infrastrukturprojekte mit Eigenkapital zu unterlegen. Nun hat die EIOPA der EU-Kommission empfohlen, diese Quote auf 30 bis 39 % zu reduzieren, was vor allem kleinen und mittelgroßen Versicherungen und Pensionskassen helfen würde. Denn die großen Versicherer betreiben ohnehin eigene Risikomodelle zur Berechnung der Eigenkapitalunterlegung und müssen deshalb deutlich weniger Eigenmittel als andere Versicherer für Investments in diese Assetklasse vorhalten.

Langfristig hoher Investitionsbedarf

Die Nachfrage der Versicherer nach Infrastrukturinvestments stößt langfristig auf großen Bedarf: Laut EU Kommission beträgt der Investitionsbedarf bis zum Jahr 2018 rund 1 Bio. Euro. Das europäische Parlament hat im Sommer reagiert und den so genannten Juncker-Fonds ins Leben gerufen. Die EU will mit diesem Förderprogramm Investitionen in Infrastrukturprojekte mit einem Volumen von 315 Mrd. Euro anschieben. „Der Kapitalbedarf dieser Projekte geht aber weit über die bereitgestellten Fördergelder hinaus. Die öffentlichen Haushalte können ein solches Investitionsvolumen nicht alleine stemmen. Daher werden sich für mittelständische Versicherer Chancen ergeben, sich an solchen Investments zu beteiligen“, sagt Konrad.

Bislang kommen bei Investitionen in Straßen, Energienetze, Kraftwerke und Krankenhäuser vor allem die großen Versicherungskonzerne zum Zug, die große Erfahrung mit der Finanzierung von Infrastrukturprojekten haben. Zum Beispiel hat die Allianz gerade gemeinsam mit anderen Großinvestoren den Zuschlag für die Finanzierung des neuen Londoner Abwassersystems mit einem Volumen von 4,2 Mrd. Pfund bekommen und sich dabei gegen viele andere Bieter durchgesetzt.

Kleinere Versicherer investieren hingegen vornehmlich über Fonds in Infrastrukturprojekte, da sie häufig nicht über die erforderliche Fach-Expertise und Größe für Direktinvestitionen verfügen.

Derzeit mehr Nachfrage als Angebot

Auch wenn der Investitionsbedarf langfristig immens ist: Derzeit ist die Nachfrage nach Infrastrukturinvestments deutlich höher als das Angebot. Unter institutionellen Investoren sind vor allem Versicherer und Pensionskassen auf der Suche nach renditestarken Anlagen, die regelmäßige Erträge abwerfen. Schließlich müssen sie regelmäßig Renten und Zinsen auszahlen und brauchen entsprechend stabile und langfristige Cash Flows und Renditen oberhalb der gering verzinsten Staats- und bonitätsstarken Unternehmensanleihen.

Genau das bieten Infrastrukturinvestments: Die erzielbaren Renditen sind deutlich höher als bei Staatsanleihen. Die Erträge aus Gebühren und Nutzungsentgelten einigermaßen stabil. Das Verlustrisiko ist zumindest bei Projekten mit staatlicher Beteiligung in der Regel gering. „Das Spektrum an Risiko-Rendite-Profilen für einzelne Investments ist jedoch breit gefächert“, sagt Scope-Analyst Konrad. Klassische Infrastrukturinvestments wie Mautstraßen und Spitäler, bei denen auch die öffentliche Hand beteiligt ist, werfen häufig weniger Rendite ab als rein privat finanzierte Windparks, bei denen auch Risiko und Ertragsschwankungen entsprechend größer sind.

Ein weiterer Vorteil der für kleine Assekuranzen noch recht neuen Anlageklasse: „Infrastrukturinvestments korrelieren nur gering mit Aktien- und Anleihemärkten und eignen sich daher gut zum Diversifizieren“, sagt Konrad.

Kapitalmarkt statt Bank

Noch ein Umstand könnte helfen, mittelgroße Versicherer als Investoren für Infrastrukturprojekte zu etablieren: Die Dominanz klassischer Kredite bei Infrastruktur-Projekten sinkt, weil Banken infolge von Basel III deutlich weniger an der Vergabe lang laufender Darlehen interessiert sind. „Die Bedeutung des Kapitalmarktes wächst entsprechend stark“, sagt Konrad. Der Scope-Analyst beobachtet, dass Finanzierungsvehikel wie auf Infrastrukturprojekte spezialisierte Kredit- und Investmentfonds wichtiger werden. Zu Beginn des dritten Quartals 2015 waren global 151 ungelistete Infrastrukturfonds mit einem Zielinvestitionsvolumen von 97 Mrd. US-Dollar im Markt aktiv, so der Datenbieter Preqin. Davon wollen die Fonds mit 40 Mrd. US-Dollar den Großteil in europäische Infrastruktur investieren. Dies entspricht dem höchsten Zielinvestitionsvolumen seit 2007.

Off-Shore Wind mit großem Potenzial – aber auch Risiken

Investoren interessieren sich auch zunehmend für neue Subsektoren, die innerhalb der Anlageklasse entstehen, zum Beispiel für so genannte „Off-Shore“-Windanlagen auf See. Investoren können mit diesen Anlagen langfristige, stabile Cash Flows erzielen und die Risiken dank wachsender Erfahrung in dem Segment immer besser einschätzen. Finanzinvestoren wie Macquarie Capital und PGGM haben seit Jahresbeginn bereits mehr als 5 % der angeschlossenen Anlagen finanziert. Und der Markt wächst stark, im ersten Halbjahr 2015 gingen in Europa laut EWEA doppelt so viele Anlagen ans Netz als noch im Vorjahr, davon mehr als 70 % in Deutschland – genügend Strom, um bis zu 2,4 Millionen Haushalte zu versorgen. Damit hält die Dynamik im Markt an, die Zahl der Installationen steigt seit 2007 exponentiell.

Der Attraktivität dieses Segments stehen allerdings auch Risiken entgegen, die Investoren einkalkulieren müssen. So kann beispielsweise der durchschnittliche Windertrag von Jahr zu Jahr Schwankungen von bis zu 15 % unterliegen. Die größten Risiken dieser Assetklasse liegen jedoch nicht im Betrieb, sondern in der Bauphase. Denn die Projektentwicklungen sind komplex und dauern vergleichsweise lange. Die noch junge Branche befindet sich in einem Reifeprozess. Die Projektentwicklungsrisiken sind daher vor allem im Vergleich zu On-Shore Windanlagen noch wesentlich höher. Dies ist ein wesentlicher Grund, weshalb die meisten institutionellen Investoren derzeit erst in der Betriebsphase in die Projekte einsteigen.

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