Börsengänge: Keine Chance ohne Risiko
18.06.2018
Thomas Hünicke geschäftsführender Gesellschafter WBS Hünicke Vermögensverwaltung GmbH / Foto: © WBS Hünicke Vermögensverwaltung
Ein Initial Public Offering (IPO) – oder zu gut Deutsch ein erstes öffentliches Angebot an der Börse kann für den Anleger eine Chance auf Kursgewinne sein. Das Invest in den Börsenneuling kann sich aber auch als sehr riskant entpuppen und ein Minusgeschäft werden. Deshalb sollten Anleger, die diesen Schritt wagen sich vorher genau über das Unternehmen und Branche informieren, um später auf der Seite der Gewinner zu stehen.
Die Zahl der Börsengänge ging zwar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 27 Prozent auf 287 zurück, das Emissionsvolumen stieg aber um 28 Prozent von 33,6 auf 42,8 Milliarden US-Dollar. Zugleich stiegt die Zahl der Börsengänge mit einem Emissionsvolumen von mehr als eine Milliarden US-Dollar im Vergleich zum ersten Quartal 2017 von zwei auf sechs. Das meldet die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und Unternehmensberatung Ernst & Young in ihrem weltweiten IPO-Barometer fürs erste Quartal. Und weiter heißt es: Es spreche daher einiges dafür, dass das IPO-Fenster in diesem Jahr immer wieder geöffnet sein werde. In Deutschland seien bis zu 18 Börsengänge in diesem Jahr realistisch.
Können Anleger von diesen Börsengängen profitieren oder sollten sie lieber auf gepflegte Langeweile mit altbekannten Werten setzen, die ihre Substanz schon nachgewiesen haben? Sowohl als auch: Denn viele Unternehmen legen im Zuge der Emission einen ordentlichen Sprung hin. Ein Beispiel aus Deutschland ist Siemens Healthineers; unter dem Markennamen sind die medizintechnischen Aktivitäten der Siemens AG zusammengefasst. Für das Unternehmen hat am 16. März dieses Jahres die Glocke geläutet, seitdem (Stand: 11. Juni) hat Siemens Healthineers fast 21 Prozent an Wert hinzugewonnen. Stemmer Imaging aus Österreich, ein Spezialist für die industrielle Bildverarbeitung, hat sogar seit Mitte Februar um rund 36 Prozent zugelegt.
Das mag man nun als kurzfristigen Effekt abtun, gewiss. Aber auch Daten über zwölf, 18 oder 24 Monate zeigen, dass Börsenneulinge den Weg nach oben beschreiten können. Der Batteriehersteller Varta (38,5 Prozent, alle Werte gerundet), der Reifenhersteller Pirelli (10,5 Prozent), der Online-Lieferdienst Delivery Hero (52 Prozent), das Energieunternehmen Uniper (156 Prozent): Sie alle haben den Investoren viel Freude bereitet.
Dass es auch andersherum gehen kann, zeigen hingegen Werte wie das Reiseunternehmen Trivago, der Windkraftanlagenbauer Senvion oder auch das Technologie- und Social-Media-Unternehmen Snap: Investoren haben bei diesen Aktien im Vergleich zur Emission zwischen 41 und 63 Prozent eingebüßt.
Was haben Anleger also zu tun, um echte Chancen bei Börsengängen aufzutun? Wenn sie großes Vertrauen in ein Unternehmen setzen und sie die Zukunftsaussichten und Marktpotenziale einschätzen können, ist der Weg über die Zeichnung direkt zum Börsenstart denkbar und ein guter Weg, Gewinne einzustreichen. Wer eher zurückhaltenden agieren möchte, wartet den Börsenstart ab und steigt ein, wenn sich der mögliche Hype nach der Emission ein wenig beruhigt hat und absehbar ist, wie sich ein Wert langfristig entwickeln wird. Ein wenig Geduld kann also vermutlich nicht schaden. Trivago zum Beispiel war bei zwölf Euro gestartet und stand im Sommer 2017 bei knapp 21 Euro pro Aktie. Heute sind es 4,42 Euro. Trivago ist in der Börsenrealität angekommen.
Es gilt also, Börsenneulinge und Ankündigungen für Neuemissionen genau zu beobachten und sich zu fragen, ob ein Wert wirklich ins Depot und in die langfristige Strategie passt. Wenn die wichtigen Fragen positiv beantwortet werden, steht der Investition erst einmal nichts im Weg. Aber dann sollte auch ein frischer Wert genauso behandelt werden wie jede andere Aktie auch.
Kolumne von Thomas Hünicke, geschäftsführender Gesellschafter der unabhängigen WBS Hünicke Vermögensverwaltung GmbH aus Düsseldorf