Blindes Vertrauen

29.05.2014

Foto: © kantver - Fotolia.com

Für den Fall, nach einem Unfall oder einer Krankheit nicht mehr arbeiten zu können, setzt ein Großteil der Berufstätigen auf die Sozialversicherung und private Rücklagen. Auch weil private Berufsunfähigkeitsversicherungen als zu teuer erscheinen – oder die Leistung infrage gestellt wird.

Das wirkt sich negativ auf den Umsatz der Policen und auf das Neugeschäft der Vermittler aus. Deshalb kommen zunehmend alternative Konzepte auf den Markt. Aber nicht jeder Versicherer ist überzeugt von solchen Policen.

Dass die Lebensversicherer vor einigen Jahren das Zeitalter der Absicherung biometrischer Risiken ausgerufen haben, ist sicherlich den im Altersvorsorgegeschäft weitgehend stagnierenden oder gar rückläufigen Neuabschlüssen geschuldet. Es gibt aber noch zwei ganz andere Gründe: der Niedrigzins und Solvency II. Schließlich fährt die Branche Jahr für Jahr allein mit der Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos stattliche Gewinne ein. Und die bekommen angesichts der Zinssituation und der sich verschärfenden Eigenkapitalanforderungen eine immer größere Bedeutung. Zwar steigt der Bestand an Selbstständigen-Berufsunfähigkeitsversicherungen kontinuierlich, allerdings noch auf niedrigem Niveau. Nicht mal vier Mio. Verträge mit 2,6 Mrd. Euro Gesamtprämie standen Ende 2013 in den Büchern der Anbieter. Gleichzeitig sinkt jedoch der Anteil der Zusatzabsicherungen. Gut 13 Mio. Verträge sorgten in diesem Bereich im vergangenen Jahr für Beitragseinnahmen in Höhe von nur rund 5 Mrd. Euro.

Unterm Strich stagniert das gesamte BU-Geschäft seit 2004. Eine Marktsättigung von nur rund 25 % für eine der wichtigsten Absicherungen überhaupt ist nicht gerade erfreulich. Schließlich haben Vermittler mit der völlig unzureichenden Absicherung vor allem junger Menschen seitens der gesetzlichen Rentenversicherung ein unschlagbares Argument zur Hand. Doch vor Ort bei ihren Kunden stoßen sie häufig auf pures Desinteresse oder beeindruckende Realitätsferne. Dies zeigt die gerade von der Gothaer in Kooperation mit dem F.A.Z-Institut vorgelegte Studie „Biometrische Risiken 2014". Für den Fall einer Berufsunfähigkeit oder Invalidität verlassen sich danach 74 % der Erwerbstätigen auf Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung. Nach den Statistiken der Deutschen Rentenversicherung wurde 2012 an Männer in den alten Bundesländern aber nur eine durchschnittliche Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von 647 Euro gezahlt, im Osten der Republik waren es gar nur 578 Euro. Die Leistungen für Frauen lagen mit 571 Euro im Westen und 619 Euro im Osten ebenfalls nicht auf in Notsituationen akzeptablem Niveau.

Ähnlich weltfremd wie die Hoffnung auf umfassenden staatlichen Beistand mutet ein weiteres Ergebnis der Studie an: Insgesamt 48 % der Befragten setzen auf private Ersparnisse, erst an dritter Stelle folgt der zusätzliche Versicherungsschutz. Geht es nach der Umfrage, scheint vor allem die junge Generation finanziell auf Rosen gebettet, nennen doch 57 % der zwischen 18- und 29-Jährigen eigene Geldrücklagen als besonders sicheres Polster. Dabei scheinen sie sich über die tatsächliche Tragweite von Berufsunfähigkeit, die übrigens – statistisch gesehen – in immer jüngeren Jahren und hier vor allem psychisch bedingt auftritt, nicht im Mindesten im Bilde. Genau dort aber wartet auf Vermittler eine aufklärerische Herkulesaufgabe, wie Christoph Laarmann, Vorstand der Barmenia Lebensversicherung, erläutert: „Das Risiko einer Berufsunfähigkeit besteht während des gesamten Berufslebens. Durch einen Unfall oder eine Krankheit können bereits junge Menschen schnell auch zum Pflegefall werden. Hinzu kommt, dass in unserer alternden Gesellschaft das Risiko steigt, pflegebedürftig zu werden. Die Entwicklung ist alarmierend. Und das muss den Menschen aktiv vermittelt werden." Sein Unternehmen habe auf die Entwicklung reagiert und mit der „Barmenia BU PflegePlus" ein Produkt entwickelt, das doppelt sichere: gegen die finanziellen Folgen einer Berufsunfähigkeit und zugleich gegen die finanziellen Folgen einer Pflegebedürftigkeit.

Allerdings hat es der Vertrieb auch nicht einfach. Denn ihm schlägt allzu häufig Kritik am privaten BU-Schutz entgegen. Er sei in vielen Berufen zu teuer, Versicherungsschutz oft nur mit Zuschlägen oder Risikoausschlüssen zu haben, Leistungsanträge würden verschleppt oder mit haarsträubenden Begründungen zurückgewiesen.

Ohnehin ist es mit der starren Fixierung auf die BU als allein seligmachender Lösung nicht getan. Es kommen zunehmend neue Produkte auf den Markt. Wie etwa die funktionelle Invaliditätsabsicherung, die Versicherung gegen den Verlust von Grundfähigkeiten und die Dread Disease Absicherung, die sich wegen der abschließbaren, hohen Kapitalzahlungen vor allem für Freiberufler und Selbstständige lohnt. Makler müssen Kunden aus diesem Segment schon zur Vermeidung von Fehlberatung auf eine solche Vertragsmöglichkeit hinweisen.

Neuerdings scheint sich ein Trend abzuzeichnen, unterschiedliche Risiken in Kombiprodukten zu bündeln und alternativ zur reinen BU anzubieten. Eines davon kommt vom Liechtensteiner Anbieter PrismaLife, wie dessen CEO Markus Brugger erläutert: „Bei Menschen mit einem risikoreichen Beruf übersteigen Berufsunfähigkeitsversicherungen meistens die finanziellen Möglichkeiten. Doch aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeiten sind diese Menschen gerade auf einen bezahlbaren Basis-Risikoschutz für ihre Arbeitskraft angewiesen. CARDEA safety first bietet einen solchen Basisschutz, der je nach Lebenssituation und Vorsorge-Budget durch Zusatzbausteine erweitert werden kann." In dem unter der Marke CARDEA.life vertriebenen Basis-Paket sind Unfallinvalidität, Pflegebedürftigkeit, schwere Krankheiten, Verlust von Grundfähigkeiten und Tod abgesichert. Darüber hinaus bietet die Zusatzversicherung „BU plus" Schutz gegen Berufsunfähigkeit. Laut Brugger hat das Konzept für den Vertrieb einen besonderen Vorteil: „Ein weiterer wesentlicher Aspekt für Makler ist neben einer guten Produktlösung die Haftungssicherheit. Bei einer Multiriskpolice ist er auf der sicheren Seite, denn er hat in der Beratung die existenziellen Risiken mit seinen Kunden nachweislich besprochen."

Natürlich hat die in der Branche immer beliebtere Bündelung mehrerer Risiken in einer Police zusätzliche Vorteile. Da Doppelabsicherungen ausgeschlossen werden, kommt es automatisch zu Preisvorteilen für die Kunden. Darüber hinaus muss im Versicherungsfall nicht erst lange gesucht und verhandelt werden, wer für den Leistungsantrag zuständig ist. Auch die LV 1871 hat vor wenigen Wochen mit „Golden IV" ein Alternativprodukt auf den Markt gebracht. Vertragspartner dabei ist aber nicht die LV 1871 selbst, sondern ihre Tochtergesellschaft TRIAS Versicherung in Kooperation mit dem Kompositversicherer BGV. Die nun aufgelegte funktionelle Invaliditätspolice leistet beim Verlust von Grundfähigkeiten, etwa Heben oder Tragen, sowie bei bestimmten Erkrankungen oder Unfallfolgen sofortige Kapitalzahlungen. Darüber hinaus wird bei Pflegebedürftigkeit oder schweren organischen Krankheiten eine Rente gezahlt. Das Produkt gibt es in einer Klassik- und einer Exklusiv-Variante.

Dass es ganz ohne BU als eigenständigem Konzept aber auch nicht geht, zeigt ganz aktuell Canada Life. Bislang ein Verfechter der Grundfähigkeits-Absicherung und eines ganzheitlichen Beratungsansatzes, bei dem die BU nicht unbedingt der Königsweg ist, hat das Unternehmen nun eine BU ins Produktportfolio aufgenommen. Günther Soboll, Hauptbevollmächtigter des Unternehmens in Deutschland, begründet diesen Schritt: „Wir möchten uns in Deutschland als Risikospezialist positionieren, der Lösungen für die unterschiedlichsten Kundenbedürfnisse bietet. Unseren neuen BU-Schutz sehen wir dabei als wichtiges Puzzle-Stück: Er sichert die konkreten beruflichen Fähigkeiten der Kunden ab, während Schwere-Krankheiten-Vorsorge und Grundfähigkeitsversicherung bei schweren körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen greifen." Auch andere Gesellschaften positionieren sich noch deutlicher in der Berufsunfähigkeitsversicherung, etwa der VOLKSWOHL BUND mit seiner neuen Versorgungsgarantie. Hierzu erklärt Vertriebsvorstand Dietmar Bläsing: „Mit der Versorgungsgarantie fängt unsere BU kommende Karrieresprünge des Kunden noch besser auf. Bei jeder Gehaltserhöhung ab 5 % kann der Kunde seine BU ohne Gesundheitsprüfung anpassen – zusätzlich zu den bereits bestehenden Erhöhungsmöglichkeiten. Diese Erweiterung haben wir nach zahlreichen Gesprächen mit Vertriebspartnern entwickelt." Der Bedarf sei hoch, denn viele Vertriebspartner berieten unter anderem Kunden, deren Gehaltsentwicklung absehbar nicht bei 2.500 Euro – der bisherigen BU-Maximalhöhe – zu Ende sein werde. Bläsing: „Erste Reaktionen aus Maklerkreisen sind absolut positiv." Ganz auf Alternativen verzichten will überdies Biometriespezialist Dialog. Den Grund nennt Rüdiger R. Burchardi: „Derartige Alternativen entsprechen nicht unserem Portfolio. Wir bieten in der Berufsunfähigkeit und in der Erwerbsunfähigkeit eine umfassende und hochwertige Absicherung, weil dies dem Bedarf in der Bevölkerung entspricht." (hwt)

BU-Alternativen - Printausgabe 03/2014