Bestechende Argumente

09.04.2015

Der demografische Wandel ist die zentrale Herausforderung der kommenden Generationen. Der Anteil der über 60-Jährigen wird von aktuell 27 % auf 36 % im Jahre 2030 steigen. Vielerorts existiert ein Mangel an altersgerechtem Wohnraum. Betreiber solcher Einrichtungen sind in einer attraktiven Marktnische, deren Dynamik ungebrochen ist. In der Assetklasse Pflegeimmobilien können Renditen erzielt werden, die derzeit deutlich über jene traditioneller Assetklassen liegen.

Die Kernzielgruppe für besonderen Betreuungs- und Wohnraumbedarf sind die über 80-Jährigen, deren Zahl künftig massiv zunehmen wird. Wer nicht zu Hause versorgt werden kann, wird in einem Pflegeheim betreut. 2012 waren fast 800.000 Menschen in einem Heim untergebracht; ein Anstieg um 30.000 zum Jahr 2009. Die Pflegequote ist stabil. Sie lag gemäß einer Ernst & Young Studie bei den 65-Jährigen um ca. 4,5 %, bei den 80-Jährigen um die 19 %.

Der Markt für Pflegeimmobilien gehört zu den interessantesten

Wachstumsmärkten, doch trauen sich nur wenige

Investoren an diese Assetklasse heran.

Der Bedarf an vollstationärer Versorgung nimmt zu und folglich auch die Zahl an Pflegeheimneubauten. Dabei sind Pflegeimmobilien im Gegensatz zu anderen Immobilienanlageklassen weniger konjunkturabhängig und noch weitgehend ein Nischensegment. „Pflegeimmobilien sind aus meiner Sicht für den Anleger im Bereich Teileigentum ein noch wenig bekanntes Investitionssegment. Für Pensionskassen, Fonds und Versicherungen sind Pflegeimmobilien schon seit vielen Jahren ein sehr beliebtes und konservatives Anlagesegment“, sagt Frank Winkel, Geschäftsführer der WI-IMMOGroup. Dem pflichtet Björn Peickert, Geschäftsführer SachwertPartner Immobilienvermittlungs GmbH, bei und ergänzt: „Bedingt durch den demografischen Wandel, der tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen mit sich bringt, stellen wir einen hohen Bedarf im Bereich der Pflegeimmobilien fest. Kaum eine Entwicklung wird Deutschland in den kommenden Jahren so prägen wie der demografische Wandel, insofern sprechen wir von einem langfristigen nachfragegetriebenen Trend.“

Der festzustellende Nachfragezuwachs stellt die Pflegeimmobilienbranche vor diverse Herausforderungen.

Einer Studie des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zufolge sind die Auslastung und die damit einhergehende Nachfrageentwicklung aber nicht unbedingt standortabhängig. Zwar zeigten sich Auslastungschancen in Metropolregionen wie Berlin, Hamburg oder München generell am höchsten. Aber auch Regionalzentren, darunter werden z. B. mittelgroße Universitätsstädte und deren Umland wie Nürnberg, Hannover oder Bonn erfasst, weisen gute Auslastungsprognosen auf. „Neben der zu langsam anwachsenden Neubauaktivität muss man auch das Alter und den entsprechenden Sanierungs- und Modernisierungsbedarf bestehender Einrichtungen im Auge behalten. Schon heute sind ein Drittel aller Pflegeheime in Deutschland älter als 30 Jahre“, wirft Sven Tokarski, Geschäftsführer Pflegeobjekt Service GmbH, an dieser Stelle ein.

Welche Erfolgskriterien geben letztlich den Ausschlag bei Pflegeimmobilien?

Für Thomas F. Roth, Mitglied des Vorstandes der IMMAC Holding AG, sind der regionale Bedarf, die Konkurrenzsituation und das Konzept des Betreibers die entscheidenden Faktoren. Darüber hinaus aber auch andere Faktoren, die Roth hervorhebt: „Die Bedarfs- und Konkurrenzsituation muss genau analysiert werden, ebenso die zu erwartende demografische und wirtschaftliche Entwicklung. Bezüglich der Ausstattung ist der Brandschutz ein stark in den Fokus gerücktes Thema. Weitere Merkmale der Immobilie geben die Landespflegegesetze vor, die in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind.“

Dass der Pflegeimmobilienmarkt ein boomendes Nischensegment ist, zeigt das Transaktionsvolumen.

Der Investmentmarkt für Pflegeimmobilien und Seniorenresidenzen setzte seinen Wachstumskurs im vergangenen Jahr eindrucksvoll fort, wie eine aktuelle Analyse des Immobilienberatungsunternehmens CBRE darlegt. Insgesamt wurde im vergangenen Jahr ein Transaktionsvolumen von 811 Mio. Euro registriert; ein Plus von 24 % gegenüber dem Vorjahr. „Die Nachfrage nach deutschen Pflegeheimen ist bei den Immobilieninvestoren, die über ein entsprechendes Know-how in dieser Assetklasse verfügen, aufgrund der höher erzielbaren Rendite im Vergleich zu den klassischen Immobiliensegmenten wie Büro oder Einzelhandel ungebrochen hoch“, stellt Dr. Jan Linsin, Head of Research bei CBRE in Deutschland, fest. Auch Geschäftsführer Peickert zeigt sich sehr optimistisch, was einerseits den Verlauf des vergangenen Jahres betrifft als auch den Ausblick auf das Geschäftsjahr 2015. „Aktuell haben wir ca. 20 Pflegeimmobilien-Angebote im Vertrieb und streben in diesem Jahr die 100 Mio. Euro Verkaufsmarke an“, so Peickert. Auf seine gut gefüllte Produktpipeline verweist an dieser Stelle auch WI-IMMOGroup Geschäftsführer Winkel und ergänzt, dass man sich für 2015 vorgenommen habe, weiterhin Premium-Pflegeimmobilien für die Vertriebspartner zur Verfügung zu stellen und konstant weiter zu expandieren.

Die Renditeaussichten sind im Gesamtkontext gut, auch wenn es hier jüngst einen kleinen Knick nach unten gegeben hat.

Zum Jahresende 2014 lag die Spitzenrendite für erstklassige Pflegeheime bei 6,25 % und damit rund 75 Basispunkte unterhalb des Vorjahreswertes, wie CBRE mitteilt. „Die hohe Nachfrage vor allem seitens institutioneller Investoren, die mit der Beimischung der alternativen Assetklasse Sozial- und Gesundheitsimmobilien die Erfüllung der Ertragsziele ihrer Anlageportfolios unter Risiko-Rendite- Aspekten anstreben, sorgt auch hier für eine weitere Reduktion der erzielbaren Spitzenrendite“, ergänzt Dr. Linsin. Angesichts historisch niedriger Renditen an den Rentenmärkten scheinen die Investoren an einer Erweiterung des Anlageuniversums durchaus interessiert und suchen fast händeringend nach Alternativen abseits der klassischen Immobiliensegmente. Dadurch wächst europaweit das Interesse an der Nische Pflegeimmobilie, was zuletzt in einem steigenden Preisniveau in diesem Marktsegment zum Ausdruck kam.

Trotz der gestiegenen Transaktionsumsätze bleiben Pflegeimmobilien am Investmentmarkt aber weiterhin ein Nischenprodukt.

Gemessen am gesamten gewerblichen Immobilientransaktionsvolumen, welches sich allein für das erste Halbjahr 2014 auf rund 16,9 Mrd. Euro belief, besaßen Pflegeheime lediglich einen Anteil von rund 2,3 %. Angesichts der Komplexität des Marktes ist nach Expertenmeinung nicht davon auszugehen, dass sich diese Situation kurzfristig entscheidend ändert. Allerdings könnte vor allem die Aussicht auf eine attraktive Rendite die Nachfrage nach Sozialimmobilien in Zukunft weiter steigen lassen. „Im Rahmen der Föderalisierung unserer Republik hat der Staat die Verantwortung für die Pflege ja in die Hand der Länder gegeben. Eine bundesweit einheitliche Pflegegesetzgebung wäre eine große Erleichterung für die Betreiber von Pflegebetrieben, die auch den Pflegebedürftigen zu Gute käme“, fügt IMMAC-Vorstandsmitglied Roth an dieser Stelle an.

Institutionelle Investoren sind die treibenden Kräfte.

Auf Käuferseite waren im vergangenen Jahr beispielsweise Versicherungen und Pensionskassen mittels Direktinvestments oder über Spezialfondsstrukturen mit einem relativen Anteil am Transaktionsvolumen in Höhe von 22 % dominierend. Daneben zählen ausländische Asset- und Fondsmanager mit einem Marktanteil von 17 % zu den aktivsten Investoren in dieser Assetklasse, gefolgt von börsennotierten Immobilienunternehmen/REITs aus dem Ausland mit 13 %, wie CBRE belegt. Traditionell stark vertreten waren im vergangenen Jahr auch die geschlossenen Fondsanbieter, die circa 10 % des Anlagevolumens ausmachten. Darüber hinaus engagierten sich auch Pflegeheimbetreiber als Käufer, um sich Wettbewerbsvorteile zu sichern.

_ Das Investitionsvolumen der ausländischen Investoren dürfte in den_

kommenden Jahren weiter ansteigen.

Der Pflegemarkt sowohl auf Betreiberseite als auch auf Seite der Immobilieneigentümer ist hierzulande noch stark frequentiert und zum Großteil in öffentlicher beziehungsweise freigemeinnützlicher Hand. Insbesondere im öffentlichen Sektor fehlen jedoch Investitionsmittel für den Betrieb und den Unterhalt der Pflegeeinrichtungen. „Es ist richtig, dass die Anzahl öffentlich betriebener Einrichtungen seit Jahren rückläufig ist. Ich sehe den Staat allerdings vorwiegend in der Pflicht, für eine ausreichende Abdeckung an Pflegekräften zu sorgen. An erster Stelle sollten die bürokratischen Anforderungen für Pflegekräfte reduziert werden, um für Entlastung zu sorgen“, so Geschäftsführer Tokarski. Die steigende Zahl an pflegebedürftigen Menschen und die teilweise nicht mehr zu erbringende Betreuung zu Hause sind die Triebfedern, aus denen sich die Wachstumszahlen letztlich speisen. Ende 2012 waren in Deutschland 2,54 Millionen Menschen pflegebedürftig, von denen nahezu jeder Dritte in einem Pflegeheim betreut wurde. Über 1,5 Millionen Menschen wurden zu Hause um- und versorgt. Aber die Betreuung zu Hause hat ihre Grenzen. Die erkennbare und zunehmende Individualisierung der Gesellschaft, die sich in vielen Ein- und Zwei-Personen-Haushalten niederschlägt, beschränkt die Möglichkeiten, adäquat zu Hause betreut zu werden. Pflege zu Hause ist schließlich für die Angehörigen in der Regel sehr aufwändig oder gar nicht zu leisten, so dass nur das Pflegeheim bleibt.

Stellt sich zuletzt die Frage nach der Anlageform: Direktanlage oder Erwerb von Fondanteilen?

Grundsätzlich gilt, dass das größte anzunehmende Risiko ein Ausfall des Betreibers ist, was bei bundesweit agierenden Betreibern eher unwahrscheinlich sein sollte. Beim Direktinvestment kann die gekaufte Wohnung natürlich selbst genutzt werden. Das setzt ein Vorbelegungsrecht beim Mietvertragsabschluss voraus und geht nicht ohne höhere Investitionssummen. Bei Fonds kommt das Argument der Streuung zum Tragen, denn in der Regel sind mehrere Objekte in einem Fonds.

Fazit

Pflegeimmobilien sind wegen ihres stabilen Cashflows eine relativ sichere Anlageklasse. Die demografische Entwicklung ist das Hauptargument für entsprechende Investments und macht dieses Nischensegment attraktiv. Neben den Kriterien der Standortwahl und Qualität des Objekts sind die Bonität des Betreibers und die Managementkompetenz ausschlaggebende Faktoren. (ah)

Pflege / Pflegeimmobilien - Printausgabe 02/2015