Bestandsaktion im Vertrieb geplant
30.01.2014
Die Versicherer werden in diesem Jahr verstärkt auf das Kompositgeschäft setzen – und dies trotz der teilweise sehr hohen Schaden-/Kostenquoten in Sparten wie beispielsweise der Gebäudeversicherung. Den Elementarschäden des Jahres 2013 könnte mithin eine Türöffner-Funktion zukommen.
Immobilieneigentümer sind für Kompositversicherer wegen ihrer hohen Kaufkraft eine wichtige Zielgruppe für Anschlussgeschäfte. Das erläutert Thomas Leicht, Vorstandschef der Gothaer Allgemeine, im Gespräch mit der finanzwelt.
finanzwelt: Herr Leicht, im Februar wird die Gothaer eine Produktoffensive im SHU-Bereich starten. Welcher Gedanke steckt dahinter? Etwa der von manchen Unternehmen angekündigte intensive Wettbewerb ums Kompositgeschäft?
Leicht: Wir prüfen unsere Produkte regelmäßig auf Aktualität und passen diese an sich ändernde Kundenbedürfnisse und Marktgegebenheiten an. Hiermit möchten wir einerseits unseren Bestandskunden die Möglichkeit geben, ihren Versicherungsschutz auf den neuesten Stand zu bringen, andererseits aber auch Neukunden gewinnen.
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finanzwelt:** In welchen Bereichen dieses Segments arbeitet die Gothaer besonders profitabel? Und welche Teile sind versicherungstechnisch Verlustbringer?
Leicht: Wir sind sehr gut aufgestellt im Bereich Hausrat, Unfall und in der Haftpflichtversicherung. Im Gegensatz zu vielen anderen Marktteilnehmern erzielen wir auch in der Kraftfahrtversicherung versicherungstechnische Erträge. Allerdings ist es hier besonders wichtig, das Flottengeschäft regelmäßig zu überprüfen, da dieses besonders volatil ist. In der Wohngebäudeversicherung verzeichnen wir durch die zahlreichen Naturereignisse des Jahres 2013 versicherungstechnische Verluste, so wie viele andere Versicherer auch.
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finanzwelt:** Früher galt die Kraftfahrtversicherung als Türöffner-Geschäft. Dann kamen die Vergleichsportale im Internet und drängten andere Marktteilnehmer teilweise in den Hintergrund. Eignet sich nicht ohnehin die Gebäudeversicherung deutlich besser als Schlüssel zu den Kunden – egal ob privat oder gewerblich?
Leicht: Bei der Frage der Türöffner-Funktion einer Sparte spielt einerseits das Volumen der Sparte, verstanden als Anzahl der potenziellen Kunden, und andererseits auch die Attraktivität des Kunden, im Sinne der potenziellen Kaufkraft eines Kunden, eine wichtige Rolle. Bezogen auf das Volumen gab es nach Angaben des Kraftfahrtbundesamtes 2013 rund 52 Millionen angemeldete Kraftfahrzeuge, bei 69 Millionen Erwachsenen ist dies eine Quote von 75 Prozent. Hingegen gibt es ungefähr 15 Millionen private Haus-und Grundeigentümer, das entspricht einem Anteil von 43 Prozent an allen Haushalten in Deutschland. Dieser Vergleich zeigt, dass insbesondere die Kraftfahrt-Haftpflichtversicherung ein viel höheres Kundenpotenzial aufweist. Außerdem handelt es sich bei Kraftfahrtversicherungen um Jahresverträge. Damit ist die Wechselbereitschaft der Kunden per se höher. Dies wird durch die Vergleichsportale noch verstärkt. Wohngebäudeversicherungen sind hingegen überwiegend mehrjährige Verträge, wodurch die Bindung an den Versicherer höher ist. Meist handelt es sich dabei um Kunden mit höheren verfügbaren Einkommen, bei denen Anschlussverträge wie zum Beispiel Hausrat-, Haftpflicht-, Unfall-, Lebens- oder Krankenversicherungen, generiert werden können.
finanzwelt: Welche Sparten bieten sich hier an?
Leicht: Für den privaten Bereich sind das die Hausrat-, Haftpflicht- und Unfallversicherung und unser neues Produkt Unfallrente Plus. Aber auch die Rechtschutzversicherung und Produkte aus dem Bereich der Personenversicherung wie Lebensversicherung, Krankenvollkosten- und Krankenzusatzversicherung bieten sich hier an. Für alle Gewerbetreibenden ist die Betriebshaftpflichtversicherung ein Muss, gefolgt von der Inhaltsversicherung und der Absicherung der Betriebsunterbrechung als Folge von Sachschäden wie Feuer, Hagel, Sturm oder Flut.
finanzwelt: Warum Elementarschäden auch Gewerbekunden zusetzen können, erschließt sich auf den ersten Blick nur schwer. Haben Sie für uns ein Beispiel?
Leicht: In der TV-Dokumentation zu den Flutereignissen des Frühsommers 2013 waren oft die bis zum Dach im Wasser stehenden Fahrzeuge eines Autohauses zu sehen, die aufgrund des Dammbruches nicht rechtzeitig entfernt werden konnten. Diese Bilder illustrieren anschaulich, welche Probleme einen Gewerbetreibenden durch Flutschäden treffen können. Auch die Überflutung von Produktionsstätten und die damit oftmals einhergehende Zerstörung von Maschinen führen zu gravierenden Schäden bis hin zu Betriebsstillständen und teilweise sogar zur Insolvenz der Betriebe.
finanzwelt: Wo sehen Sie denn bei privaten Wohngebäudeversicherungen besonders große Gefahren? Im Leitungswasser?
Leicht: Leitungswasserschäden sind zwar eine häufige Schadenursache insbesondere bei älteren Gebäuden, die oftmals eine schlechte Rohrsubstanz aufweisen. Doch dies lässt sich kalkulieren. Schwieriger wird die Kalkulation zunehmend bei den Naturgefahren, wie das Schadensjahr 2013 eindrucksvoll gezeigt hat. Selbst wenn es uns gelingt, alle Leitungswasserschäden aus der Wohngebäude-Prämie zu finanzieren, können wir dies im Bereich der Naturgefahren nicht mehr alleine über die Prämiengestaltung erreichen. Die Volatilität und das Ausmaß dieser Schadensursachen erfordern neue Modelle in Richtung Eigenbeteiligung der Kunden, das heißt in Form von angemessenen Selbstbehalten.
finanzwelt: Wie hoch ist in der Wohngebäudeversicherung der Anteil der Verträge mit Beitragsanpassungsklausel?
Leicht: Wir haben erst ab dem Jahr 2008 in der Wohngebäudeversicherung eine Beitragsanpassungsklausel eingeführt. Derzeit liegt der Anteil der Verträge mit Beitragsanpassungsklausel bei rund einem Drittel der Bestandsverträge.
finanzwelt: Sehen Sie für die Gothaer die Notwendigkeit einer Sanierung?
Leicht: Ein strenges Controlling dieser Sparte ist wie bei vielen anderen Gesellschaften im Markt höchstes Gebot. Flächendeckende Sanierungen ohne genaues Bewerten der einzelnen Kundenverbindungen sehen wir hier nicht. Bei schadenauffälligen und schadengefährdeten Verträgen etwa beim Thema Leitungswasser gehen wir den Weg der individuellen Maßnahmen im Bestandsmanagement und setzen stärker auf Selbstbehalte.
finanzwelt: Eine solche Bestandsaktion kann für den Vertrieb ja durchaus lukrativ sein. Planen Sie in diesem Zusammenhang besondere Aktionen?
Leicht: Wir planen, eine Modernisierungsaktion alter Wohngebäude-Bestände im Vertrieb anzubieten, die den Kunden die Umstellung auf aktuelle Bedingungen – ohne Leistungsverschlechterungen – gegen einen adäquaten Beitrag ermöglicht.
(Das Interview führte Hans-Werner Thieltges)