"Beruhigung an den Rohstoffmärkten ist nicht in Sicht"
25.06.2021
Tobias Stöhr - Foto: © Spectrum Markets
An den Rohstoffmärkten geht die Post ab. Meldungen über steigende Nachfrage bei knappem Angebot machten die Runden. Wie ist die Lage im Rohstoffuniversum? finanzwelt hakte nach bei Tobias Stöhr, Börsenexperte bei Spectrum Markets.
finanzwelt: In der jüngeren Vergangenheit standen die Entwicklungen an den Rohstoffmärkten vermehrt im Vordergrund (bspw. Preisanstiege bei Agrarrohstoffe/Holz). Wie nehmen Sie die Lage bei „den Rohstoffen" wahr? Tobias Stöhr: Die Rohstoffpreise steigen seit Monaten auf breiter Front – egal ob Energieträger wie Öl, Industriemetalle wie Kupfer oder Edelmetalle wie Gold und Silber. Dabei profitieren die Rohstoffe besonders von einem synchronisierten Konjunkturaufschwung, der von Fortschritten in der Impfkampagne sowie massiven Infrastrukturprogrammen flankiert wird und weltweit für einen großen Rohstoffhunger sorgt. Diese Nachfrage trifft derzeit auf ein in vielen Bereichen vergleichsweise knappes Angebot, da pandemiebedingt noch immer viele Lieferketten unterbrochen sind. Weil sich die globale Wirtschaftserholung auch durch die Unterstützung von Politik und Notenbanken in den kommenden Monaten weiter fortsetzen dürfte, ist mit einer schnellen Beruhigung an den Rohstoffmärkten nicht zu rechnen.
finanzwelt: Lässt sich von einem „Super-Zyklus“ an den Rohstoffmärkten sprechen? Stöhr: Als Superzyklus wird meist ein über 25 bis 30 Jahre laufender Investitionszyklus bezeichnet, in dem die Nachfrage nach Rohstoffen strukturell und nicht nur zeitweise wächst. In einigen Bereichen ist eine solche Situation bereits zu beobachten. So steigt der Energieverbrauch deutlich schneller als der Ausbau in erneuerbare Energien und auch bei Kupfer als Konjunkturrohstoff gehen Experten von einer chronischen Unterversorgung des Marktes in den kommenden Jahren aus. Kupfer, Aluminium oder auch Silber dürften von den zahlreichen Infrastrukturprojekten rund um den Globus profitieren, mit denen Länder und Staatenverbände ihre Wirtschaft in den kommenden Jahrzehnten klimaneutral aufstellen möchten. Exotische Rohstoffe wie Kobalt oder Lithium hingegen sehen sich dank des E-Mobility-Trends einer Nachfrageexplosion gegenüber.
finanzwelt: Welche Gründe spielen kurz- und mittelfristig eine bedeutsame Rolle bei den Rohstoffpreisen? Was löst ein Rohstoffmangel generell aus? Stöhr: Grundsätzlich richten sich die Rohstoffpreise sehr stark nach Angebot und Nachfrage. Schwankungen in Angebot oder Nachfrage können den Preis eines Rohstoffs dabei kurzfristig beeinflussen. Mittel- bis langfristig spielen jedoch die strukturellen Gegebenheiten eine große Rolle für die Preisentwicklung. Bei vielen Rohstoffen hat das Preisniveau des vergangenen Jahrzehnts nicht ausgereicht, um Anreize für die Erschließung neuer Vorkommen zu schaffen. Bei Kupfer etwa dürfte sich dieser Investitionsstau nun ebenso rächen wie bei beim Ölpreis zu Beginn des Jahrtausends, als sich der Barrelpreis von 30 auf 150 US-Dollar zeitweise verfünffachte. Gerade Kupfer bewegt sich in langfristigen Zyklen. Allein für den Kapazitätsausbau einer bestehenden Mine braucht es etwa zwei bis drei Jahre. Um ein neues Kupferprojekt zur Produktionsreife zu bringen, müssen durchschnittlich etwa acht Jahre einkalkuliert werden. (ah)