Auf der sicheren Seite
15.06.2015
Foto: © Jürgen Fälchle - Fotolia.com
Steter Tropfen höhlt den Stein, so dürfte der permanente Beschuss der klassischen Altersvorsorge durch „Verbraucherschützer" mit dazu beigetragen haben, dass sich immer mehr Lebensversicherer aus konventionellen Policen zurückziehen. Doch längst feuern die Kritiker auf eine weitere Bastion: die lebenslange Verrentung abgelaufener Verträge. Makler sollten sich davon nicht kirre machen lassen.
An der privaten Rentenversicherung scheiden sich die Gemüter. Kritiker bemängeln, man müsse steinalt werden, um zumindest einen Einsatz wieder herauszubekommen. Wie sollten Makler auf entsprechende Kundeneinwände reagieren? Sollen sie zur Verrentung auslaufender Policen raten, oder besser dazu, das Geld zu nehmen und in den Konsum zu stecken, einen Ausbau des Eigenheims damit zu finanzieren oder in die freie Geldanlage zu investieren?
Das noch lange nicht überwundene Zinstief und sogar der Ausstieg einzelner Lebensversicherer aus der klassischen Altersvorsorge machen es nicht einfacher. Wenn beispielsweise die Generali in Triest – wie kürzlich geschehen – entscheidet, keine konventionellen Policen mehr anzubieten, so hat dies auch Signalwirkung. Wenngleich dies nicht grundsätzlich gegen eine Verrentung spricht, denn dafür bietet der Markt im Zweifelsfall auch fondsgebundene Optionen. Und nicht nur das, wie Marlies Tiedemann, Leiterin Produktmarketing Leben der Basler Versicherungen, erklärt: „Fakt ist: Die Lebenserwartung steigt seit Jahren unaufhörlich. Immer mehr Menschen werden ‚steinalt'. Trotzdem orientieren sich viele Menschen noch am Alter ihrer Großeltern – bei 2,5 Jahren zunehmender Lebenserwartung pro Generation müssten aber auf deren Sterbealter sieben bis acht Jahre hinzu addiert werden. Wir halten das Langlebigkeitsrisiko und den damit verbundenen zusätzlichen Rentenbedarf für ein stark unterschätztes Risiko. Dies müssten Makler stärker ins Feld führen." Als einen Ausweg bieten ihr Unternehmen neben der normalen lebenslang garantierte Rente auch die sogenannte Rente mit Kapitaloption: Der Kunde könne die Rente auch noch während des Rentenbezuges kündigen und bekäme das eingesetzte Kapital abzüglich der bereits ausgezahlten Renten zurück. Im Todesfall geht der Betrag an die Hinterbliebenen. Tiedemann fügt an: „Mit dieser Verrentungsform begegnen wir denjenigen, die sich zu Rentenbeginn nicht festlegen wollen."
Auch Maximilian Buddecke, Leiter Maklervertrieb der Versicherungsgruppe die Bayerische, rät zu einer differenzierten Sichtweise: „Makler sollten sich bei der Beratung zur Altersvorsorge auf die Absicherung des hohen Alters ausrichten – weg von der reinen Renditebetrachtung. Denn die ständig wachsende Lebenserwartung ist bei den Kunden nicht präsent." Auch die Sterbetafeln würden eine immer höher hinterlegte Lebenserwartung aufweisen. Die Abweichungen der Sterbetafel der Deutschen Aktuarvereinigung und die des statistischen Bundesamtes rückten zunehmend zusammen. Daher sei die Absicherung der Langlebigkeit ein hoch relevanter Punkt. Buddecke: „Die reine Renditebetrachtung führt bei der Rentenversicherung sowieso in die Irre: Denn niemand kann vorhersagen, wie lange der Versicherte leben wird – das wäre aber für eine Renditeberechnung notwendig." Unabhängig davon zeigten die Untersuchungen von Experten, dass die Kunden bei Lebensversicherungen eine überdurchschnittliche Verzinsung erwarten dürften. Gerade die Bayerische weise nach Berechnungen des map-report seit Jahren Top-Nettorenditen aus.
Ohnehin lohnt ein Blick in die Realität. Wie viele werden sich dann am Ende für die Verrentung ablaufender Lebenspolicen entscheiden? Die Angaben der Unternehmen hierzu schwanken beachtlich, wenn denn in den Unternehmen hierzu überhaupt Erkenntnisse vorliegen. So erklärt Marlies Tiedemann für die Basler: „Zahlen können wir im Moment nicht erheben, aber der Anteil ist heute noch immer sehr gering. Das liegt auch daran, dass derzeit auslaufende Lebensversicherungen in der Regel noch unter das Steuerprivileg fallen, wodurch die Auszahlung noch vollkommen steuerfrei erfolgt." In diesem Fall müssten die Kunden ihr Langlebigkeitsrisiko aber komplett selbst tragen. Das Risiko, dass das Geld dann nicht reiche, werde häufig unterschätzt. Tiedemann: „Wir glauben, dass sich die Entscheidung in den kommenden Jahren stark ändern wird. Buddecke hingegen ist etwas präziser: „Das lässt sich nicht pauschal beantworten, da es von der Art der Verträge und den individuellen Voraussetzungen abhängig ist. Als Faustformel lässt sich sagen: Bei einer Restlaufzeit von 30 Jahren gehen rund 40 % der Verträge in Rente über. Der Rest geht durch Tod, Storno oder Kapitalabfindung ab." Ganz konkret äußert sich Michael Schindler, Hauptabteilungsleiter Mathematik BL der Barmenia Lebensversicherung a. G.: „Letztlich wählen rund 30 % unserer Kunden die Verrentung." Klipp und klar auch das Statement der ERGO: Schätzungsweise bis zu 90 % der privaten Renten seien in den vergangenen Jahren als einmalige Kapitalleistung ausgezahlt worden und nicht in eine Monatsrente geflossen. Dies werde in Zukunft wegen des steigenden Vorsorgebedarfs und der seit 2005 veränderten steuerlichen Förderung aber anders aussehen. Bei den heute zur Auszahlung kommenden privaten Rentenversicherungen sei die Rente nicht das entscheidende Motiv gewesen. Ein Großteil der Kunden habe vielmehr eine sichere und ertragsstarke Anlage ohne beitragspflichtigen Todesfallschutz gesucht. Dies ändere sich aber derzeit. Und in der Tat hat sich der Vorsorgebedarf In den vergangenen Jahren gravierend verändert. Durch die in Zukunft weiter sinkenden Leistungen der gesetzlichen Rente wird die ergänzende Leistung einer privaten Rente immer wichtiger. Dieses Interesse an Rentenzahlungen zeige sich laut ERGO auch in der Nachfrage nach sofort beginnenden Renten gegen Einmalbeitrag. Zudem hat der Gesetzgeber die steuerlichen Anreize verändert. Bei Verträgen, die seit 2005 abgeschlossen werden, steht die Förderung der Rentenleistung im Vordergrund. (hwt)