Atmosphärische Störungen

07.08.2019

Michael Beck, Leiter Asset Management Ellwanger & Geiger / Foto: © Ellwanger & Geiger

Es stellt sich die Frage, wer wen angesteckt hat. Das Wetter die Kapitalmärkte oder die Kapitalmärkte das Wetter? Zumindest hat es an den Kapitalmärkten einen Tag früher geblitzt und gedonnert, als die chinesische Regierung der US-Administration gezeigt hat, wer eigentlich am längeren Hebel sitzt.

Die Abschwächung des Yuan unter die 7er-Yuan/USD-Marke rief sofort die US-Administration auf den Plan, um beim IWF gegen die „unlautere“ Währungskriegsführung zu wettern. Dabei handelt es sich nur um eine Retourkutsche Chinas auf die unverständliche Ausweitung der US-Zölle auf nunmehr alle Waren, die aus China in die USA geliefert werden. Und dies trotz laufender Gespräche. Auch nach drei Jahren im Amt hat der aktuelle US-Präsident nicht gelernt, wie man sich auf diplomatischem Parkett bewegt. Die Kapitalmärkte haben mit dieser Entwicklung nicht gerechnet und zeigten sich äußerst verschreckt. Es regnete heftig in die Kurse hinein und diesmal blieben auch die sonst so resistenten US-Indizes nicht unberührt. Seit vielen Jahren wiesen sie sogar ein größeres Minus auf als die deutschen oder europäischen Indizes.

Erst das versöhnliche Zeichen der chinesischen Behörden am nächsten Tag, den Referenz-Wechselkurs bei 6,97 Yuan/USD festzulegen, beruhigte die Gemüter etwas. Kurzfristig ist also Entspannung an den Märkten angesagt.

Die Frage ist: Wie sieht die Großwetterlage aus? Und da türmen sich nach wie vor die Unwetterwolken am Horizont. Die unerwartete Erhöhung der 10%-igen US-Zölle auf die restlichen 300 Mrd. USD Handelsvolumen mit China verunsichern die Marktakteure nachhaltig. Die Intervention der US-Administration beim IWF, China als Währungsmanipulator zu brandmarken, schürt sogar die Befürchtung, dass diese neuen Zölle ebenfalls auf 25% erhöht werden können, wenn die neuerlichen Handelsgespräche im September zu keinem befriedigenden Ergebnis führen. Dies würde zu einer weiteren erheblichen Belastung der Weltkonjunktur führen. Die Frühindikatoren des bis dato stützenden Konsumklimas in den USA beginnen sich zu verschlechtern. Mit dieser Kostenbelastung durch höhere Zölle dürfte der Konsum in den USA als Konjunkturstütze ausfallen mit entsprechenden Folgen für die Entwicklung der Unternehmensgewinne.

In Europa ist die Situation hinsichtlich des Brexit-Themas festgefahren. Die irrationale, populistische Vorgehensweise des neuen britischen Premiers Johnson lässt einen ungeordneten Brexit mit negativen Folgen für die deutsche, europäische und insbesondere britische Konjunktur immer wahrscheinlicher werden. So verwundert es nicht, dass viele Stimmungsindikatoren in Europa einbrechen und den kurzfristigen Ausblick trüben. Für die Aktienmärkte bedeutet dies nichts Gutes. Das negative Zinsumfeld stützt die Notierungen zwar noch, aber die Dividenden, die viele Investoren im Aktienbereich suchen und noch üppig erhalten, werden mit Sicherheit vor diesem Konjunkturumfeld schrumpfen. Dies hat Einfluss auf die Bewertungen und damit auch auf die künftigen Kursentwicklungen. Bei einer beginnenden Normalisierung an den Zinsmärkten bieten Aktienmärkte weiteres Korrekturpotential. Solange die Zinsen auf ihren historischen Tiefs verweilen, besteht zumindest die Hoffnung, dass die bisherigen Jahresgewinne erhalten bleiben. Aktieninvestoren sollten in den nächsten Monaten schauen, dass immer eine wetterfeste Unterkunft in der Nähe ist.

Kommentar von: Michael Beck Leiter Asset Management BANKHAUS ELLWANGER & GEIGER AG