Alles eine Frage der Nachhaltigkeit
14.02.2017
Karsten Junius, Chefökonom, Bank J. Safra Sarasin AG / Foto: © Bank J. Safra Sarasin
Griechenland macht wieder Schlagzeilen. Der Internationale Währungsfonds (IWF), die europäischen Gläubiger und die griechische Regierung sind sich erneut nicht einig, welche Lasten dem Land zugemutet werden können. Interessanterweise argumentieren alle Beteiligten mit der Notwendigkeit einer nachhaltigen Politik – jeweils nur aus komplett unterschiedlichen Perspektiven. Diese zu verstehen ist wichtig für alle, die an einer langfristigen Lösung interessiert sind.
Der 25. Geburtstag des Maastricht-Vertrages in der vergangenen Woche wird den meisten Europäern wohl kaum als eine besonders ausgefallene Feier in Erinnerung bleiben. Zu groß sind dafür auch die aktuellen Sorgen um Europa, die sich wie so häufig an den Zinsaufschlägen für Staatsanleihen aus der Euro-Peripherie ablesen lassen. Allen voran denen für Griechenland, bei dem die Renditen zweijähriger Anleihen erneut über 10% aufweisen; ein Niveau, das ganz sicherlich keine nachhaltige Schuldenfinanzierung erlaubt. Die aktuell dringendste Aufgabe ist es, eine Refinanzierung für die im Juli 2017 fällig werdenden Anleihen im Volumen von 7 Mia. Euro zu finden. Allein den europäischen Zentralbanken müssen 5 Mia. Euro gezahlt werden – ein Ausfall würde die Mitgliedschaft in der Währungsunion riskieren. Uneins sind sich die Gläubiger über die Konditionen eines neuen Hilfsprogramms. Statt 3,5% scheinen Teile des IWF nur einen griechischen Haushaltsüberschuss von 1,5% ohne Schuldendienst für nachhaltig zu erachten. Zudem empfiehlt der IWF schon länger einen Schuldenverzicht, da er die aktuelle Staatsverschuldung von 180% des BIP als nicht nachhaltig erachtet. Einige europäische Regierungen widersprechen dem und fordern vor allem erst einmal Reformen, die die Wirtschafts- und Finanzpolitik nachhaltig machen. Ihrer Einschätzung nach sei ein Forderungsverzicht sinnlos sein, wenn das Land nicht so stark reformiert würde, dass zukünftige Krisen unwahrscheinlich werden. In dem für einige Länder wichtigen Wahljahr werden sie weniger Kompromisse machen wollen.
Die griechische Regierung wiederum argumentiert, dass zu massive Reformen sozial nicht nachhaltig seien. Vermutlich macht sie sich aber auch vor allem über die Nachhaltigkeit ihrer Regierungskoalition Sorgen. Diese wäre massiver öffentlicher Kritik ausgesetzt, wenn sie entgegen ihrer Wahlversprechen die von Gläubigerseite geforderten Rentenreformen durchsetzt. Die EZB ist vor allem daran interessiert, ihr Mandat zu erfüllen und möchte daher die Inflation wieder auf einen nachhaltigen Pfad hin zu dem von ihr angestrebten Inflationsniveau bringen. Eine erneute Eurokrise, bei der die Finanzierungskosten in der Peripherie stark ansteigen und eine nachhaltige Wirtschaftserholung gefährden, wäre dabei schädlich. Schließlich spielt die EU-Kommission als Hüterin der Währungsunion eine wichtige Rolle. Sie zeigt sich häufig pragmatisch und kompromissbereit. schließlich ist ihr Ziel, die Nachhaltigkeit der Währungsunion zu sichern.
Allen Beteiligten in dem griechischen Drama gemein ist, dass sie an einer langfristigen Lösung interessiert sind. Die politischen Kosten der von ihnen bevorzugten Maßnahmen haben in der Regel andere Mitspieler zu tragen. Das führt ein ums andere Mal dazu, dass eine wirklich nachhaltige Lösung vertagt wird. Dazu müssten alle auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten. Genau das wäre notwendig, damit der 30., 40. und 50. Geburtstag des Maastricht-Vertrages überhaupt gefeiert werden kann.
Kolumne von Karsten Junius, Chefökonom Bank J. Safra Sarasin AG