Aktienkultur wird weiblicher
04.12.2024
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Das Meinungsklima in Deutschland zur aktienbasierten Geldanlage hat sich in den vergangenen Jahren deutlich zum Positiven entwickelt. Wesentlich hat dazu die zunehmend aufgeschlossene Haltung der Frauen gegenüber Aktien, Börsen und Kapitalmärkten beigetragen. Das geht aus einer Sonderauswertung des Deutschen Geldanlage-Index (DIVAX-GA) hervor, die das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) und die Fondsgesellschaft DWS vorgelegt haben. Der Index wird seit Sommer 2020 zweimal jährlich vom DIVA ermittelt. Basis ist eine repräsentative Befragung von 2000 Menschen in Zusammenarbeit mit INSA-CONSULERE.
Das DIVA errechnet auch Indexwerte getrennt nach Frauen und Männern. Diese geschlechterspezifischen Teilindizes zeigen im Vergleich von Sommer 2020 zu Sommer 2024 einen eindeutigen Trend: Während der Teilindex des männlichen Teils der Bevölkerung auf dem Niveau von rund 36 Indexpunkten verharrt, verdoppelt sich der Teilindex der Frauen nahezu, nämlich von 13,6 auf 25,6. Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA, erläutert: „Die Analyse zeigt, dass alle Altersgruppen den weiblichen Teilindex haben steigen lassen und den Gesamtindex stabilisieren.“ Dabei käme den 18- bis 29-jährigen Frauen eine herausragende Rolle zu. Ihr Indexwert liege im Sommer 2024 nämlich doppelt so hoch (51,9) wie der aller Frauen (25,6). Die Kehrseite: Die Indexwerte der weiblichen Altersgruppen ab 50 Jahre bleiben klar hinter dem Optimismus der Jüngeren zurück (17,9 bei den 50- bis 64Jährigen; 8,8 bei den über 65-Jährigen).
Finanz- und Börsenthemen – „Stress pur“ für viele Frauen.
Um die Vielfalt der Anlagemöglichkeiten zu reflektieren, die zu Aktienbesitz führen können, wählt das DIVA bei den Befragungen eine breite Abgrenzung aktienbasierter Geldanlagen: Aktien, Investmentfonds mit signifikantem Aktienanteil und fondsgebundene Lebens- und Rentenversicherungen mit signifikantem Aktienanteil. Nach dieser Definition gibt weniger als ein Drittel (31,3%) der Frauen an, aktienbasierte Geldanlagen zu besitzen. Bei den männlichen Befragten ist es die Hälfte (50,2%). Während Aktien und Aktienfonds für die Letzteren auch aktuell die höchste Attraktivität besitzen (33,1%), rangieren sie bei den Frauen nur an zweiter Stelle (22,6%). Ihre Hauptgründe gegen aktienbasierte Geldanlagen: „Nicht genügend Geld zum Anlegen“ (Frauen 53,9% versus Männer 43,0%); „Zu hohes Risiko der Anlageform“ (51,5% versus 39,1%); „Ungenügendes eigenes Wissen“ (47,9% versus 36,0%).
Milijana Lazic, stellvertretende Leiterin Key Account Management der DWS, sieht einen weiteren Grund: „Immer wieder äußern in Umfragen deutlich weniger Frauen als Männer ein Interesse an Wirtschafts- und Finanzthemen. Entsprechend gehen erheblich weniger Frauen als Männer davon aus, dass sie sich in Finanzfragen gut auskennen. Geld- und Börsenthemen sind für viele Frauen Stress pur.“
Sebastian Merken, Leiter Key Account Management der DWS, sieht diese Sicht auch durch den Umgang mit finanziellen Informationsangeboten im Internet bestätigt. Nach der DIVA-Umfrage nehmen prozentual deutlich weniger Frauen (40,6%) Informationsangebote im Internet zur Kenntnis als Männer (56,6%). Merken: „Wer sich weniger für Finanzinhalte interessiert, startet weniger Suchanfragen und erhält entsprechend weniger Anzeigen zum Thema. Zudem führt die digitale Reizüberflutung dazu, dass Themen ausgeblendet werden, die nicht im Fokus stehen.“ Jüngere Frauen nehmen digitale Informationsangebote zu Finanzthemen deutlich mehr (67,8%) zur Kenntnis als ältere (26,6%), begünstigt sowohl durch die positive Grundhaltung zu Aktien und Börsen als auch durch die stärkere Nutzung digitaler Medien.
Auch für die Altersvorsorge – Aktien für Frauen noch wichtiger als für Männer.
Heuser hält eine größere Offenheit der Frauen gegenüber Börsen und Aktienmärkten gerade aus Gründen der Altersvorsorge für dringend geboten: „Niedrigere Einkommen und geringere Beitragszeiten der Frauen führen zu durchschnittlich deutlich weniger monatlicher Rente vom Staat. Hinzu kommt eine um etwa 5 Jahre längere Lebenserwartung, die sich schon rein rechnerisch in einem niedrigeren Absicherungsniveau der privaten Altersvorsorge niederschlagen kann. Das Geld muss schlicht länger halten.“ Renditeorientierte Anlagen seien für Frauen deshalb sogar noch wichtiger als für Männer. Daher führe kein Weg am Aktienmarkt vorbei – mit Vorsorgeangeboten, die auf einen gut funktionierenden Risikoausgleich setzen, ergänzt Merken von der DWS: „Aktienfonds bieten die Möglichkeit, mit nur einem Anlageprodukt in einen Korb aus gut ausgewählten Aktien zu investieren. Die breite Streuung kann die Risiken im Vergleich zu einem Investment in Einzelaktien mindern. Auch ein Sparplan mit festen monatlichen Beträgen kann über einen längeren Zeitraum hinweg mögliche Schwankungen der Börsen dämpfen: Bei niedrigeren Börsenkursen kauft man mehr Anteile, bei höheren Kursen weniger Anteile.“
Lazic gibt sich zuversichtlich, dass Frauen in ihrer positiven Grundeinstellung zur aktienbasierten Geldanlage weiter aufholen: „Wir sehen ein deutliches Jung-AltGefälle. Die jüngeren Generationen von Frauen sind gut ausgebildet, sie sind überdurchschnittlich an Finanzthemen interessiert und ergreifen häufiger die Initiative als Ältere – im Internet, an der Börse, beim Gang zum Finanzberater. Diese Frauen prägen als treibende Kräfte eine moderne Aktien- und Börsenkultur in Deutschland.“ (fw)