AfW nimmt Stellung zur EU-Kleinanlegerstrategie
28.08.2023
Am 24. Mai hat die EU-Kommission einen Vorschlag für eine Richtlinie zur Verbesserung der Vorschriften für den Schutz von Kleinanlegern (Kleinanlegerstrategie / Retail Investment Strategy) vorgestellt. Darin enthalten ist u. a. ein Provisionsverbot für Versicherungsmaklerinnen und -makler für die Beratung und Vermittlung zu Versicherungsanlageprodukten. Vor dem Hintergrund der weitreichenden Bedeutung hat der AfW – Bundesverband Finanzdienstleistung e. V. ein rechtswissenschaftliches Gutachten bei dem renommierten Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin zur Frage der Vereinbarkeit dieser beabsichtigten Regelung in Artikel 30 Absatz 5b) lit. b) IDD-E mit höherrangigem europäischen Recht erstellen lassen.
Prof. Dr. Schwintowski ist u.a. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der Verbraucherorganisation „Bund der Versicherten“, war lange Jahre Mitglied des Versicherungsbeirats bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) und Mitglied der vom Bundesministerium der Justiz eingesetzten Kommission zur Reform des Versicherungsvertragsrechts (VVG-Reformkommission). Seine Arbeitsschwerpunkte liegen neben dem Versicherungsrecht auf dem europäischen Recht, mit Schwerpunkt auch auf dem Wettbewerbsrecht. Seine Expertise ist unzweifelhaft.
In seinem Gutachten stellt Prof. Dr. Schwintowski fest, dass die vorgesehene Reglung in Art. 30 Absatz 5b RL-E nicht mit europäischem Recht vereinbar und folglich nichtig wäre. Zusammengefasst ergibt sich mit Blick auf die Europarechtswidrigkeit:
Es fehlt an einer Kompetenzgrundlage, die diese Regelung legitimiert, da Art. 62, 53 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht eingreifen. Die geplante Regelung erleichtert nicht die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit für Versicherungsmakler, sondern erschwert sie ganz erheblich.
Verletzt ist ebenso das Kohärenzprinzip (Art. 7 AEUV) sowie das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung, das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 5 des Vertrags über die Europäische Union - EUV).
Ferner ist der Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art. 4 Abs. 3 EUV) verletzt, ebenso wie der Grundsatz einer offenen Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb (Artt. 119, 120 AEUV).
Schließlich sind die wirtschaftliche Freiheit (Art. 15/16 der Charta der Grundrechte der europäischen Union – EU-GRCh) und der Gleichheitssatz (Art. 20 EU-GRCh) verletzt.
Versicherungsmakler werden im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern massiv benachteiligt und diskriminiert. Damit sind Makler gegenüber gebundenen Vertretern praktisch nicht mehr wettbewerbsfähig.
Die Folge hiervon, so das Gutachten, wäre nicht nur eine erhebliche Erschwerung der Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit als Makler im Europäischen Binnenmarkt, sondern auch eine deutliche Erschwerung des Vertriebs von Versicherungsanlageprodukten im Binnenmarkt, da die Wettbewerbsbedingungen für den Vertrieb dieser Produkte sehr unterschiedlich werden würden.
Auch für die Kunden würde die Umsetzung des Kommissionsvorschlages zu einem erheblichen Nachteil führen. Sie könnten auf den Sachverstand unabhängiger Sachwalter, die in ihrem Kundeninteresse tätig sind, nicht mehr zählen, da sich diese im Wettbewerb gegenüber gebundenen Vertretern nicht mehr behaupten könnten. Verbraucher würden folglich ausgerechnet diejenigen Vermittler verlieren, die im Interesse der Kunden für einen umfassenden Marktüberblick und einen Vergleich der Produkte so sorgen, dass die jeweils qualitativ besten Produkte den Kunden empfohlen werden.
Das Gutachten hebt einen weiteren, wesentlichen Aspekt hervor: Da bei einer Umsetzung des Entwurfes die Makler im Wettbewerb um den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten ausscheiden würden, würden sie als wesentlicher Treiber eines Wettbewerbs um die besten Produkte wegfallen. Es gäbe nur noch die gebundenen Vertreter, die ihrerseits diesen Wettbewerb gegenseitig nicht realisieren können, da sie an einen bestimmten Anbieter gebunden sind.
Für die Offenheit und Funktionsfähigkeit der Märkte wäre das Zurückziehen der Makler von großem Nachteil, weil die Anpassung der Produktmerkmale an die jeweils besten Produkte letztlich über die Makler getrieben wird, denn sie sind der verlängerte Arm und das Sprachrohr der Kunden. Eine vergleichbare Funktion erfüllen gebundene Vertreter nicht, da sie aufgrund ihrer Bindung an einen oder mehrere Produktgeber einen Wettbewerb um Produkte im Gesamtmarkt nicht entfalten – andernfalls würden sie sich selbst schaden.
Dies zeigt, dass die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs um Versicherungsanlageprodukte im Interesse der Kunden nur gewährleistet ist, wenn Makler bei ihrer Honorierung gegenüber gebundenen Vertretern nicht benachteiligt und diskriminiert werden.
Aus diesen Gründen ist Art. 30 Abs. 5b RL-E mit dem europäischen Recht nicht zu vereinbaren und folglich ungültig. Es wird empfohlen, die Regelung ersatzlos zu streichen.
Diese Empfehlung hat der AfW auch gegenüber der Kommission in einer ausführlichen Stellungnahme zu dem Vorschlag eingebracht, welche daneben eine Vielzahl weiterer Kritikpunkte enthält. In der Stellungnahme wird auf folgende Punkte eingegangen:
Die Überbetonung von Honorarberatung und ein Provisionsverbot, das EU-rechtswidrig ist und sich für Versicherungsmakler als Berufsverbot darstellt, fehlerhafte Ausgestaltung eines Best-Interest-Tests, die einseitige Fokussierung auf einen Kostenvergleich, ohne hinreichenden Blick auf die Wünsche und Bedürfnisse der Kleinanleger, unscharfe Anforderungen an eine Portfolioberücksichtigung, überflüssige Offenlegungsanforderungen für Zahlungen Dritter, eine zu weitreichende Verlagerung von wesentlichen Konkretisierungen in Delegierte Rechtsakte und unrealistische Zeitpläne.
„Wir erwarten uns eindeutige Unterstützung auch der deutschen Bundesregierung bei diesem Thema. Zustimmung zu einem erwiesen rechtswidrigen Vorschlag der EU-Kommission kann es durch Deutschland nicht geben“ so der Geschäftsführende Vorstand des AfW, Norman Wirth. „Entscheidend ist aber, dass mit dem Vorschlag die Kleinanleger geschädigt werden und mit ihnen ein ganzer kundenorientierter und qualifizierter Berufsstand – die Versicherungsmaklerinnen und -makler. Das kann nicht gewollt sein und muss verhindert werden!“ (fw)