Abmahnung wegen (angeblichen) „Bilderdiebstahls“
17.10.2023
Foto: © Ralf Geithe - stock.adobe.com
Seit einiger Zeit werden Selbstständige gehäuft per Mail von Inkassounternehmen zum Bezahlen eines Schadensersatzes oder nachträglicher Lizenzgebühren für das angebliche Verletzen von Bildrechten aufgefordert.
Nicht selten handelt es sich dabei um Schreiben bzw. E-Mails der Copytrack GmbH Berlin, laut Internet einem „Inkassounternehmen, das im Internet nach unerlaubten Bildnutzungen sucht. Wird es fündig, drängt es wahlweise zum Kauf einer nachträglichen Lizenz, meist in Form eines stark überhöhten Lizenzvertrags, oder fordert zu einer Strafzahlung in gleicher Höhe auf.“
Das Inkassounternehmen ist bekannt
Eine solche Aufforderung erhalten Selbstständige und Dienstleister wie Berater, Handwerker, Therapeuten, Makler usw. zuweilen laut einem in der Mitgliederzeitschrift „M“ der Gewerkschaft Verdi veröffentlichten Artikel selbst dann, wenn sie zum Beispiel in einem Blog-Beitrag auf ihrer Webseite ein Foto von einer Plattform verwendet haben, die wie Flickr ausdrücklich Fotos „zur freien und kostenlosen, auch zur gewerblichen Nutzung“ zur Verfügung stellt.
Dabei versendet das Inkassounternehmen, das nach eigenen Angaben schon „über 200.000 Fälle von Bilderdiebstahl erfasst, nachträglich lizenziert und rechtlich durchgesetzt hat“, anscheinend selbst dann Zahlungsaufforderungen, wenn unklar ist, ob der im Schreiben genannte Rechteinhaber auch tatsächlich der Rechteinhaber ist (https://mmm.verdi.de/beruf/urheberrecht-verletzt-oder-ein-copy-trick-77071)
Auf „Abmahnung“ richtig reagieren & Geld sparen
Selbstständige, die eine solche Aufforderung erhalten, sollten keinesfalls in Panik verfallen und einfach so – zum Beispiel aus Angst vor einem Rechtstreit – den geforderten Betrag bezahlen. Sie sollten vielmehr im Internet erst mal recherchieren, welches Vorgehen bei einer solchen Aufforderung von Copytrack sinnvoll ist. Denn dann finden sie zum Beispiel auf der Webseite anwalt.de unter der Überschrift „Copytrack-‚Abmahnung‘ – richtig reagieren & Geld sparen“ zahlreiche Hinweise, wie man in einer solchen Situation reagieren sollte.
Dass bei den Copytrack-„Abmahnungen“ zum Teil auch deren Versender unklar ist, ob überhaupt eine Rechteverletzung vorliegt, geht auch daraus hervor, dass die Schreiben meist als „Berechtigungsanfragen“ bezeichnet werden. Eine solche E-Mail stellte uns eine angeschriebene Beraterin freundlicherweise zur Verfügung.
In ihr wird die Solo-Unternehmerin u.a. aufgefordert, bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt an die Copytrack GmbH „einen Kaufnachweis sowie alle weiteren Lizenzinformationen“ zu senden. Danach heißt es in der E-Mail: „Ist dies nicht der Fall, so stellt Ihre Nutzung des Bildmaterials höchstwahrscheinlich eine Rechteverletzung dar.“ Also erfolge eine weitere anwaltliche Verfolgung, sofern der Empfänger der Mail keinen Schadenersatz von 350 Euro bezahle oder nachträglich eine einjährige Bildlizenz für 389.59 Euro erwerbe.
Problemfall: Bilder von Artikeln mit integrierten Fotos
Wie groß die Abmahnwut von Copytrack ist, zeigt auch eine Berechtigungsanfrage beziehungsweise Zahlungsaufforderung, die ein österreichischer Berater in englischer Sprache erhielt. Der Anlass: Der Berater hatte auf seiner Webseite in der Rubrik „Veröffentlichungen“ in Briefmarkengröße ein Bild der Startseite eines mehrseitigen Artikels veröffentlicht, der in einer Fachzeitschrift von ihm erschienen war. In das Layout dieses Artikels hatte die Redaktion zu Illustrationszwecken auch ein Foto integriert, wegen dessen Verwendung der Berater nun ebenfalls zur Bezahlung von fast 400 Euro aufgefordert wurde – und dies, obwohl der Verlag die Rechte zur Veröffentlichung des Fotos erworben hatte.
Wie die Rechtssituation bei der Veröffentlichung des Bilds eines Artikels, in den auch ein Foto integriert ist, durch Dritte ausschaut, konnten dem Berater in mehreren Telefonaten auch die Rechtsanwälte des Verlags nicht sagen. Ob der Berater daraufhin den geforderten Betrag an das Inkassounternehmen einfach überwies, um Ruhe zu haben – wie viele seiner Kollegen – das wissen wir leider nicht.
Ebenso wissen wir nicht, ob das aktuelle Anschwellen der Zahl der Aufforderungen auf Zahlung eines Schadensersatzes oder nachträglicher Lizenzgebühren wegen angeblicher Bildrechteverletzungen auf einen verstärkten KI-Einsatz bei dem Inkassounternehmen zurückzuführen ist. Möglich wäre es.
Vertritt Copytrack überhaupt den Inhaber der Bildrechte?
Auffallend ist übrigens auch, dass in allen „Berechtigungsanfragen“, die wir kennen, derselbe „Rechteinhaber“ als Mandant genannt wird, obwohl die beklagten Fotos einen völlig unterschiedlichen Charakter haben. Lohnenswert wäre es deshalb eventuell auch, bei Copytrack mal nachzufragen, ob das Unternehmen überhaupt belegen kann, dass es den betreffenden Herren vertritt und das beklagte Bild überhaupt von ihm stammt.
Denn dies ist nicht immer der Fall. So erhielt zum Beispiel die oben erwähnte Beraterin, als sie bei Adobe bzw. Fotolia nachfragte, ob der in der „Berechtigungsanfrage“ von Copytrack genannte Rechteinhaber des Bildes überhaupt der Rechteinhaber sei, die Antwort „Nein“. Als sie u.a. dies Copytrack mitteilte, bekam sie von dem Inkassounternehmen folgende lapidare (Standard-)Antwort:
Sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Ihre Nachricht.
Wir haben die von Ihnen zur Verfügung gestellten Informationen geprüft und sind zum Entschluss gekommen, diesen Fall zu schließen. Wir danken Ihnen für Ihre freundliche Zusammenarbeit.
Mit freundlichen Grüßen
Dorothy
Dieses Vorgehen legt den Verdacht nahe, dass die Bildrechtenachfragen von Copytrack zumindest teilweise ein Fake sind beziehungsweise Schreiben, die das Inkassounternehmen einfach so auf Verdacht ohne Mandat versendet, in der Hoffnung, dass einige Empfänger dieser Schreiben – um die Angelegenheit schnell vom Tisch zu haben und aus Angst vor einem Rechtsstreit – die Forderung (ungeprüft) bezahlen.
Copytrack hat seine Zielgruppen anscheinend klar definiert
Dieser Verdacht ist auch deshalb nicht unbegründet, da Copytrack seine Berechtigungsanfragen anscheinend bevorzugt an Solo- oder Kleinunternehmer versendet, bei denen klar ist: Das Unternehmen hat keine eigene Rechtsabteilung, die die Angelegenheit bearbeitet. Auch dass Rechtsanwälte oder Steuerberater, die oft mit Rechtanwälten kooperieren, solche Schreiben erhielten, ist uns zumindest nicht bekannt.
Kommentar von Bernhard Kuntz, Inhaber der Marketingagentur Die PRofilberater.