Zins schlägt den Faktor Lage
14.06.2022
Andreas Schroback, CEO der AS Unternehmensgruppe Holding GmbH / Foto: © AS Unternehmensgruppe
finanzwelt: Immobilienblase? Kündigt sich eine allgemeine Trendwende an? Schrobback» Die Frage ist eher, wie entwickeln sich die Immobilienpreise in Zeiten von Lieferengpässen und Rohstoffmangel? Laut aktuellen Daten der Deutschen Bank Research würde sich der Preisanstieg frühestens ab 2024 und auch nur langsam abschwächen. Der Ukraine-Krieg wird die Preise allerdings zumindest temporär anheben. Im Durchschnitt verteuerten sich Wohnimmobilien laut Statistischem Bundesamt 2021 in Deutschland um satte 11 % im Vergleich zum Vorjahr. Einen Rekord verzeichnete das 4. Quartal 2021 mit einer Preisentwicklung von durchschnittlich 12,2 % – der stärkste Anstieg bei Wohnimmobilien seit Beginn der Zeitreihenanalysen im Jahr 2000. Angesichts der gesamtökonomischen und gesellschaftlichen Lage sind so viel Robustheit und Resilienz beeindruckend. Die Herausforderungen stapeln sich, wohin man auch schaut. Die heftige Rückkehr der Inflation mit ihren Folgen für die Zinspolitik, der Bauboom mit seinen mehr als 300.000 Wohneinheiten pro Jahr, die zunehmenden klimapolitischen Auflagen der Politik für Gebäude und natürlich die großen Probleme mit den Lieferketten, unter denen die Rohstoffbeschaffung für die Bauwirtschaft drastisch leidet.
In ihrer Folge waren nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes die Preise für einzelne Materialien wie etwa Holz und Stahl im vergangenen Jahr so stark gestiegen wie seit 1949 nicht mehr. Ähnliches gilt auch für die Kosten der eminent nachgefragten Bauleistungen – im Durchschnitt verlangten die Firmen im Jahr 2021 satte 9,1 % mehr als im Jahr davor. Als ob das alles nicht reicht, gießt jetzt auch noch der Krieg in der Ukraine mit seinen geopolitischen Verwerfungen Öl ins Feuer. Und das zu einem Zeitpunkt, an dem die Branche dabei war, Projekte wieder aufzunehmen, die in den Hochzeiten von Corona auf Eis gelegt wurden. Durch Putins Einmarsch werden nun die pandemiebedingten Preissprünge und Engpässe derart forciert, dass eine seriöse Kalkulation von Neubauprojekten zunehmend unmöglich wird. Bleibt die Frage, ob vor dem Hintergrund von so vielen Unwägbarkeit der Preistrend im Immobiliensektor immer so weiter gehen kann? Zumindest wird es regional auf dem deutschen Wohnungsmarkt erste Zeichen der Entspannung geben. Und auch die Assetklasse der Bestandswohnimmobilien wird dem Neubau deutlich überlegen sein und verstärkt nachgefragt werden.
Aber Vorsicht ist geboten, immerhin kennzeichnen widersprüchliche Entwicklungen die Situation. Einerseits schieben die Ankunft von Kriegsflüchtlingen mit logischen Wohnbedürfnissen sowie die steigende Inflation das Zyklusende auf, andererseits aber legen eine engagierte Klimapolitik und eine Absenkung finanzieller Anreize zur energetischen Sanierung einen baldigen Abschluss des Zyklus nahe. Die deutschen Immobilienpreise werden dann lediglich moderat nachgeben. Ausgehend von einer Inflation von nur 2 %, wird der Rückgang zwischen 2024 und 2026 auf 2 % pro Jahr beziffert, womit Immobilien hierzulande im internationalen Vergleich durchaus noch teuer bleiben. Geht man für 2022 und 2023 von einem Inflationsplus von erneut 7 bis 8 % aus und unterstellt man im Anschluss an die Korrekturphase das durchschnittlich nominale Preiswachstum zwischen 1970 und 2008 von 2,5 %, dürfte der Preisrückgang noch geringer ausfallen. Die Immobilienpreise 2030 lägen dann kumuliert um 24 % höher als im Jahr 2021!
finanzwelt: Inwieweit variieren denn die Chancen für den Immobilienpreisanstieg, mit Blick auf die unterschiedlichen Städte? Schrobback» Auch wenn die fundamentale Angebotsknappheit in vielen Städten – etwa durch geringeren Zuzug in den Pandemiejahren – beseitigt ist, Immobilieninvestoren müssen sich keine übertriebenen Sorgen machen! Unterschiede werden allerdings zwischen den großen und mittelgroßen deutschen Städten bestehen. Während sich etwa in Hamburg, Düsseldorf, Bremen und Nürnberg ein Ende der Knappheit abzeichnet, stehen in Berlin, Köln, Leipzig, Magdeburg und Cuxhaven die Chancen gut, dass dort die Märkte noch für einige Jahre angespannt und die Preise entsprechend stabil bleiben werden. Das Zusammenspiel aus zu wenigen Baugenehmigungen durch die staatlichen Entscheidungsträger und hohem Zuzug an Menschen, der den Zuwanderungssaldo fast ausgleicht, wirken hier als Preistreiber. Die Gefahr einer Blasenbildung ist deshalb eher mäßig, da zu wenig gebaut wird und zukünftig, bedingt durch die steigenden Materialpreise und Lieferengpässe, auch weniger neugebaut werden wird. Bei der Frage, was heute den Preis einer Wohnung am meisten bestimme, lautet die Antwort nicht mehr wie lange Zeit üblich Lage, Lage, Lage. In unserer von Geld gefluteten Ökonomie beschreibt die Faustformel „Zinsen, Zinsen, Zinsen“ den zentralen Faktor viel eher, denn heute wird fast jede Lage teuer bezahlt. (fw)