Wirecard-Desaster – Gier, Corpsgeist und ein zahnloser Tiger
23.07.2020
Tiger - © Steve Munro
Das Wirecard-Desaster nimmt kein Ende. Nun wurden erneut verantwortliche Herren festgenommen. Sollten sich die Vorwürfe weiter erhärten, hat die Führungsriege dem deutschen Finanzmarkt und seinen Anlegern einen Bärendienst erwiesen. Aber auch die Aufsichtsbehörde BaFin steht zu Recht in der Kritik.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz gab in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“ zu bedenken, dass es ihm wichtig sei, dass die BaFin gut ausgestattet sei. Die Behörde ist nach dem Milliarden-Skandal um das mittlerweile insolvente Unternehmen arg in die Kritik geraten. Bei dem im DAX gelisteten Zahlungsdienstleister fehlten rund 2 Milliarden Euro. Eigentlich müsste der oberste Aufsichtshüter, Herr Hufeld, seinen Hut nehmen. Aber mit Personalien alleine ist es nicht getan.
Die Aufsichtsbehörde muss künftig besser und gründlicher hinschauen. Es muss inhaltlich geprüft werden und nicht nur nach formalen Aspekten (generelles Stichwort "Schneeballsysteme"). Sonst bleibt sie ein zahnloser Tiger. Natürlich lassen sich Betrügereien nicht gänzlich vermeiden. Die Annahme, Wirecard sei ein streng hierarchisches System gewesen, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Unternehmen, die diese Strukturen (inkl. evtl. Corpsgeist) aufweisen, sind mitunter dafür prädestiniert. Und auch die Anleger sind aufgerufen, die Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle nach bestem Gewissen zu hinterfragen. Gier und die Aussicht auf exorbitante Gewinne sind schlechte Ratgeber. Wirecard und die verantwortliche Führungsspitze um den ehemaligen Konzernchef Braun und Vorstand Marsalek haben der Wertpapierkultur einen Bärendienst erwiesen. (ah)