Wir müssen ein neues Bewusstsein schaffen

16.12.2019

Schulz-Jodexnis: Mir ist bei Kundengesprächen immer wieder aufgefallen, dass Anleger oft die Geschäftsmodelle hinter den Sachwertangeboten nicht kennen. Die Anleger waren oft sehr dankbar dafür, dass jemand ihnen Alternativen vorgestellt und erklärt hat. Die Tür für den Vertrieb mit Sachwerten steht da meines Erachtens relativ offen. Aber dann bekommt man einen Auftrag für 20.000 Euro, dafür geht man mindestens drei Mal hin. Das Ganze muss auch noch gut dokumentiert werden, so dass alle Anforderungen der Regulierung und aus dem Zivilrecht erfüllt sind. Das heißt, der Vermittler geht mindestens drei Mal zum Kunden und hat noch erheblichen administrativen Aufwand um 20.000 Euro abzuschließen. Wie finden Sie das? Stüfe» Das geht nur digital zu vermitteln. Oder wir müssen einfach in ein Land ziehen, wo man mit 500 Euro im Monat prima leben kann, dann passt es auch.

Schulz-Jodexnis: Wir haben auf Plattformen die Erfahrung gemacht, dass der Kunde digital kein komplexes Produkt kauft. Der schaut sich das an und versteht es nicht. Die wollen, dass ihnen das einer erklärt. Alle, sogar Exporo, haben da Leute dahinter, bei denen man, selbst wenn man nur ein 1.000 Euro Nachrangdarlehen abschließt, anrufen und über das Objekt reden kann. Anders scheint das derzeit noch nicht zu gehen. Ausnahme ist, wenn er es vom Vertrieb irgendwo erklärt bekommt und dann beim „Discounter“, mit Rabatt online zeichnet. Stüfe» 1998 hat es ein amerikanischer Anbieter so gemacht: Eine Mischung aus digitalem Angebot und persönlicher Beratung. Das ist einer der erfolgreichsten im Markt. Nur digital passt nur für ein ganz kleines, sehr spezielles Segment. Das ist in amerikanischen Dimensionen immer noch sehr interessant zu bewirtschaften. Leider nicht in Deutschland, wo der Angstfaktor sehr hoch ist, aber auch die Entfernungen viel kleiner sind. Amerikaner fahren ja schon mal eine Stunde zum Kaffee trinken. Für die ist es aufgrund der großen Entfernung viel selbstverständlicher so etwas digital oder per Telefon zu machen. Heinen» Reden wir hier wirklich über Digitalisierung oder reden wir über die Verschlankung von Prozessen? Die traditionellen Kundengruppen unserer Partner sind 57 Jahre und älter. Gleichzeitig ist aber auch die Vermittlergruppe so alt geworden. Das heißt, wir verlieren gleichzeitig Kundengruppe und Betreuer. Die Sachwertbranche macht aktuell noch Vertrieb aus Sicht einer bestimmten Altersgruppe, nämlich der von 50 Jahren und älter. Interessant für einen wirklichen digitalen Vertrieb sind die Digital Natives, die Gruppe die statt mit der Geldbörse mit der Wallet groß wird. Die gehen auf einer ganz anderen Ebene damit um. Da stellt sich die Frage, ob und wie wir unsere heutige Sachwertewelt dahin transformieren können. Die Generation 0, also die kommende Erbengeneration stellt die zukünftigen Konsumenten bzw. Investoren von Kapitalanlagen. Deren Sicht auf die Digitalisierung ist wahrscheinlich eine ganz andere als die, welche wir zurzeit haben.

Schulz-Jodexnis: Wir sehen bei uns auch, dass der Kunde sich online Informationen zum Angebot holt. Aber der Abschluss komplexer Produkte online ist die Schwierigkeit. Der Kunde 50plus mit 20.000 Euro Anlagesumme, will sich nicht mit der Webcam ins Wohnzimmer schauen lassen, der Kunde mit 60plus hat oft sogar Angst, dass die Kamera überhaupt wieder ausgeht. Wer gibt denn auch einem nicht bekannten Online-Versandhändler einfach so 20.000 Euro? Kampmann» Wir haben ja nichts Haptisches. Wir verkaufen kein Auto oder sonstiges. Wir verkaufen ja ein imaginäres Leistungsversprechen mit hohem Risiko. Deshalb ist für mich das Thema „Vertrauen“, das Face-to-face-Thema, für mich weiterhin essentiell. Unsere Klientel bewegt sich aktuell bei 60plus/minus. Da erleben Sie im Online-Bereich auch viele Abbrüche. Ein gewöhnlicher Zeichnungsschein ist für uns als Anbieter im Grunde selbsterklärend, aber für den Kunden teilweise nicht. Es ist also erforderlich, dass man mit ihm spricht. Es geht nicht alles online. Es ist dann vor allem die Frage, mit welchem Aufwand ich diesen Service betreiben kann.

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