Wir müssen ein neues Bewusstsein schaffen

16.12.2019

Schulz-Jodexnis: Wie sieht es denn in der Branche derzeit aus? Der AIF erzeugt erheblichen Mehraufwand, der zulasten der Rendite des Kunden geht. Hat die Regulierung also zu Mehrkosten geführt, die am Ende der Kunde bezahlt, ohne dass er unbedingt ein sichereres Produkt bekommt? Fangen wir doch mal mit dem Thema Vertrieb an. Uns treibt ja alle die Sorge, dass wir ein Wettsterben zwischen alternden Vermittlern und alten Kunden bekommen und der Markt dadurch weiter schrumpft. Auf der anderen Seite haben wir 87 Mrd. Euro Lebensversicherungsabläufe pro Jahr und x-Milliarden Erbschaften. Allein aus LV Leistungen kommen rund 67 Mrd. Euro im Jahr liquide beim Endkunden an. Wo holen wir die jüngeren Anleger, die Ablaufleistungen der Versicherungen und die Erben, mit unseren Sachwerten ab? Wo sehen Sie die größte Chance für Neukunden? Roth» Es ist klug, mit Versicherungsmaklern zu kooperieren. Wir müssen ihnen klarmachen, dass sie auf einem Füllhorn sitzen, das sie nicht ausschöpfen. Selbst wenn unsere Branche nur 3 oder 4 % von den 87 Mrd. Euro abgreifen würde, könnten wir das gar nicht liefern. Wir lagen ja im Sachwertebereich in der Spitze bei 13, 14 Mrd. Euro. Aktuell liegen wir bei rund einer Milliarde, da ist also noch Luft nach oben. Allerdings hat sich in Folge der Regulierung die Zahl der Anbieter reduziert. Der Weg über Versicherungsmakler ist auf jeden Fall eine Chance, zumindest einen kleinen Teil von den Lebensversicherungsabläufen zu bekommen. Da würde uns bereits ein kleiner einstelliger Prozentsatz reichen, um richtig nach vorne zu kommen.

Schulz-Jodexnis: Wir müssen aber auch wieder näher zum Kunden. Heinen» Das ist ja das Dilemma, in dem wir uns momentan befinden: Wenn man sieht, wie viel Geld im offenen Bereich investiert wird, obwohl wir eigentlich mittlerweile gleich gestaltet sind, müssen wir wieder näher an den Kunden herankommen. Wir müssen ihm, aber auch den Beratern erklären, wo die Vorteile von Sachwertinvestments liegen. Scheinbar hat nur das Sachwertinvestment in der Darstellung Verlustrisiken, aber dass ein Aktienfonds eben auch von plus 20 % auf minus 20 % schwanken kann, wird gerne übersehen. Bei einem gut konzipierten und valide aufgebauten Sachwertinvestment sind mit prognostizierten Zielrenditen von 5 oder 6 % RR p.a. und mehr auszugehen. Wenn es ungünstig läuft, bin ich bei 4 oder 4,5 %. Wir müssen ein neues Bewusstsein schaffen. Die aktuell angewandte Digitalisierung führt zwar zu mehr Rechtssicherheit für den Vertrieb und schnellerer Abwicklung, das ist aber nicht das, was am Ende zu mehr Umsatz führen wird. Das ist im Prinzip nur eine andere Verpackung der Vergangenheit. Roth» Die digitale Zeichnung ersetzt den Papierkrieg. Sie soll aber nie die Vertriebspartner ersetzen, sondern vielmehr soll sie sie unterstützen.

Schulz-Jodexnis: Das macht Sinn: Solange man 140 Euro für die Abwicklung eines Zeichnungsscheins zahlen muss, ist das auch einfach auf der Anbieterseite ineffizient. Wie sehen Sie denn die Welt des Vertriebes und der Neukunden, die wir alle ja jetzt suchen? Kampmann» Die Vertriebswelt ist derart reguliert worden, so dass man sich schwer dabei tut, als Vertrieb vielfältig unterwegs zu sein. Der Aufwand der dafür betrieben werden muss, übertrifft das Maß dessen, was noch vernünftig ist. Die unterschiedlichen Genehmigungen und Auflagen machen das Ganze noch komplexer. Unsere Welt limitiert sich dabei selber. Richtig, wir haben wahnsinnig viel Geld auf irgendwelchen Girokonten liegen, was man durchaus investieren könnte. Aber ich muss eine Möglichkeit haben, an den Kunden heranzukommen und mit dem zu reden. Und obwohl der Vermittler den unmittelbaren Draht zum Kunden hat, das Asset und auch die Vor- bzw. Nachteile kennt, unterliegt er in der Ansprache vielfältigen Regelungen und Beschränkungen. Verlässt er diesen Korridor, bewegt er sich in einer Grauzone, oder auch außerhalb dieser. Das kann nicht zielführend sein. Weder für die Kunden, noch für die Branche in Gänze.

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