Wertpapierkultur - Fehlanzeige
28.02.2020
Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand Deutsches Aktieninstitut / Foto: © Deutsches Aktieninsitut
Die Negativzinsen sind mittlerweile ein Dauerbrenner. Viele beschweren sich über die Tatsache, keine Zinsen mehr auf ihr Erspartes zu bekommen. Angesichts der Hausse an den Finanzmärkten könnte man meinen, die deutschen Sparer würden langsam aber sicher die Aktie als ein geeignetes Anlagevehikel zur Renditeerzielung in Betracht ziehen. Logischerweise müsste die Zahl der Aktionäre steigen. Das Gegenteil ist leider der Fall.
Die Zahl der Aktienbesitzer sank 2019 im Vergleich zum Vorjahr um rund 660.000 Menschen, wie das Deutsche Aktieninstitut in seinen heute veröffentlichten Aktionärszahlen feststellt. Für die deutsche Aktienkultur stellt das Jahr 2019 damit einen Rückschlag dar.
2019 gab es in Deutschland 9,7 Millionen Aktienbesitzer. Das heißt knapp jeder Siebte beziehungsweise 15,2 Prozent der Bürgerinnen und Bürger über 14 Jahren war in Aktien oder Aktienfonds investiert.
„Obwohl sich der Aktienmarkt letztes Jahr sehr positiv entwickelt hat, sank die Zahl der Aktienbesitzer 2019 nach zwei Jahren positiver Entwicklung erstmalig wieder. Auch wenn dies für die deutsche Aktienkultur einen Rückschlag bedeutet, stimmt der langfristige Trend dennoch positiv“, resümiert Dr. Christine Bortenlänger, Geschäftsführender Vorstand des Deutschen Aktieninstituts. „Im Vergleich zu 2010 sparen heute rund 1,3 Millionen Menschen mehr in Aktien oder Aktienfonds. Das letzte Jahrzehnt war unterm Strich ein erfolgreiches Jahrzehnt für die Aktie“, betont sie.
Mögliche Gründe für den Rückgang und Forderung an die Politik
Die Kursverluste 2018 und pessimistische Konjunkturausblicke können Anleger nervös gemacht und dazu geführt haben, sodass sie sich von Aktien getrennt haben. Auch die Signale, die die Politik mit Blick auf die Aktienanlage sendet, sind kontraproduktiv. So droht die diskutierte Finanztransaktionssteuer auf Aktien, potenzielle Aktionäre und Fondsparer abzuschrecken.
„Die Politik muss das Umfeld für Aktien und Aktienfonds dringend verbessern. Sie sollte das langfristige Engagement der Menschen in Aktien fördern, statt diesem durch eine diskriminierende Steuerpolitik Steine in den Weg zu legen“, kritisiert Bortenlänger. „Gerade angesichts des sinkenden Rentenniveaus sollten wir die attraktiven Renditen von Aktien in der Altersvorsorge dringend stärker nutzen“, ergänzt sie.
„Eine breit gestreute, langfristige Aktienanlage erwirtschaftet durchschnittlich jährliche Renditen von sechs bis neun Prozent, wie unsere DAX-Rendite-Dreiecke zeigen. Für den Vermögensaufbau und die Altersvorsorge sind Aktien deshalb prädestiniert. Das sollte für die Politik Grund genug sein, sich in allen Regionen Deutschlands beherzt für Aktien einzusetzen“, fordert Bortenlänger.
Ost-West-Unterschiede weiterhin spürbar
Anlässlich des 30. Jahrestages des Mauerfalls 2019 gibt es in der aktuellen Ausgabe der Aktionärszahlen einen ausführlichen Ost-West-Vergleich. Die Aktienkultur in beiden Landesteilen unterscheidet sich dabei nach wie vor deutlich. Während in Westdeutschland jeder Sechste Aktien oder Fonds besitzt, ist es im Osten des Landes nur knapp jeder Zehnte.
Die Vorlieben für die Art und Weise, wie in Aktien angelegt wird, sind in Ost und West unterschiedlich ausgeprägt: Mit 45 Prozent hat knapp die Hälfte der Aktiensparer im Westen mindestens eine Aktie im Depot, das sind 3,7 Millionen Menschen. In Ostdeutschland sind direkte Beteiligungen an Unternehmen weniger verbreitet. Dort gibt es nur 423.000 Aktionäre, die direkt Anteile an Unternehmen halten. Das sind nur ein Drittel aller ostdeutschen Aktienbesitzer. Das Sparen in Aktien über die Fondsanlage wird im Osten eindeutig bevorzugt. (ah)