Wenn Geld stirbt

23.09.2013

**In der Geschichte der Menschheit hat noch kein auf reines Vertrauen in die Obrigkeit begründetes Papiergeld-System überlebt. Derzeit laufen die Euro-Druckpressen auf Hochtouren, um eine unübersehbare Zahl von „Rettungsprogrammen" mit frisch geschaffenen Euros zu zahlen. Wir sprechen mit *Hans-Olaf Henkel* über die Risiken dieses Vorgehens für Anleger und Sparer.**

finanzwelt: Herr Henkel, wenn es stimmt, dass der Euro nur dann überleben kann, wenn die ökonomischen Verhältnisse innerhalb der Eurozone einigermaßen ausgeglichen werden („Die Euro-Lügner", Seite 172), was bedeutet Ihrer Ansicht nach ein solcher „Ausgleichsmechanismus", wenn er denn greift, voraussichtlich für diejenigen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die versuchen, Ersparnisse aufzubauen, Vermögen zu erhalten und zu bilden und rentable Vermögensanlagen zu tätigen?

Henkel: Ich gebe selbst keine Ratschläge, denn ich bin kein Vermögensberater. Ich verrate Ihnen aber gern, was ich selbst mache. Da die Euroretter die Beschädigung der Eurozone in Kauf nehmen, investiere ich mein Geld möglichst außerhalb des Euroraums: z. B. in Norwegen, der Schweiz und in den USA. Ich traue auch solchen deutschen Aktien, die diejenigen Firmen repräsentieren, die ein Großteil ihres Geschäftes außerhalb der Eurozone abwickeln, z. B. Bayer, Daimler und Lanxess.

finanzwelt: Die Abschaffung der No-Bailout Klausel – wieso ist das der Zugriff auf die Ersparnisse der Deutschen?

Henkel: Diese Klausel war einmal eine Art Brandmauer, die die damalige Bundesregierung bei der Einführung des Euro eingezogen hat. Sie schützte deutsche Steuerzahler und Sparer vor ausgabefreudigen Politikern in den Südländern. Im Mai 2010 hat die Bundesregierung diese Brandmauer auf französischen Druck zum Einsturz gebracht.

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finanzwelt:**Was bedeutet Ihrer Ansicht nach die Einführung von Eurobonds für die Vermögen der Deutschen?

*Henkel:* Inzwischen nicht mehr viel, denn faktisch haben wir die Eurobonds schon. Da ist zum einen der ESM, der Europäische Stabilitätsmechanismus, der es jetzt ermöglicht, dass ausländische Banken direkt aus seinen Mitteln finanziert werden können. Zu 27 % sind die Deutschen an der Finanzierung des ESM beteiligt. Da ist zum anderen die Aussage des Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), der selbst gesagt hat, dass er alles tun wolle, um den Euro zu retten. „Alles" kann hier nur der Aufkauf von Staatsanleihen aus den Südländern bedeuten. Da diese einen zweifelhaften Wert haben, Deutschland für die EZB aber mithaftet und innerhalb der EZB das gleiche Stimmengewicht wie Zypern hat, bedeutet das nicht nur mehr eine Bürgschaft, sondern, dass wir der EZB eine Art Einzugsermächtigung gegeben haben. Schließlich ist auch das Projekt einer europaweiten Einlagensicherung nicht vom Tisch. Das heißt, dass am Ende auch deutsche Sparer für spanische, griechische und französische Banken mithaften sollen.

finanzwelt: Warum greifen die EZB, Fed und BoJ als vermeintlich alternativloses Mittel zur „Nullzins-Politik"?

Henkel: Weil sie unter dem Einfluss südländischer, insbesondere französischer Politik stehen. Dass sich der französische Präsident Francois Hollande über zu hohe Zinsen der EZB beschwert, während Kanzlerin Angela Merkel in der gleichen Woche vor dem Deutschen Sparkassentag meint, die Zinsen seien zu niedrig, sagt doch alles. Beide haben Recht. Ein Einheitszins kann nie den jeweiligen konjunkturellen und inflationären Situationen gerecht werden.

finanzwelt: Woran liegt es, dass sich die europäischen Regierungen heimlich über Inflation freuen?

Henkel: Stellen Sie sich nur zwei Fragen: Erstens: Wer profitiert von der Inflation? Antwort: Immer der Schuldner, denn dieser kann die Schulden mit entwertetem Geld zurückzahlen. Zweitens: Wer ist der größte Schuldner? Antwort: der Staat!

finanzwelt: Erhalten deutsche Sparer Ihrer Meinung nach derzeit einen gerechten Zins für ihre Ersparnisse?

Henkel: Natürlich nicht. Die Inflation ist höher als der Zinsertrag. Sollte der Zinsertrag steigen, wird die Europolitik dafür sorgen, dass die Inflation steigt.

finanzwelt: Was glauben Sie, gilt derzeit die gute alte Regel des Sparens – Geld zur Seite legen und später etwas davon haben – heute noch? Und wenn nein, wer hat diese Regel womit getötet?

Henkel: Sie gilt wohl nur noch, wenn man Sachwerte zur Seite legt. Das können Aktien sein, das können sehr stabile Währungen sein, das kann Gold sein oder eine Immobilie.

finanzwelt: Kann Geld, wie z. B. der Euro, „sterben"?

Henkel: Klar! Ich selbst habe in meinem Leben schon fünf Währungen in Deutschland erlebt, davon sind vier schon tot: die Reichsmark, das Besatzungsgeld, die D-Mark und die Ost-Mark. Alle Gemeinschaftswährungen haben über kurz oder lang das Zeitliche gesegnet.

finanzwelt: Was könnten Sie einer Mitbürgerin oder einem Mitbürger, die heute damit beginnen zu sparen, um Vermögen für Familie und Alterssicherung aufzubauen, als „Goldene Regel" in der Eurokrise mitgeben?

Henkel: Wie schon gesagt, ich gebe keine Ratschläge. Mehr tun, als zu verraten, wie ich reagiere, kann ich nicht.

_Hans-Olaf Henkel war Chef von IBM Europa, Mittlerer Osten und Afrika mit Dienstsitz in Paris und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Heute ist er als Beirat in internationalen Finanzhäusern und multinational handelnden deutschen und Schweizer Konzernen tätig. Als Publizist liegt ihm der Bürger als freier Citoyen am Herzen. Sein aktuelles Werk „Die Euro-Lügner" wirft ein grelles, aber überfälliges Licht auf die von der Politik geschaffenen Probleme und die negativen Aspekte der Währung „Euro" für den einzelnen Bürger und dessen Zukunft.

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(Das Interview führte Christoph Sieciechowicz)

Interview mit Hans-Olaf Henkel - Printausgabe 05/2013