Wenn der Versicherungsmakler haftet

11.10.2015

Die Haftung des Versicherungsmaklers ist ein Dauerbrenner und beschäftigt seit Jahren Rechtsanwälte und Gerichte gleichermaßen. Immer wieder dreht es sich hierbei um die gleichen Fragen: Hat der Makler die ihm obliegenden, umfassenden Pflichten gegenüber seinem Kunden erfüllt?

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Marc Ellerbrock, Partner, BEMK Rechtsanwälte, Markdorf. Sein Tätigkeitsschwerpunkt ist u. a. die Abwehr von Haftungsansprüchen von Finanzdienstleistungen und Versicherungsmaklern.

Man muss sich vor Augen halten, dass der Makler von der Rechtsprechung als „treuhänderischer Sachverwalter“ seines Kunden bezeichnet wird. Der Makler muss seinen Kunden den individuell passenden Versicherungsschutz besorgen, wobei er das zu versichernde Risiko von sich aus untersuchen und den Versicherungsgegenstand prüfen muss. Der Pflichtenmaßstab des Maklers ist somit sehr ausgeprägt und geht oft weiter als z. B. die Pflichten eines Anlageberaters zur anleger- und objektgerechten Aufklärung bei Vermittlung einer Kapitalanlage.

Dokumentationspflichten

Seit der Neufassung des VVG zum 01.01.2008 hat der Makler sich zudem gemäß § 61 VVG verpflichtet, den Inhalt der von ihm durchgeführten Beratung auch zu dokumentieren. Diese Dokumentation muss die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden, den Umfang der vom Makler erteilten Beratung sowie die Gründe für den abschließend erteilten Rat beinhalten. Leider konnte in der Vergangenheit in der Praxis beobachtet werden, dass diese Dokumentationsverpflichtung von vielen Maklern nicht so ernst genommen wird wie es geboten wäre. Dies liegt vielleicht darin begründet, dass eine unterlassene Dokumentation für sich gesehen nicht zu einer Schadenersatzverpflichtung des Maklers führt. Was viele Makler aber nicht wissen: Ist der Kunde mit dem erteilten Rat nicht einverstanden und nimmt er den Makler gerichtlich in Anspruch, führt eine fehlende oder auch unvollständige Dokumentation zu einer sogenannten Beweislastumkehr. Nicht der vermeintlich oder tatsächlich falsch beratene Kunde muss daher belegen, dass er von dem Makler falsch aufgeklärt wurde. Vielmehr muss der Makler darlegen und beweisen, dass er über das streitgegenständliche Versicherungsprodukt richtig aufgeklärt hat. Ein solcher Beweis kann regelmäßig nicht geführt werden, da nur die wenigsten Makler Begleitpersonen bei sich haben dürften, die den Inhalt eines Beratungsgespräches vor Gericht als Zeugen wiedergeben können.

>>>> In der Praxis gehen somit eine Vielzahl vonHaftungsverfahren

aus Sicht des Maklers verloren,weil dieser nicht oder nicht ausreichend protokollierte. Hierzu ein Beispiel:

Bittet ein Kunde um den Abschluss eines neuen Rechtsschutzvertrages, so ist der Makler zunächst verpflichtet, den Umfang des bereits bestehenden Rechtsschutzvertrages zu überprüfen. Hierzu benötigt er im Regelfall die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen. Sofern der Kunde über diese nicht mehr verfügt, muss der Makler beim Versicherer nachfragen. Wenn eine solche Nachfrage ohne Erfolg bleibt, muss der Makler im Protokoll festhalten, welche Bemühungen er angestellt hat, um die Versicherungsbedingungen zu erhalten und warum ihm dies nicht gelungen ist. Er muss zudem festhalten, dass er aus diesem Grunde die alten Versicherungsbedingungen nicht mit den neuen Bedingungswerken abgleichen konnte. Gleiches gilt für den Fall, dass der Kunde auf den Abgleich der Versicherungsbedingungen keinen Wert legt. Dieser Fall dürfte jedem Makler aus der Praxis bekannt vorkommen. Sehr häufig hört man Sätze wie: „Och, Herr XY, machen Sie sich doch nicht zu viel Mühe. Das geht auch so.“ Ein solch faktischer Verzicht des Kunden auf zwingende erforderliche Aufklärungsbestandteile sollte unbedingt im Protokoll festgehalten werden. Von großer Bedeutung ist auch, dass der Makler im Rahmen des Protokolls begründet, warum er eine entsprechende Abschlussempfehlung erteilt hat. Diese Begründung sollte ebenso stichhaltig wie nachvollziehbar sein, wobei der Hinweis, dass lediglich ein Kundenwunsch umgesetzt wurde, nicht ausreicht. In der Begründung muss sich vielmehr das Fachwissen des Maklers niederschlagen und es müssen objektive, fachlich belegbare Fakten für die Empfehlung des Maklers sprechen. Der Gesetzgeber sieht im Übrigen nicht vor, dass ein gemäß § 61 VVG angefertigtes Beratungsprotokoll vom Kunden unterzeichnet werden muss. Dennoch ist eine solche Unterzeichnung dem Makler aus Beweisgründen dringend zu empfehlen. Der Kunde hat zudem die Möglichkeit auf die Anfertigung einer Dokumentation zu verzichten. Von einer solchen Möglichkeit sollte jedoch nur in absoluten Ausnahmefällen Gebrauch gemacht werden. Der Kunde muss im Rahmen einer gesonderten Erklärung sodann bestätigen, dass er auf den Umstand aufmerksam gemacht wurde, dass der Verzicht auf die Dokumentation die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen seinen Makler unter Umständen erschwert. Eine solche Bestätigung muss stets individuell erstellt werden. Eine formularmäßige Bestätigung, z. B. im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, reicht hierzu nicht aus.

>>>> Nicht nur im Rahmen von Sachversicherungen sollte der Makler auf seine Dokumentationspflicht achten. Auch bei der Vermittlung von Lebensversicherungsverträgen lauern Haftungsfallen, denen der Makler durch Anfertigung eines vollständigen Protokolls wirksam entgegentreten kann. Auch hierzu ein Beispiel:

Bekanntermaßen sind Lebensversicherungsverträge, welche vor dem 01.01.2005 abgeschlossen wurden, steuerbegünstigt. Berät ein Makler zur Kündigung eines solchen Vertrages, sollte hierzu ein Protokoll auch dann angefertigt werden, wenn kein neuer Vertrag abgeschlossen wird. Im Protokoll ist sodann unbedingt festzuhalten, dass auf die Steuerbegünstigung des Altvertrages hingewiesen wurde. Zudem ist zu begründen, warum der Makler trotz Steuerbegünstigung zur Kündigung des Vertrages angeraten hat. Fehlt auch nur eines dieser Bestandteile des Protokolls, dürfte dies im Streitfall vor Gericht als unvollständig angesehen werden mit der Folge der bereits angesprochenen Beweislastumkehr.

Von herausragender Bedeutung ist die Dokumentationspflicht im Falle der Umdeckung von Lebensversicherungsverträgen auf risikogeneigtere Kapitalanlagen, z. B. des Graumarktes. Auch wenn man hier in Zusammenhang mit der Empfehlung des Neuproduktes den unmittelbaren Anwendungsbereich des VVG verlässt: Eine sich an § 61 VVG orientierte Dokumentation ist in diesem Fall unerlässlich. Insbesondere sollte der Makler umfassend darlegen und begründen, warum aus seiner Sicht eine Erhöhung der Risikostruktur im Anlageportfolio des Kunden vertretbar, ggf. sogar erforderlich ist. Der Makler sollte sich hierbei nicht auf Beratungsdokumentationen verlassen, welche ihm evtl. von der kapitalsuchenden Gesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Vielmehr empfiehlt es sich hier, wie auch in anderen Fällen, das Protokoll handschriftlich und nicht formularmäßig zu erstellen, am besten gemeinsam mit dem Kunden.

>>>> Sehr häufig werden aus der Maklerschaft Stimmen laut, wonach die hohen Anforderungen des Gesetzgebers an die Protokollierung nicht mehr praxisgerecht seien. So rechtfertige der geringe Courtageanspruch bei Vermittlung einer Rechtsschutzversicherung nicht den erheblichen Aufwand zur Anfertigung eines vollständigen Beratungsprotokolls.

Diesem Einwand kann im Ergebnis jedoch nicht gefolgt werden. Der Makler ist als treuhänderischer Sachwalter seines Kunden ohnehin zur Erbringung entsprechender Beratungsleistungen verpflichtet. Die bloße Protokollierung dieser Beratungsleistungen dürfte angesichts dessen nicht allzu viel Zeit in Anspruch nehmen. Zudem können sich auch aus Verträgen mit geringster Courtageerwartung erhebliche Schadensfällen entwickeln. Nicht nur die fehlerhaft vermittelte Berufsunfähigkeitsversicherung beinhaltet nahezu uferloses Haftungspotenzial, sondern auch fehlerhaft vermittelte Rechtsschutzversicherungen. Im letztgenannten Fall kann der Makler bei fehlerhafter Aufklärung dazu verurteilt werden, für einen Rechtsstreit über bis zu drei Instanzen vollständigen Versicherungsschutz zur Verfügung stellen zu müssen („Quasideckung“). Dies kann sich, in Abhängigkeit vom Streitwert, sehr schnell auf stattliche fünfstellige Beträge summieren.

>>>> Natürlich sind die Makler über ihre Vermögensschadenshaftversicherer gegen solche Fälle abgesichert. Allzu sehr verlassen sollte man sich hierauf jedoch nicht.

Selbstverständlich achten die Haftpflichtversicherer darauf, dass ihre Versicherungsnehmer die ihnen obliegende Verpflichtung zur vollständigen Dokumentation gem. § 61 VVG erfüllen. Sollte dies auf Dauer nicht der Fall sein und sollten aufgrund eines solchen Umstandes eine Vielzahl von Prozessen verloren gehen, kann das sicherlich zum Verlust des Versicherungsschutzes führen. Dies kommt in heutiger Zeit einem Berufsverbot gleich, sofern es nicht gelingt, einen Anschlussversicherer zu finden (was aufgrund erheblicher Vorschäden wohl schwierig sein dürfte). Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Haftpflichtversicherer in ihren Bedingungen zukünftig die Anfertigung eines vollständigen Protokolls gem. § 61 VVG im Zusammenhang mit der Versicherungsvermittlung zur Grundlage des Versicherungsschutzes machen. In diesem Fall ist jeder Makler dazu aufgefordert, seine aktuellen Haftpflichtpolicen zu überprüfen.

Marc Ellerbrock, Rechtsanwalt Partner, BEMK Rechtsanwälte

Dokumentation ist Selbstschutz

Da eine nicht vorhandene Dokumentation der Beratungstätigkeit des Maklers stets vor Gericht die Beweislastumkehr auslöst (der Makler muss dann das beweisen, was er aufgrund der fehlenden Dokumentation aber leider schwerlich wird beweisen können) sollten unbedingt bestimmte Fragestellungen an den Kunden dokumentiert werden. Im Folgenden sind die Minimalanforderungen für bestimmte Versicherungsarten aufgelistet. Langjährig und überdurchschnittlich sorgfältig arbeitende Makler werden sich über manche der Fragestellungen wundern und sie als selbstverständlich empfinden. Erstaunlicherweise ist die Erfahrung aus einer Vielzahl von gerichtlichen Auseinandersetzungen eine andere; manche Kollegen vergessen tatsächlich sie zu stellen und noch mehr vergessen sie zu dokumentieren – was ebenso große Haftung auslösen kann.

Wohngebäudeversicherung

  • Ist das Gebäude ständig genutzt?
  • Wert 1914
  • Sind Fußbodenheizungen, Schwimmbäder oder Photovoltaik-Anlagen mit oder ohne Batteriespeicher vorhanden?
  • Sind auf dem Versicherungsgrundstück Rohre vorhanden, die nicht der Versorgung versicherter Gebäude dienen? Wenn ja, wo und welche und was wird dort transportiert?
  • Bauartenklasse
  • Risikoort falls abweichend
  • Sollen Schäden durch Graffiti mitversichert sein?
  • Sollen Sachverständigenkosten mitversichert sein?
  • Sollen Kosten für die Dekontamination verseuchten Erdreichs mitversichert sein?

Privathaftpflicht

  • Besitzen Sie Hunde, Rinder, Pferde, sonstige Reit- und Zugtiere, Nutztiere, wilde Tiere, Exoten? Gewerblich oder landwirtschaftlich (Vollerwerbs oder Nebenerwerbsbetrieb) genutzte Tiere?
  • Gehen Sie auf die Jagd?
  • Beabsichtigen Sie (Um-)Baumaßnahmen im Umfang von mehr als 50.000 € durchzuführen?
  • Möchten Sie eigene Schadenersatzforderungen, die nicht befriedigt werden können, mitversichern?
  • Möchten Sie die Mitversicherung von Mietschäden an Mobiliar/Inventar in Hotels, Ferienwohnungen und Ferienhäusern sowie kurzzeitig angemieteten Privatwohnungen (siehe Airbnb und andere Internet-Privatwohnungsbörsen für Kurzzeitaufenthalte)?

Private Rechtsschutzversicherung

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  • Wünschen Sie den Einschluss von Mediationsverfahren?
  • Wünschen Sie den Verzicht auf den Einwand der Vorvertraglichkeit?
  • Wünschen Sie den Einschluss von Kapitalanlage-Schadenfällen? Hausratversicherung
  • Wünschen Sie einen Unterversicherungsverzicht?
  • Wünschen Sie Versicherungsschutz gegen Schäden in Folge von Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdfall, Erdrutsch, Schneedruck oder Lawinen?
  • Wünschen Sie eine Mitversicherung von Überspannungsschäden?
  • Wird eine Versicherung der Gebäude- und Mobiliarverglasung gewünscht?

finanzwelt 05/2015