Welchen Einfluss hat der Brexit auf europäische Aktien?

11.07.2016

Ken Hsia

Die Bilanzen europäischer Aktiengesellschaften sind so gesund wie noch nie, stellt Ken Hsia, Fondsmanager des Investec GSF European Equity Fonds des Londoner Asset Managers Investec AM fest. Daher können die meisten Unternehmen den Brexit auch besser verkraften, als angenommen.

Die Entwicklung von Schlüsselindustrien, wie Automobilbau und Baustoffindustrie deuten sogar auf einen Aufschwung hin. In Großbritannien ist zunächst weiter von einer Anti-EU-Stimmung auszugehen, da Camerons Nachfolger oder Nachfolgerin die Aufgabe haben wird, die Brexit-Verhandlungen gemäß Artikel 50 des EU-Vertrages zu beginnen. Die Erfahrungen in Griechenland haben jedoch gezeigt, dass die Verhandlungen hinter geschlossenen Türen oft viel nüchterner und zielorientierter betrieben werden, als es in den Medien zu lesen ist. Von Winston Churchill ist das Zitat überliefert: „Verschwende nie eine Krise; sie gibt uns die Gelegenheit, große Dinge zu tun“. Genau danach sollte jetzt gehandelt werden. Unsicherheit hemmt dabei zunächst Wachstum. So ist es nachvollziehbar, dass langfristige Kapitalprojekte zunächst so lange aufgeschoben werden, bis über den weiteren Prozessverlauf Klarheit herrscht. Das operative Geschäft ist davon jedoch kaum betroffen. Der Investec European Equity Fonds hat vor allem jene britischen Unternehmen untergewichtet, die vom voraussichtlich abgeschwächten Binnenkonsum betroffen sind; britische exportorientierte Titel hingegen profitieren eher vom Auftrieb des geschwächten Pfund. Zudem wurde ein stärkerer Fokus auf Energie- und Bergbautitel gelegt, was nicht zuletzt auch mit dem zuletzt wieder gestiegenen Ölpreis zusammenhängt. Insgesamt wurde Großbritannien im Fonds um 3 % untergewichtet. Die Länder mit der stärksten Übergewichtung sind dagegen Frankreich und die Niederlande. Die Entwicklung der Automobilindustrie gilt als konjunkturelles Signal für die Volkswirtschaft. So ist die Kaufnachfrage nach Fahrzeugen im ersten Quartal 2016 fast überall in Europa angestiegen, in Italien sogar um 21 %, in Deutschland und Großbritannien um je 5 %. Auch Titel der Zulieferindustrie, wie Michelin oder der niederländische Halbleiterhersteller NXP Semiconductors sind daher für den Investec GSF European Equity Fonds interessant. Ein weiterer Signalgeber für die Konjunktur ist die Baustoffindustrie. Hier ist Investec Asset Management beispielsweise an HeidelbergCement beteiligt. Europäische Aktien stellen auch in Zeiten von Unsicherheiten eine attraktive Assetklasse dar. Der MSCI Europe lieferte für europäische Aktien eine Dividendenrendite von 4 %, während europäische 10-jährige Staatsanleihen maximal eine Rendite von 1,5 % erzielten oder in einigen Fällen sogar negativ sind. Auch die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), europäische Unternehmensanleihen im Rahmen des Quantitative Easing anzukaufen, spricht eher für den Europäische Aktienmarkt, der solche Beeinflussungen nicht kennt. Es ist sogar von einem weiteren Anstieg der Dividendenrenditen auszugehen, wenn die Unternehmen weiter an ihrem Cashflow und an ihren Bilanzen arbeiten. Fazit: Das Ergebnis des Brexit-Referendums führte zu einer kurzfristigen Unsicherheit, die jedoch durch Dialoge und einer Neuordnung der innereuropäischen Beziehungen behoben werden kann. Auch kann eine neue Debatte über Zweck, Rolle und Ausrichtung der EU nicht nur für alle europäischen Staaten, sondern auch in globaler Hinsicht von Nutzen sein.

von: Ken Hsia, Investec Asset Management