Versicherer erkennt Berufsunfähigkeit wegen Hochstaplersyndrom eines Arztes an
08.11.2024
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Ab einem gewissen Zeitpunkt in seinem Leben, verspürte der Arzt deutliche Wesensveränderungen. Er registrierte eine zunehmend niedergeschlagene Stimmungslage, was mit einer Antriebsminderung und Konzentrationsstörung einherging. Auch seine Schlafqualität verschlechterte sich. Immer häufiger hinterfragte der Arzt die Richtigkeit seiner Existenz und seines Handelns.
Außerdem trat ein Angstgefühl hinzu, was sich anfangs lediglich als undefinierte Aufregung niederschlug. Das Empfinden intensivierte sich jedoch mit der Zeit, begann bereits am Morgen auf dem Weg zu der Praxis und bestimmte den gesamten Arbeitsalltag. Die Angst entwickelte sich zu einem lähmenden Faktor, der in Unentschlossenheit und Zaudern mündete. Obgleich der Arzt sämtliche Ausbildungsschritte ordnungsgemäß sowie mit zufriedenstellenden Leistungen absolviert hatte, sein Fachgebiet beherrschte und dies seit Jahren in einer allein betriebenen Einzelpraxis unter Beweis gestellt hatte, beschlich ihn urplötzlich das Gefühl, ein Betrüger zu sein. Er litt unter dem eigenen Eindruck, nichts zu können, nichts zu wissen und seine Patienten hinters Licht zu führen, verbunden mit der Hoffnung, niemand würde ihn als (vermeintlichen) „Schwindler“ enttarnen. Dieses psychologische Phänomen ist gemeinhin als Hochstapler- oder Imposter-Syndrom geläufig.
Weitere Auswirkung des Hochstaplersyndroms
Im weiteren Verlauf verschlechterte sich die Situation jedoch. Der Schlaf des Arztes wurde so schlecht, dass er dauerhaft kraftlos und erschöpft war. Er bekam Panikattacken beim bloßen Betreten der Praxis, fuhr nun immer früher auf die Arbeit, um über mehr Zeit zur Akklimatisierung zu verfügen und verließ nach dem letzten Patienten fluchtartig die Arbeitsstätte. Auch im OP bekam der Arzt Panikattacken, einhergehend mit Derealisations- und Depersonalisationserlebnissen, er zitterte, hatte Herzklopfen und Atemnot. Zudem häuften sich die Fehler, Operationen wurden tatsächlich schlecht von dem Arzt durchgeführt und mussten teilweise unvollständig abgeschlossen werden. Teilweise gelang es ihm kaum mehr, den Patienten wieder zuzunähen. Schlussendlich zog er die Notbremse und sagte alle bevorstehenden Operationen ab.
Der Versuch des Arztes seine Tätigkeit konservativ aufrechtzuerhalten scheiterte, weswegen er den finalen Entschluss fasste, die Praxis zu schließen und sich krankschreiben zu lassen. Im Rahmen einer tiefenpsychologischen Therapie konnten allmählich Verbesserungen erzielt werden. Allerdings wurde der Arzt durch persönliche Schicksalsschläge wieder zurückgeworfen. Nach einer Covid-19-Infektion mit schwerem Verlauf wandte er sich schließlich an Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte mit der Bitte um Hilfe bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsrente (siehe hierzu auch: Berufsunfähigkeit beantragen).