USA: Bleibt es bei niedriger Inflation?
08.08.2017
Axel D. Angermann, Chefvolkswirt von FERI / Foto: © FERI
Höheres Lohnwachstum könnte Fed zu aktiverer Straffung der Geldpolitik veranlassen: Die Weltwirtschaft befindet sich derzeit in einem soliden Aufschwung. Ob dies so bleibt, hängt auch davon ab, wie sich die Inflation in den USA, der noch immer stärksten Volkswirtschaft der Welt, entwickelt. Die Teuerung gibt das Tempo vor, mit dem die amerikanische Notenbank Fed die Zinsen erhöht. Übertreibt sie die Anpassung mit zu raschen Zinserhöhungen, könnte dies dem bereits lange laufenden Aufschwung in den USA ein Ende bereiten und damit auch die Weltwirtschaft empfindlich treffen. Zwar orientiert sich die Fed in ihrer Geldpolitik neben der Preisniveaustabilität auch an der Beschäftigungslage. Da sich der US Arbeitsmarkt aber gegenwärtig in sehr guter Verfassung zeigt, gewinnt die Preiskomponente zwangsläufig an Gewicht.
Die aktuellen Daten vermitteln ein Bild, das angesichts des robusten Zustands der US-Wirtschaft etwas überraschend ist: Die Inflationsrate lag im Juni bei 1,7 Prozent und damit mehr als einen Prozentpunkt niedriger als noch vier Monate zuvor. Die aussagekräftigere Kerninflation, also die Preissteigerungsrate ohne Berücksichtigung von schwankungsanfälligen Energie- und Lebensmittelpreisen, war bis Februar auf immerhin 2,2 Prozent geklettert, fiel seitdem aber ebenfalls auf knapp 1,8 Prozent zurück. Kein Wunder also, dass die allgemeinen Erwartungen hinsichtlich der künftig zu erwartenden Inflation ebenso zurückgenommen wurden wie die prognostizierten Zinserhöhungen der Fed, was wiederum die erhebliche Abflachung der Zinsstrukturkurve erklärt.
Spielraum für Lohnzuwächse bleibt gering Tatsächlich schlägt sich die gute Lage am Arbeitsmarkt - die Arbeitslosenquote liegt auf dem tiefsten Stand seit 16 Jahren - bislang nicht in höheren Lohnzuwächsen nieder. Keiner der zahlreichen verfügbaren Indikatoren zur Lohnentwicklung in den USA vermittelt das Bild spürbar stärker steigender Löhne. Vier Gründe sind dafür verantwortlich:
- Die strukturelle Schwäche des US-Arbeitsmarktes: Mehr als 5 Millionen Menschen sind aus rein wirtschaftlichen Gründen nur teilzeitbeschäftigt, finden also keine adäquate Vollzeitbeschäftigung.
- Neue Jobs entstehen in Sektoren mit eher geringen Löhnen: Auf den Hotel- und Gaststättensektor entfallen beispielsweise fast 16 Prozent aller neu geschaffenen Stellen seit Ende 2009 (etwa 2,7 Millionen), obwohl dieser Sektor weniger als 10 Prozent der Gesamtbeschäftigten auf sich vereint. Unterdurchschnittlich ist der Stellenaufbau dagegen in der Industrie und im Finanzdienstleistungssektor. Im Bereich der Informationsdienstleistungen mit seinen oftmals gut bezahlten Stellen ist die Beschäftigung per Saldo sogar immer noch rückläufig.
- Die Globalisierung dämpft weiterhin die Löhne: Auch aktuell fällt der Anstieg der Importpreise trotz des schwachen Dollars ausgesprochen moderat aus.
- Die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft: Neue Geschäftsmodelle begrenzen die Margen in bestehenden Branchen und engen den Verteilungsspielraum für Löhne und Beschäftigung ein. Für die Lohnentwicklung der Taxifahrer dürfte beispielsweise weniger die möglicherweise zunehmende Knappheit an Bewerbern um offene Stellen von Bedeutung sein als die Erosion des traditionellen Geschäftsmodells durch Uber.
Besonders der letztgenannte Grund dürfte noch an Bedeutung gewinnen. Deshalb ist bis auf weiteres nicht mit einem erheblich höheren Lohnwachstum zu rechnen. Die Lohnzuwächse werden allerdings auch nicht so niedrig bleiben wie derzeit: Die aktuelle Lohnentwicklung würde nämlich stagnierende Reallöhne bedeuten. Nachdem die Reallöhne bereits im vergangenen Jahr zeitweise um mehr als 1,5 Prozent zugelegt hatten, ist dies kein stabiler Zustand, der von Dauer sein kann.
Auf Sicht der kommenden sechs Monate erscheint deshalb ein Anziehen des Lohnwachstums von derzeit etwa 2,5 Prozent auf bis zu 3,5 Prozent wahrscheinlich. Die Folge wäre ein ebenfalls moderater Anstieg der Inflation im Laufe der ersten Hälfte des Jahres 2018. Inflationsraten zwischen 2,5 und 3 Prozent, die für die Jahresmitte 2018 plausibel erscheinen, würden wiederum eine Fortsetzung der Straffung der Geldpolitik seitens der Fed nicht nur erlauben, sondern sogar erforderlich machen. Ob dies das Ende des laufenden Konjunkturaufschwungs einläuten würde, bliebe abzuwarten. Die derzeit an den Märkten vorherrschenden, sehr gedämpften Erwartungen hinsichtlich Inflations- und Zinsentwicklung könnten sich aber als zu moderat erweisen.
Marktkommentar von: Axel D. Angermann, Chef-Volkswirt der FERI Gruppe