Unverzichtbar trotz Kritik

11.10.2015

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Längst ist der frühere Bundesgesundheitsminister von der großen Politbühne in Berlin abgestiegen. Doch die unter seinem Namen bekannte geförderte Pflegezusatzversicherung erfreut sich großer Beliebtheit – laut PKV-Verband besonders bei jungen Menschen. Dabei erfüllt sie ganz nebenbei einen Zweck, der weit über Tarifkalkulationen hinausreicht.

Im Frühjahr hat die Stiftung Warentest Pflegetarife getestet, der Pflege-Bahr konnte dabei keine Lorbeeren ernten. Das im Jahr 2013 eingeführte staatlich geförderte Modell sieht nicht nur unzureichende Leistungen im Ernstfall vor. Was bei einem Eigenanteil der Versicherten von 10 Euro monatlich und 5 Euro vom Staat obendrauf schon vom Volumen her kaum verwunderlich ist. Verbraucherschützer üben stattdessen immer wieder Kritik an der Bauart der Policen. Da es für die Anbieter einen Kontrahierungszwang ohne Gesundheitsprüfung gibt und Kunden nur abgelehnt werden können, wenn sie bereits pflegebedürftig sind, würden die Tarife auch entsprechend kalkuliert. Und weil sich besonders Kranke für die geförderte Variante der Pflegeversicherung entschieden, müssten die Beiträge für den Versicherungsschutz logischerweise überproportional steigen. Außerdem gebe es im Pflegefall keine Beitragsfreiheit, auch Pflegebedürftige müssten also weiter zahlen. Eine Kritik, die so allerdings nicht zutrifft. Denn eine staatliche Förderung gibt es nur für solche Verträge, die den Kunden die Möglichkeit einräumen, ihren Vertrag rückwirkend zum Eintritt des Pflegefalls zu kündigen oder ruhig stellen zu lassen.

Was immer wieder übersehen wird, ist die mit der Einführung des Pflege-Bahr gestiegene Sensibilität der Deutschen für das Thema Pflege.

Dass dieses Modell den Blick der Verbraucher auf einen erforderlichen umfangreicheren Schutz verstellt, sehen Versicherungsexperten auf breiter Front nicht. So sagt Christoph Lampe, Abteilungsleiter Produktmanagement Komposit, Kranken und Pflege Swiss Life Deutschland Vertriebsservice GmbH: „Ich empfinde den Pflege-Bahr als hervorragendes Backup. Kein Vertriebler muss mehr Angst vor der Ansprache einer Pflegezusatzversicherung haben, da er selbst erheblich vorerkrankten Kunden eine Lösung bieten kann.“ Auch Sybille Schneider, Sprecherin ERGO Versicherungen, kann dies nicht erkennen: „Wir freuen uns über jeden Kunden, der sich für den Pflege-Bahr interessiert. Denn dieser Kunde möchte das finanzielle Risiko der Pflege absichern, und das ist wichtig.“ Ob am Ende der Beratung der Pflege-Bahr für seine Bedürfnisse ausreiche, müsse sich dann zeigen.“ Äußerst dezidiert und mit deutlicher Kritik an der Politik sagt Dr. Stefan M. Knoll, Vorstand der DFV Deutsche Familienversicherung AG: „Immerhin haben seit Einführung mehr als eine halbe Million Menschen einen solchen Vertrag abgeschlossen, der nach wie vor gerade für jüngere Menschen Vorteile bietet. Viel entscheidender ist aber, dass der Staat derzeit nichts unternimmt, um den Menschen klar zu machen, dass private Vorsorge im Grundsatz wichtig ist.“ Mit ihren vollmundigen Leistungsversprechen im Zuge der anstehenden Pflegereform zerrede die Politik vielmehr jede Bereitschaft und Initiative der Menschen, für den Pflegefall zusätzlich privat vorzusorgen. _(hwt)

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finanzwelt Special 05/2015 | Pflege