Unverhofft kommt zu oft
18.06.2024
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Die Geschäfte mit den Unfallversicherungen stagnieren. Während dynamische Erhöhungen und Vertragsoptimierungen noch zu einem branchenweiten Beitragsplus führen, verzeichnen etliche Versicherer rückläufige Vertragszahlen. Die Bestandskundschaft schwindet und es drängt sich die Frage auf, ob Unfallversicherungen noch zeitgemäß sind. Einige Verbraucherschützer sehen eine Unfallabsicherung nur als die kleinere Verwandte des hochwertigeren Berufs- bzw. Erwerbsfähigkeitsschutzes. Branchenexperten vertreten differenziertere Sichtweisen, denn unter 10 % der Rentenfälle aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gehen auf einen Unfall zurück.
Plötzlich, unfreiwillig und verschieden
Unfallversicherungen gelten als relativ günstige Ergänzung der Absicherungskonzepte für einen Arbeitskraftverlust. Die Mär, dass Unfall-Policen die letzte Möglichkeit für bereits Vorerkrankte sind, gefährdet die Versicherungsberatung. Die Unfallversicherer wollen ebenso wenig Versicherte mit Diabetes, Herz-Kreislauf-Schwäche, Übergewicht und Co. in dem Bestand. Solche Vorbelastungen erschweren z. B. die Heilungsprozesse nach Unfallverletzungen. Bereits mit wenigen Gesundheitsfragen sorgen Versicherer für Stabilität im Vertragsbestand. Dezidiertere Risikofragen oder gar Ausschlüsse gefährlicher Hobbies sind hingegen umstritten. Versicherungsmakler können kaum mehrere hundert oder tausend Unfallkunden stetig in puncto Hobbyneuaufnahme überwachen, um drohende Schutzlücken abzuwenden. Die Ausschau nach Risikoträgern mit umfassenden Bedingungen, vernünftigen Risikofragen und ohne eine Hobby-Paranoia schafft für die Bestandskundschaft verlässliche Sicherheit. Jede Einschränkung erfordert ansonsten in den Erst- sowie der späteren Folgeberatungen jeweils haftungsrelevante Beratungsschleifen. In den Unfallverträgen finden sich vorwiegend hohe Invaliditätssummen. Mittels vertraglich vereinbarten Glieder- bzw. Körpertaxen bewerten die Versicherer die geistige und körperliche Beeinträchtigung infolge eines Unfallereignisses. Der ermittelte prozentuale Invaliditätsgrad bestimmt den Leistungsanteil aus der Invaliditätssumme. Leistungserhöhende Klauseln mit sogenannter Progression oder Renten sorgen ab festgelegten Invaliditätsgraden für eine höhere Summenauskehr. Versicherte erreichen im Katastrophenfall bis hin zur Vollinvalidität einen großvolumigen Versicherungsschutz gegen relativ niedrigen Beitrag. Kritiker verweisen gerne auf die Unfallstatistiken, nach denen Invaliditätsfälle recht selten über solche Mehrleistungshürden gelangen. Im Umkehrschluss wären die Versicherten in Leistungsfällen oft besser bedient, wenn sie auf Progressionen, Renten und andere Mehrleistungen zugunsten einer höheren Grundsumme verzichten. Die Entscheidung fällt letztlich der Kunde im Zuge der Versicherungsberatung.
Sowohl-als-auch statt Entweder-oder
Selbst gravierende Unfallfolgen führen nicht zwangsläufig in die Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit oder zum Verlust von Grundfähigkeiten. Beispielsweise münden Unfallereignisse mit komplexen Handfrakturen oder zertrümmerten Knien oftmals in hohen Invaliditätsgraden und entsprechende Leistungen aus der Unfallversicherung. Die Berufsunfähigkeitsversicherer erwägen in solchen Fällen eher eine Rente für körperbetonte Berufe wie z. B. im Handwerk oder Vertriebsaußendienst. Wird die 50 %-Schwelle für eine Rentenleistung nicht überschritten oder erfolgreich auf andere Berufsmöglichkeiten wie z. B. im Büro verwiesen, liegt die Rente schnell bei null. Dabei ist es in der Regel unerheblich, ob im erdachten Berufsfeld genügend Arbeitsstellen frei sind. Manche Arbeitgeber stehen zudem der Inklusion Unfallversehrter kritisch gegenüber. Vergleichbar gering fallen ebenfalls die Überschneidungen zwischen der Unfallversicherung und den Absicherungen bei schweren Krankheiten und Grundfähigkeitsverlusten aus. Gestaltungsversuche von umfassenden Kombilösungen oder verbundenen Versicherungen finden eine Grenze in der gesetzlich vorgeschriebenen Spartentrennung. Bereits einfache Tarifkalkulationen zur Arbeitskraftabsicherung offenbaren die Lebens- und Unfallsparten als unvereinbare Welten.
Nicht weniger, sondern mehr ist mehr
Zum komfortablen Unfallschutz gehören möglichst umfassende beitragsfreie Leistungsarten. Kostenübernahmen für Bergungen, kosmetische Operationen, Rehabilitationsmaßnahmen sowie andere Erweiterungen sichern insbesondere Maklerversicherer in Unfallkonzepten ab. Im Fall eines folgenreichen Unfalls ist ein weitreichender Versicherungsschutz für den Versehrten elementar, um nach der Genesung ins alltägliche Leben zurückzufinden. Konzepte, die hier knausern, sorgen zwar für ein paar Euro Beitragsersparnis, schaffen jedoch im Leistungsfall Ärger, Kundenunverständnis und ggf. einen Rückgriff auf den Makler. Leistungsrelevant sind die bedingungsgemäß anrechenbaren Vorerkrankungen, welche sich schutzsenkend auswirken. Die Bedingungsväter wollten Gesundheitsverschlechterungen, die während der Vertragsdauer eintreten, aus der Unfallversicherung herausfiltern. In Folge sinkt die Schutzqualität für Versicherte u. a. bei altersbedingt zunehmenden Gebrechen. Moderne Unfallkonzepte rechnen deshalb entweder lediglich bedeutende Vorerkrankungen auf eine Invalidität an oder streichen diese Leistungseinrede ganz. Bei einem Unfall-Konzeptvergleich ist also der tiefe Blick ins Kleingedruckte von Nöten, um die Spreu vom Weizen in der Anbieterlandschaft zu trennen.
Für jeden etwas dabei
Von Kindesbeinen bis ins hohe Alter gelten Unfallversicherungen als eine günstige Vorsorgeoption. Schüler, Studierende oder Haushaltsführende haben einen anderen Bedarf als Arbeitnehmer und Manager oder besonders gefährdete Berufe wie Profisportler und Sicherheitskräfte. Die Unfallfolgen können stets existenzielle Ausmaße erreichen. Je nach Situation ist die Versorgung mit herkömmlichen Krankentagegeld- und Risikolebensversicherungen den Unfallvarianten für einen Krankenhausaufenthalt oder Sterbefall überlegen. Passgenaue Invaliditätsabsicherungen bleiben in vielen Konzepten zur Einkommenssicherung State of the Art, wie der Schutz gegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Grundfähigkeitsverlust sowie schwere Krankheiten. (gg)