Unerwartete Folgen
27.12.2020
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Die Corona-Zeit hat die Frage aufgeworfen, ob das Büro, wie wir es aktuell kennen, noch eine Zukunft hat. Damit beschäftigen sich auch Projektentwickler – und ziehen sehr unterschiedliche Schlüsse, die weitaus mehr als nur die Büroimmobilien betreffen.
Am 16. Juni erschien in der Neuen Zürcher Zeitung ein eher ungewöhnlicher Nachruf: Einer auf das Büro. Auch wenn es sicherlich noch deutlich zu früh ist, das Büro „zu Grabe zu tragen“, so stellt sich doch die Frage, welche Zukunft dem Ort bevorsteht, der in den vergangenen Jahrzehnten unsere Arbeitswelt so sehr prägte, dass er zum Teil pars pro toto dafür verwendet wurde. Wenn das Home-Office in Zukunft immer mehr an Bedeutung gewinnen sollte hätte das logischerweise auch Einfluss auf die Flächennachfrage nach Büroimmobilien. „Wahrscheinlich wird der zusätzliche Bedarf an Büroimmobilien etwas zurückgehen, aber nicht so signifikant wie stellenweise vermutet, da in den Metropolen immer noch eine sehr niedrige Leerstandsquote herrscht. Stationäre Arbeitsplätze werden von Unternehmen weiterhin, ggf. in nur leicht verringertem Maße, zur Verfügung gestellt, Home-Office wird wohl nur teilweise betrieben werden“, so Dr. Matthias Schindler. Laut dem Vorstand Projektentwicklung der PROJECT Real Estate AG könnten sich die Veränderungen sehr unterschiedlich auf verschiedene Standorte auswirken. „Leiden werden bei gewerblichen Immobilien eher die peripheren Lagen in den Metropolregionen, gute B-Lagen, wie wir sie auch bei PROJECT Immobilien entwickeln, werden gefragt bleiben.“
Neue Lagen im Fokus
Wenn sich die Arbeit künftig tatsächlich mehr ins Home-Office verlagert, dürfte es auch zu einer Veränderung der Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt kommen, schließlich will nicht jeder Arbeitnehmer den ganzen Tag in dem Raum arbeiten, in dem er seinen Feierabend genießt. Das hätte dann auch Folgen für die Projektenwicklung von Wohnimmobilien. So erwartet Dr. Matthias Schindler künftig eine stärkere Nachfrage nach größeren Wohnflächen. „Außerdem achten wir bei unseren Wohnungen auf kompakte und flexible Grundrisse, damit auch bis zu vier oder fünf Zimmer und somit z.B. ein separates Arbeitszimmer möglich sind“, so der PROJECT-Vorstand, laut dem in Zukunft vor allem bestimmte Standorte in Frage kommen dürften. „Das Angebot an größeren Flächen im Wohnbereich wird sich aufgrund der nach wie vor hohen und weiter steigenden Preise in Stadtzentren eher in Stadtrandlagen realisieren lassen.“ Diese Entwicklung könnte in den Randlagen zu einem Preisanstieg führen, während in den innerstädtischen Lagen die Preise aufgrund zurückgehender Nachfrage sinken. Davon könnten Projektentwickler profitieren, die sich mit anderen Immobilienarten beschäftigen. „Obwohl der Pflegebedarf an vielen Standorten stetig wächst, folgt die Realisierung von Pflegeimmobilien natürlich der Entwicklung der Immobilienwerte und Grundstückspreise insgesamt. Zudem treiben unterschiedliche bauliche Länder-Vorgaben die Kosten. So sind wir vor allem an Standorten wettbewerbsfähig, die etwa dem klassischen Wohnen weniger zugänglich sind und – trotz des vorhandenen Bedarfs – eben nicht so häufig in innerstädtischen Lagen“, erläutert Sandro Pawils, CSO der Carestone Group. Seiner Meinung nach könnten die Umwälzung der vergangenen Monate dem Unternehmen aber die Suche nach geeigneten Standorten erleichtern, denn es würden sich im Handels- und Bürosektor Restrukturierungen erwarten lassen. Dabei kann Carestone auf die Expertise des Partnerunternehmens Verifort Capital zurückgreifen, das auf die Revitalisierung von Gewerbeimmobilien spezialisiert ist. „Unsere Investmentstrategie basiert auf zwei Säulen: Zum einen die Behebung von Leerständen durch erfahrenes und qualitätsgesichertes Assetmanagement, zum anderen der aufwendigere Weg über die Revitalisierung von Objekten“, erläutert CSO der Verifort Capital Rauno Gierig, dem zufolge das Tübinger Unternehmen dieses Konzept in florierenden Metropolregionen umsetzen möchte.
Mehr Lagerplatz wird gebraucht
Von dem sich durch Corona verstärkenden Trend nach Home-Office könnte noch eine ganz andere Immobilienklasse profitieren, die weniger in Deutschland als viel mehr in den USA sehr weit verbreitet ist: Self Storages. So steigt laut Christian Kunz, Sales & Marketing Manager TSO Capital Advisors, mit der verstärkten Nutzung von Home-Office auch die räumliche Knappheit in den Wohnimmobilien, was zur wachsenden Nachfrage nach Mietlagern beiträgt und damit einen ohnehin schon vorhandenen Trend bestärkt. Deshalb legt TSO bei Projektentwicklungen den Fokus auf diese Immobilienklasse. Dennoch sieht Kunz für eine vermeintliche aussterbende Immobilienart weiterhin eine Zukunft – allerdings unter einer Voraussetzung. „Aber auch Büroimmobilien werden zukünftig weiter Relevanz haben, wenn man Mietern flexible Raumnutzung für agile Arbeitsweisen bieten kann.“ Somit gilt für das Büro vielleicht die Weisheit, dass Totgesagte länger leben. (ahu)