Und raus bist Du!
28.07.2014
Foto: © alphaspirit - Fotolia.com
Aufgrund des Fast-Totalausfalls des Angebotes von AIFs (geschlossene Fonds) sind bei Vermittlern von Anlageprodukten „alternativ verpackte" Sachwertanlagen, seien es Nachrangdarlehen, Genussrechte oder Genossenschaftsanteile, ganz weit vorn.
Es geht auch bei manchen Vermittlern alter Schule der Glaube um, man bräuchte regelhaft für deren Vermittlung keine Zulassung nach § 34f und auch sonst wäre kaum etwas zu beachten.
„Für ca. 5 bis 8 % Provision handeln sich Vermittler je nach Produkt bis zu 100 % des Risikos in Höhe der vermittelten Anlagesummen ein!", so VSH-Experte Ralf Werner Barth, wenn er zu registrierungsfreien Produkten ohne VSH-Schutz gefragt wird.
Risikobehaftete Lösungen als unerwartete Folge des Verbraucherschutzes? Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren, nicht zuletzt getrieben durch die europäischen Gesetzgebungsinitiativen, begonnen zu regeln, was es zu regeln gibt, und zu regulieren, was möglich ist. Die Begründung liegt durchgehend im Verbraucherschutz. Dass dabei die Ergebnisse der Regulierungsbemühungen ganze Bereiche des Marktes, wie die der Genussrechte und der Nachrangdarlehen, teilweise übersehen, ist überraschend, denn deren Existenz ist nicht neu. Dass deren Emission weiterhin im Wesentlichen unreguliert zulässig ist, fördert diese Produktgattungen geradezu. Nicht zuletzt deswegen, weil es den bisher schon regulierten Produktbereichen wie den AIFs durch die neuen gesetzlichen Vorgaben schwergemacht wird, überhaupt noch zu existieren.
Vermittler, die derzeit Geschäft im Anlagesegment machen wollen, werden durch die Kraft des Faktischen (denn es gibt derzeit kaum neue „weiße" AIFs) in „alternativ verpackte" Anlageprodukte wie Nachrangdarlehen und Genussrechte, geradezu gedrängt. Der auf Kapitalanlage- und Vertriebsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala aus München bemerkt einen Trend: „Zunehmend verabschieden sich die Vermittler aus den regulierten Märkten, verzichten auf Zulassungen und Haftpflichtdeckung, um zulassungsfreie Tätigkeiten und Produkte mit höheren Provisionserwartungen ins Auge zu fassen."
Das kann ins Auge gehen. Wenn nun der Gesetzgeber einen Teil der Produkte nicht oder nur teilweise reguliert und die bisherigen Produktgeber ihren Vermittlern aufgrund der langwierigen, gesetzlich notwendigen Regularien keine neuen Produkte liefern können, dann sind die Handlungsoptionen für Vermittler auf genau drei begrenzt, von denen keine unproblematisch ist:
- Einen alternativen Produktgeber im geregelten Markt finden und mit dessen Ausrichtung, dessen Produktsegment, den dazugehörigen Kerndaten sowie der Philosophie klarkommen.
- Den geregelten Markt zu verlassen und eine auch „vergütungstechnisch" attraktive Alternative im Bereich der „alternativ verpackten" Anlageprodukte wie z. B. Nachrangdarlehen zu finden.
- Oder aber: Den Markt ganz verlassen. Und dann?
Dass die Regulierungen das Angebot im Bereich der Produktpalette der für Vermittler mit Zulassung nach § 34f 2 GewO (AIFs geschlossene Fonds) sowohl in der Breite der Anbieter als auch in der Tiefe der verfügbaren Assetklassen ausgedünnt haben, ist kein Geheimnis. Für viele Vermittler stellt sich daher die existenzielle Herausforderung, Alternativen für seine gewohnten Produkte in dem unregulierten, aber leider auch häufig nicht VSH-versicherbaren Universum der „alternativ verpackten" Anlageprodukte zu finden.
Verkaufen ohne VSH-Schutz = Harakiri im Finanzdienstleistungsbereich. Hier zeigt sich eine weitere unerwartete Auswirkung der gesetzlichen Regulierung: Gezwungen in der Kategorie 3 alles VSH zu versichern, was dort nach regulierter Vorgabe hineingehört (Anteile, die eine Beteiligung am Ergebnis des Unternehmens gewähren; Anteile an einem Vermögen, das der Emittent oder ein Dritter in eigenem Namen für fremde Rechnung hält oder verwaltet ((Treuhandvermögen)); Anteile an sonstigen geschlossenen Beteiligungen, Genussrechte und Namensschuldverschreibungen etc.), üben aktuell einige VSH-Versicherer starke Zurückhaltung in dem Segment. Sie gehen verständlicherweise nur noch nach Einzelfall-Prüfung und selektiver Auswahl vor oder bieten auf Anfragen sogenannte „Abwehr-Prämien" an. Also Prämienvorstellungen, die bei den häufiger auf den Preis als auf die Leistungen achtenden Vermittlern eher für utopisch und somit nicht machbar angesehen werden. Dazu Rechtsanwalt Dr. Fiala: „Im Grunde muss ich als Vermittler zu jedem Produkt den VSH-Versicherer fragen, ob es denn wirklich versichert ist, denn als Laie kann man dies rechtlich nur schwer überblicken."
Bis zu 100 % Haftungsrisiko für 5 % Provision. Ein Ausweichen des Vermittlers in die genannten, nicht regulierten Märkte und in zum Teil nicht VSH-versicherbare Produkte birgt für Vermittler extreme Haftungsproblematiken. Der Vermittler steht, im Extremfall eines Totalausfalls, mit bis zu 100 % der Anlagesumme gegenüber seinem Kunden in der Haftung. Es ist in solchen Fällen nicht unwahrscheinlich, dass es den Produktanbieter zu einem solchen Zeitpunkt schon nicht mehr gibt und nur noch der Vermittler als Haftungsgegner des Kunden übrigbleibt. Sollte in einem solchen Fall keine VSH-Versicherung die Kosten zumindest für die Prüfung und ggf. für die Abwehr oder die Übernahme des Schadens übernehmen, werden wohl die meisten Vermittler schon mit der eigenen Verteidigung finanziell überfordert sein. In der Regel werden derartige Prozesse wegen der Höhe der Anlagesumme vor dem Landgericht stattfinden, dort gilt Anwaltszwang. Der Vermittler kann – pro Fall – mit erstinstanzlichen Kosten ab ca. 3.000 Euro rechnen. Da er in solchen Fällen ein Produkt nicht nur einmal vermittelt haben wird, kann jedermann sich leicht selber das für ihn in Frage kommende Prozesskostenrisiko ausrechnen. Mögliche Haftungsansprüche kämen dann nach entsprechendem Urteil noch obendrauf, aber dann dürfte ohnehin schon die Vermittlerinsolvenz unausweichlich geworden sein.
Wie schützen Sie sich als Vermittler? Das Einzige was hilft, ist „Nein" zu sagen. „Nein" zu für Sie als Vermittler hoch riskanten, weil nicht per VSH absicherbaren Produkten. Wir alle wissen, dass Geschäft notwendig ist, um leben zu können. Aber ein Geschäft, das einem früher oder später das Genick bricht, kann kein für Sie einzuschlagender Weg sein.
Worauf sollten Sie achten? Sofern ein Anbieter sein nichtzulassungspflichtiges Produkt gegenüber dem Vermittler exakt mit diesem Vorteil bewirbt, aber dazu keinerlei VSH-Lösung anbieten kann, wird es für die Vermittler wohl besser sein, sich noch einmal das eigene Haftungsverhältnis bewusst zu machen, bevor er den ersten Kunden dorthin vermittelt. Am Ende aller Tage, sollte ein Produkt nicht halten, was vom Initiator versprochen wurde, steht in den meisten Fällen der Vermittler entweder ganz alleine oder mindestens ebenso wie der Initiator in der vollen Haftung. Daher mag die von Produktanbietern die Vermittler manchmal irreführende Werbung „Produkt nicht zulassungspflichtig" schon ein Hinweis auf die Intention „Hier kannst Du einfach ohne Nachdenken loslegen und verkaufen und musst nichts beachten" sein. Für den Vermittler sollte dies ein Hinweis sein, ein solches Produkt auf seine Plausibilität zu überprüfen – wenn denn schon keine umfangreiche VSH-Lösung vom Initiator angeboten wird. Wenn eine VSH-Lösung angeboten wird, sollten Sie diese trotzdem von einem Experten prüfen lassen – wäre doch schade, wenn Sie erst vor Gericht erfahren, dass Sie schutzlos dastehen. Diese paar Euro, die Sie heute dafür anlegen, sichern Ihnen wahrscheinlich irgendwann einmal die Existenz.
Erste Hilfe. Selbstschutz für Vermittler. Wenn es schon ein nichtzulassungspflichtiges Produkt sein soll und wenn dieses dann auch noch ohne VSH-Schutz vertrieben werden soll, sollten andere wichtige Vorgaben, wie sie der Gesetzgeber bei zulassungspflichten Produkten vorsieht, unbedingt eingehalten werden. Das fängt an bei dem Hinweis, wer und als was (rechtlicher Status) der Vermittler beim Kunden ist. Es geht weiter bei den Punkten, wie die Informationsleistungen an die Kunden zeitlich und vom Informationsmaterial her gegeben werden und wie die Beratung inkl. Der Gefahrenbelehrungen bis hin zum Totalverlustrisiko dokumentiert wird. Gerade die als Verbraucherschutz gedachte Protokollierung hat sich schon oft als effektiver Vermittlerschutz erweisen. Gut aufgestellte und seriös arbeitende Vermittler haben kein Problem, ihre Arbeit schriftlich festzuhalten und die Kunden das Protokoll unterzeichnen zu lassen. Damit lassen sich spätere, rein aus der Erinnerung heraus falsch formulierte Darstellungen und Vorwürfe souverän widerlegen. Wenn es deswegen erst gar nicht zu einem Prozess kommt, hat der Vermittler zumindest mit diesem Mindestmaß an eigenen Sicherheitsmaßnahmen erfolgreich agiert und sich viele tausend Euro Streit- und Klärungskosten gespart.
Festzuhalten ist: Es gibt eine ganze Reihe von hochwertigen „alternativ verpackten" Produkten, egal ob sie als Nachrangdarlehen, partiarisches Darlehen, Genossenschaftsanteil etc. strukturiert sind. Wie immer zählt nicht die Verpackung, sondern ausschließlich der Inhalt und das handelnde Schlüsselpersonal. Für Vermittler bieten diese hochwertigen „alternativ verpackten" Produkte derzeit eine hervorragende Alternative zu AIFs. Das Problem ist, wie immer, die hochwertigen Produkte von den tickenden Zeitbomben zu unterscheiden. Zusätzlich zu der unerlässlichen Plausibilitätsprüfung des Geschäftsmodells durch den einzelnen Vermittler hier eine Handreichung.
Veränderte politische Vorgaben – veränderte VSH-Angebote. Wenn Produkte nicht genehmigungspflichtig sind, dann gibt es dort natürlich auch keine konkreten Ausgestaltungs-Vorgaben. Dieser Umstand ist es aber, der bei den VSH-Underwritern die für die Risiko-Einschätzungen zuständig sind, eher auf Ablehnung als auf Zustimmung stößt. Viele schätzen diese Produkte als völlig unkalkulierbares Risiko ein, das zudem womöglich in Kürze ganz vom Markt verschwinden könnte. Das bedeutet nicht, dass es für die Direktinvestments und für Nachrangdarlehen keinen VSH-Schutz gibt. E s sind nur eher die Ausnahmen. Wer VSH-Schutz will, sollte die Spielregeln der VSH-Anbieter am besten vor einer Anfrage genau kennen. Einen VSH-Schutz gibt es nur nach bestimmten Kriterien, häufig auf einer Basis ähnlich wie im geregelten Markt, wer jedoch Anfragen an VSH-Versicherer stellt, ohne deren Spielregeln zu kennen, der wird schnell ohne konkrete Begründung abgelehnt. Und wer schon einmal abgelehnt wurde, der wird es bei weiteren Anfragen in diesem kleinen überschaubaren Markt immer schwerer haben. Somit sind Firmen, die als Anbieter im Direktinvestmentmarkt tätig sind oder zukünftig tätig sein wollen, gut beraten, ihre Anfragen über einen am Markt tätigen VSH-Experten zu stellen. Dieser kann die Prüfung des Konzeptes/Produktes auf VSH-Versicherbarkeit durchführen und bei den Maßnahmen zur Schaffung der Grundlagen mitwirken.
Hält man sich die gesamte Entwicklung vor Augen, dann wird klar, dass die Produktlandschaft sich hin zu einem komplett regulierten Markt entwickelt. Freien, kreativen aber auch abseitigen Anbietern soll die Umsetzung erschwert werden. Auch die bisher un- oder teilregulierten Bereiche (Genossenschaften, Finanzierungen, Nachrangdarlehen, Immobilienmakler, Bausparverträge usw.) wie sie z. B. auch im § 34c zu finden sind, werden sich nach und nach auf die Tatsache einer Regulierung vorbereiten müssen.
Prüfkriterien für Vermittler
- Produkt mit VSH-Schutz?
- Unterlagen und Prospektbeurteilungen (IDWS4) vorhanden?
- Vertriebsvorschläge mit Aushändigungsvorgaben und Protokollierung wie bei regulierten
- Produkten oder ganz ohne?
- Provisionshöhe und Gesamtkostenkalkulation liegen wie weit auseinander?
- Plausibilität der Anlage prüfen
- Mitwirkende in der Produktgestaltung, in der Umsetzung und im Vertrieb?
- Informationen aus dem Internet?
- BaFin Katalog mit negativen Anzeichen?
- Eigenes Wissen und Verständnis über die Funktionsweise und die Risiken des Produktes der Produktkonstruktion?
- Vorgaben vom Produktgeber in Bezug auf die Zielgruppe?
- Kleinstsparer mit kleinen Monatsbeiträgen
- Mindestzeichnungssummen sind ab welcher Höhe?
_(cs, Ralf Werner Barth)
_