Trotz Bedenken um China: Schwellenländeranleihen vielversprechend

13.11.2023

Marco Meijer und Patrick McKenna. Foto: Mediolanum

Chinas jüngste Wachstumszahlen erholen sich allmählich. Auch für andere Schwellenländer ist der Wirtschaftsausblick erfreulich, und vor allem Schwellenländeranleihen in Hartwährung bringen Renditen von durchschnittlich bis zu 9,5 Prozent ein. Wie es um die Wirtschaftsmacht China und andere Schwellenländer steht und wo Anleiheanleger fündig werden, erläutern Fixed-Income-Experte Marco Meijer und Asien-Spezialist Patrick McKenna von Mediolanum International Funds im Gastbeitrag.

Die Wachstumszahlen Chinas haben Anleger bisher enttäuscht. Viele vergessen jedoch: Die Erholung der Schwellenländer nach der Corona-Krise verlief anders als in den meisten Industrieländern. Dennoch hält sich das Wirtschaftswachstum in China gut, ebenso in anderen Schwellenländern. Gleichzeitig sind Spreads und Zinsen aktuell vergleichsweise hoch. Kurzum: Für Investoren bieten sich vielversprechende Anlagemöglichkeiten.

Ausblick positiv

Während die Wiederöffnung der Märkte in den Industrieländern, allen voran in den USA, Anleger positiv überraschte, waren die Zahlen aus China und anderen Schwellenländern eher enttäuschend, und der Konsum nach der Aufhebung der Lockdowns ließ zu wünschen übrig. Nicht nur zogen Chinas rigorose Null-Covid-Politik und die verspätete Wiederöffnung viele asiatische Länder in Mitleidenschaft. Es gab auch nur begrenzt Unterstützungsmaßnahmen für Verbraucher wie jene in den Industrieländern, wo staatliches Kapital in den Haushalten angesammelt wurde und im Nachgang der Pandemie für erhöhte Ausgaben sorgte und so die Konjunktur ankurbelte.

Dennoch ist der Ausblick für Schwellenländer erfreulich: In China hat die jüngste Sitzung des Politbüros positive Signale zur Bewältigung der wirtschaftlichen Herausforderungen ausgesandt. Die Entscheidungsträger definierten die schwache Nachfrage und die hohe Jugendarbeitslosigkeit als Wachstumsrisiken und kündigten gezielte Maßnahmen zur Stärkung des Verbrauchs, Schaffung von Arbeitsplätzen und Bewältigung von Immobilienrisiken an. Dies markiert einen politischen Wandel hin zu einer Priorisierung des Wirtschaftswachstums und wir erwarten konjunkturfördernde Maßnahmen. Auch andere Schwellenländer dürften sich gut entwickeln. Dazu zählt vor allem Indien, das von den Anlegern zunehmend als eine weitere Volkswirtschaft mit einem vielversprechenden Wachstumsprofil betrachtet wird. Aber auch Korea, Taiwan und Indonesien sind auf dem Aufwärtspfad. Verbessert haben sich auch die Wachstumsaussichten in Lateinamerika, insbesondere in Brasilien und Mexiko, die von Nearshoring-Trends und einer Zunahme ausländischer Direktinvestitionen profitieren. Insgesamt machen günstige demografische Veränderungen, Urbanisierung und der Ausblick auf langfristiges Wachstum Schwellenländer zu einem spannenden Investment.

Schwellenländer sind im geldpolitischen Zyklus voraus

Der Unterschied in der wirtschaftlichen Entwicklung nach der Pandemie führte unter anderem dazu, dass sich die Inflationsdynamik in den Schwellenländern deutlich von den Industrieländern unterscheidet: Während die USA und andere Industriestaaten immer noch darum ringen, die Inflation zu senken, haben die Schwellenländer bereits gute Fortschritte gemacht. Viele asiatische Schwellenländer profitierten von stabilen Preisen für Reis sowie billigen Öl- und Gasimporten aus Russland. Andere aufstrebende Regionen dagegen wurden von den Auswirkungen der erhöhten Getreide- und Düngemittelpreise hart getroffen, die die Invasion der Ukraine verursacht hat.

Gleichzeitig ergriff ein Großteil der Schwellenländer im Kampf gegen die Inflation rigorose geldpolitische Maßnahmen. Oftmals wurden die Zinssätze deutlich über die Inflation angehoben, sodass die realen Zinssätze in den meisten Schwellenländern heute positiv sind. Das gibt den Ländern genügend Raum, um die Geldpolitik auch weiterhin zu lockern und das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Einige Schwellenländer, wie beispielsweise Brasilien, haben bereits wieder damit begonnen, die Zinsen zu senken.

Renditen bis zu 10 Prozent

Von diesen Entwicklungen profitierten vor allem Lokalwährungsanleihen: Diese liefern für das laufende Jahr (Stand September) wieder eine Gesamtrendite von etwa 5,6 Prozent auf Euro-Basis. Die durchschnittliche Rendite unterscheidet sich jedoch je nach Region stark, mit 4,4 Prozent in Asien, 8,1 Prozent im Raum Europa, Mittlerer Osten und Afrika sowie 10 Prozent in Lateinamerika. Vor allem Indien halten wir jetzt für vielversprechend. Das Land überzeugt durch solide Wachstumszahlen, eine gemäßigte Inflation sowie eine stabile Währung und dürfte außerdem von den geopolitischen Sorgen rund um China profitieren. Dabei ist allerdings wichtig, dass die Federal Reserve den Zinssatz nicht noch weiter anhebt, da ein teurer US-Dollar sich in der Regel negativ auf die Schwellenländer auswirkt.

Auch Anleihen in Hartwährung sind interessant. Die Risikoprämie – also der Aufschlag gegenüber US- Staatsanleihen – liegt mit derzeit 4,6 Prozent historisch im mittleren Bereich. Die Gesamtrendite für diese Schuldpapiere liegt jedoch bei 9,5 Prozent und ist damit sehr attraktiv. Hinzu kommt, dass die Inflation ihren Höhepunkt bereits überschritten hat und die Zinssätze infolgedessen über das nächste Jahr hinweg wieder sinken dürften. Dies bedeutet einen Kapitalgewinn für Anleiheanleger zusätzlich zum Kupon, da die Anleihekurse dann steigen.

Vorsicht bei Unternehmensanleihen

Das beste Rendite-Risiko-Verhältnis weisen unserer Ansicht nach momentan Staatsanleihen mit einem Rating von BBB, BB und B auf. Denn in diesem Rating-Bereich erhalten Anleger Renditen von über acht Prozent – und das bei einem Ausfallrisiko, das für Schwellenländerpapiere unterdurchschnittlich ist. Gegenüber Anleihen mit A- oder CCC-Bewertungen sind sie damit klar im Vorteil. Dennoch bleiben wir bei Unternehmensanleihen weiterhin etwas vorsichtiger: Diese haben in der Regel eine geringere Duration und weisen bei sinkenden Zinsen tendenziell weniger Kapitalzuwachs auf als Anleihen mit höherer Duration. Außerdem gibt es bei diesen Anleihen mehr Bedenken im Hinblick auf Umwelt-, soziale und Governance-Faktoren, und auch im Falle einer globalen Rezession sind hier die Risiken größer.

Gastbeitrag von Marco Meijer, Portfoliomanager & Deputy Head of Fixed Income und Patrick Mckenna, Equity Portfoliomanager, Fund of Funds, Asia Pacific.