Studie: Versicherer stehen vor weitreichender Neuausrichtung
30.05.2013
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Wettbewerbsdruck, niedrige Margen und dann noch das Thema Provisionen. Die Versicherungsbranche sieht sich massiven Herausforderungen gegenüber.
(fw/ah) „Viele Versicherer zehren noch von ihren attraktiven Altbeständen, insbesondere in historisch äußerst profitablen Sparten wie Unfall. Das Neugeschäft kann damit in aller Regel nicht mit-halten – in bisher lukrativen Sparten hat der gestiegene Wettbewerbsdruck zu sinkenden Mar-gen geführt. In historisch defizitären Sparten wie Gebäudeversicherung und Kfz verbessert sich die Margensituation nur langsam, da das Prämienniveau oft nur für das Neugeschäft angepasst wird. Das hat zur Folge, dass die Profitabilität der Versicherungsbestände sinkt. Das Neugeschäft lahmt insbesondere wegen der unattraktiv gewordenen Lebens- und Krankenver-sicherungen und der höheren regulatorischen Anforderungen. Damit Versicherungsunterneh-men auch langfristig profitabel bleiben, müssen sie ihr Geschäft grundlegend umstrukturieren und konsequenter an Risiko-Ertragskriterien ausrichten.
Mit der Lebens- und der privaten Krankenversicherung stecken zwei Sparten in der Krise, die für die Versicherer wichtige Kostenträger sind und vielen Vertrieben das Auskommen sichern. Sie leiden unter den anhaltend niedrigen Zinsen, die PKV krankt zudem an der überproportionalen medizinischen Inflation, die die Prämien in die Höhe treibt. Die Finanz- und Eurokrise sorgt mit stärkerer Finanzmarktregulierung für zusätzlichen Druck. Hohe Kapitaler-träge, die Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung historisch abfedern konnten und die klassische Lebensversicherung für Kunden und Versicherer attraktiv machten, gibt es nicht mehr. Die geplante Richtlinie Solvency II wird die Kapitalanforderungen und Anlagekriterien zudem verschärfen. Hinzu kommen die grundsätzliche Marktsättigung, der demographische Wandel und zumindest mittelfristig die gedämpfte Konjunktur, die Zuflüsse in ein langfristiges Produkt wie die klassische Lebensversicherung schmälern.
„All das bedeutet empfindliche Einbußen in der Profitabilität der Versicherer und macht oft-mals eine umfassende Neuausrichtung notwendig und zwar entlang aller Hebel, das heißt strategisch und operativ", sagt Dr. Christian Kinder, Partner und Versicherungsexperte bei Bain & Company. „Eine umfassende Neuausrichtung ist unumgänglich."
Um bei anhaltend intensivem Wettbewerb und schwacher Konjunktur profitabel zu bleiben, müssen zahlreiche deutsche Versicherer ihr Neugeschäft stärker an finanziellen Erfordernissen ausrichten, also diejenigen Sparten und Produkte fördern, die nachhaltig Wert schaffen. Das verschiebt den Angebotsmix bei vielen Versicherern. Die Anpassung von Preisniveau und Zeichnungskriterien insbesondere in den traditionell unprofitablen Sparten ist der zweite Schritt. „Dauerhaft werden sich Versicherer unprofitable Sparten wie Wohngebäudeschutz und Kfz nicht mehr leisten können. Die Hoffnung von hohen Cross-Sellingquoten über Ankerprodukte hat sich nur in den seltensten Fällen wirklich erfüllt. Insofern wird es für die Versicherer auch in diesen Sparten darum gehen, eine kritische Mindestprofitabilität zu erreichen und zwar gemeinsam mit dem Vertrieb", sagt Bain-Berater Kinder.