Stock-Picking zählt!

16.01.2014

Franz Weis

**Allen Unkenrufen zum Trotz lebt die Eurozone noch immer. Europa ist wohl nicht mehr auf der Intensivstation. "finanzwelt" befragte mit *Franz Weis, Leiter des Team European Equity bei Comgest, einen profunden Kenner der europäischen Märkte. finanzwelt*: Mit einem BIP von 13,1 Bio. Euro ist Europa der zweitgrößte Wirtschaftsraum. Das „unbeliebte" Marktsegment europäische Aktien/Euroland-Aktien ist in den vergangenen Monaten wieder besser gelaufen. Was könnte die Attraktivität europäischer Aktien ausmachen?

Weis: Die starke Performance des europäischen Aktienmarktes geht auf größeres Anlegervertrauen und die damit verbundenen Mittelzuflüsse zurück. Das passt jedoch nicht zur schwachen Entwicklung der Unternehmensgewinne. Die Marktperformance basiert hauptsächlich auf einer optimistischeren Neubewertung der Gewinne im Laufe der vergangenen fünf Jahre. Wir stellen fest, dass Anleger bei europäischen Aktien zunehmend auf Titel mit geringerer Qualität setzen. Sie erwarten eine konjunkturelle Erholung, die allgemein das Gewinnwachstum anheizt und die Hausse verlängert. Die Normalisierung der Risikoprämie auf dem europäischen Markt liegt ebenso hinter uns wie der anhaltende Rückgang der Gewinnerwartungen in den letzten Jahren. Tatsache ist aber, dass europäische Unternehmen ihre Gewinnerwartungen weiterhin senken und nach wie vor vorsichtig agieren. Daher konzentrieren wir uns umso mehr auf die wenigen Unternehmen, von denen wir spürbare Steigerungen des Gewinnwachstums erwarten.

finanzwelt: Bleiben Europafonds 2014 auf der Erfolgsspur und wie schätzen Sie die jeweiligen Entwicklungen in den Kernstaaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ein?

Weis: Als Stockpicker spielt Länderallokation für uns keine bedeutende Rolle. Grundsätzlich halten wir die Lage in Europa immer noch für sehr schwierig. Trotz einer Stabilisierung der Konjunktur in Europa sehen wir kaum Wachstum in der Region. Deshalb konzentrieren wir uns auf Unternehmen, die nicht von der Gesamtwirtschaft abhängig sind. In Deutschland z.B. war einer der letzten Käufe die Event-Firma CTS Eventim, die in Europa Marktführer bei Ticketverkäufen ist. Im Healthcare-Bereich haben wir uns kürzlich für das französische Unternehmen Eurofins Scientific entschieden halten aber auch seit 15 Jahren am Brillenhersteller Essilor fest. Die Aktie hat sich vervielfacht, obwohl sie auf den ersten Blick nie preiswert war. Noch einmal: Wir sind skeptisch für den europäischen Gesamtmarkt, aber sehr optimistisch für unsere Europaportfolios und erwarten für unsere Portfoliounternehmen deutliches zweistelliges Gewinnwachstum im Jahr 2014. Es kommt auf das Stock-Picking an.

finanzwelt: Welche Chancen ergeben sich für den Investoren bei einem entsprechenden Investment und wo lauern die Risiken (Schuldenkrise)?

Weis: Der europäische Aktienmarkt benötigt einen robusten Konjunkturaufschwung, um den Bewertungsanstieg der vergangenen beiden Jahre zu rechtfertigen. Auf reiner KGV-Basis hat der Markt schon wieder Höchststände erreicht, wenn man die vergangenen zwölf Jahre als Maßstab nimmt. Das größte Risiko liegt also darin, dass die Erwartungen an das Gewinnwachstum – wieder – enttäuscht werden. Wir sehen den Aufschwung eher: Strukturelle Herausforderungen im Bankensektor, die Verschuldung öffentlicher Haushalte sowie hohe Arbeitslosigkeit und geringe Kaufkraft lassen bei uns für Europa keinen übersprudelnden Optimismus aufkommen.

(Das Interview führte Alexander Heftrich)